Die Eisprinzessin

Über dem Regenbogen und im siebten Himmel wurde einst ein schönes Mädchen geboren, mit goldenem Haar und nachtblauen Augen. Im Kristallschloss ihrer Eltern wuchs sie mit viel Liebe auf, wie auch ihre Eltern sich in großer Liebe und Zärtlichkeit einander zugetan waren. Wenn am frühen Morgen die Mutter Sonne die durchsichtigen, glänzenden Fenster des Schlosses rosa einfärbten, blühte das Herz des Mädchens auf, und es begann zu träumen.

Es träumte und träumte, durch den ganzen Tag hindurch, durch den Morgen, durch den Mittag, den die weichen weißen Wolken vor ihr und ihrer Familie schützten bis hin zum Abend, wenn wieder die rötlichen Strahlen der untergehenden Sonne den ganzen Palast in einen granatroten Traum in die Sphären der Phantasie verwandelten. Während der Vater, der gute und weise König der Wolkenmacher, die Kleine träumen lies, sorgte sich die Mutter, die mächtige Königin der Regenbogenmaler, um die Zukunft ihrer Tochter, da sie wollte, dass auch ihre Tochter einst eine große Königin werden sollte.

Nachts, wenn der samtblaue Himmel den Hintergrund für die wie Brillanten funkelnden Sterne gab, sollte Aimée, so hatten sie ihr geliebtes Töchterlein genannt, ein wenig lernen, da es ja den ganzen Tag über geträumt hatte. Und so gaben sie ihr Mutter Mond als Lehrerin, die schon alles wusste und gesehen hatte und mit ihrer milden Weise dem Mädchen viel lehren konnte über Schönheit, Wissen, Anmut, Herzenswärme, Klugheit und besonders Höflichkeit. Zu aller Verwunderung stellte sich heraus, dass Aimée gerne lernte und alles in sich aufnahm, was sie von Mutter Mond erfahren konnte. Tagsüber freilich träumte sie weiter, beschienen von den bezaubernden Strahlen der Sonne über dem Regenbogen. Und so kam es, dass eines Tages aus dem kleinen schönen Mädchen eine strahlend schöne und kluge Frau geworden war, bereit, ein Reich auf das Beste zu regieren. Gemeinsam mit dem Prinzen der Meere im Universum, mit dem sie sich verheiratet hatte, erfreute sie sich eines angenehmen Lebens im Königreich der blauen Tiefen, angetan mit schönen Roben, glitzerndem Geschmeide und einer Krone aus Millionen grünblauer Wassertropfen auf ihrem goldenen Haar. Sie lebten und regierten glücklich, ein Sohn ward ihnen geboren und die Prinzessin träumte weiter, weiter und weiter.

Und so bemerkte sie nicht, wie in ihr wunderschönes Reich der Meere eines Tages der Meister der Stürme und der Kälte einfiel und ein Meer nach dem anderen in blaue Eisflächen verwandelte, in denen alle Anmut, Leichtigkeit und Wärme allmählich abstarb. Der Prinz und der Sohn versuchten sie, aus ihren Träumen zu wecken, doch die Prinzessin war versunken in ihre Welt aus lichten Sonnenstrahlen und zarten Morgenröten, so dass sie nicht bemerkte, wie der Sturmmeister ihre Krone in ein Prunkstück aus reinstem Eis verwandelte.

Erst in diesem Moment erwachte sie aus ihren Träumen, erschrak, und sank unter der Wucht der Krone zu Boden. Die Krone zersprang und ein Splitter des Eises drang in ihr Herz, das vom Eis erstarrt, zu schlagen aufhörte. Man rief ihre Mutter, die die Regenbogenmaler mitbrachte. Diese malten den schönsten Regenbogen über ihr Herz, den man jemals gesehen hatte. Und tatsächlich begann das Herz wieder zu klopfen, und die Prinzessin erwachte wieder zum Leben. Aber sie träumte nicht mehr. Ihre Augen waren eisblau geworden, und traurig. Niemals mehr sah man die schöne Prinzessin lachen oder lächeln, keine Wolke, die ihr der Vater schickte, konnte sie wärmen. Ihr Traum war zersprungen, wie die Krone auf ihrem Kopf.

Seither nannte man sie die Eisprinzessin.

von Viola Eigenbrodt  für Renate Hirsch-Giacomuzzi

 


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