Die Einseitigkeit ist grotesk


„Über den Ukraine-Konflikt, die Rolle der deutschen Politik und die Berichterstattung in den hiesigen Medien. Ein Gespräch mit Iwan Rodionow (Chefredakteur der russischen TV-Nachrichtenagentur Ruptly)

Die Rolle der faschistischen Kräfte, die auf dem Maidan aktiv waren und sind, wird hierzulande sehr unterschiedlich eingeschätzt. Grünen-Politiker wie Marieluise Beck oder Rebecca Harms sehen da offenbar keine Gefahr. Und Sie?

Also mit Verlaub, drei Minister in der neuen Regierung und ein Generalstaatsanwalt von der Partei »Swoboda«, der ukrainischen Version der NSDAP – ist das eine zu vernachlässigende Größe? Das überlasse ich den grünen Politikern. Direkt auf Swoboda angesprochen sagte übrigens Elmar Brok, Europaabgeordneter der CDU, daß er mit ihr gut leben könne, auch wenn sie nicht unbedingt seine Lieblingspartei sei. Aber solange sie zum Freiheitskampf und der Befreiung von der Diktatur beitrage … Das finde ich schön. Herrn Brok oder die Kollegen von den Grünen würde ich gern fragen, unter welchen Bedingungen sie sich eine Zusammenarbeit etwa mit der NPD, der deutschen Bruderpartei von Swoboda, vorstellen können.

Wie empfinden Sie die Darstellung des Konflikts in den hiesigen Medien?

Die Einseitigkeit ist einfach nur grotesk. Jetzt sehen wir Demonstrationen in Charkow oder Donezk, wo die gleichen Polizisten, die in Kiew im Namen der Janukowitsch-Tyrannei auf Demonstranten eingeknüppelt haben, nun auf prorussische Demonstranten einprügeln. Und auf einmal gilt das als notwendige Ordnungs- oder Sicherheitsmaßnahme. Und die Demonstranten heißen Krawallmacher, nicht freiheitsliebende Bürger, und natürlich ist alles von Rußland geschürt und gesponsert. Und dazu diese Verniedlichung der rechtsradikalen Kräfte. Es scheint, als seien die deutschen Medien und die deutsche Politik auf dem rechten Auge blind.

Aller Hetze zum Trotz: Lange Jahre hindurch entwickelten sich die ökonomischen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland gedeihlich und zum beiderseitigen Nutzen. Sogar von einer »strategischen Partnerschaft« war die Rede. Nun gibt es diesen Scherbenhaufen. Wie geht das zusammen?

Es gibt diesen tollen Dualismus in der deutschen Politik. Die Wirtschaft macht im stillen prächtig ihre Geschäfte mit Rußland, etwa 70000 Arbeitsplätze hängen in Deutschland direkt davon ab. Adidas allein macht Umsätze von zirka einer Milliarde Euro im Jahr. In den Medien und in der öffentlichen Politik wird eine andere Linie gefahren. Da heißt es dann gelegentlich von Gauck oder Merkel: Im Sinne einer »werteorientierten Politik« Klartext reden mit Rußland, das ja irgendwie dumm, rückständig und autoritär ist. Kurzum: Das ausufernde Rußland-Bashing in Medien und Politik läuft parallel mit einem sehr lukrativen Rußland-Geschäft, das außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung erfolgt und einen Jahresumsatz von 80 oder 90 Milliarden Euro verzeichnet.“

Quelle und gesamter Text: http://www.jungewelt.de/2014/03-21/012.php


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