Die dunkle Seite des Gesundheitswesens

schwein Neulich habe ich mit P.Laurenti neun kleine Schweineställe besucht. Es handelt sich um ein Projekt von uns, HIV-positiven Frauen die Möglichkeit zu geben, durch Schweinezucht ihr Einkommen etwas aufzubessern. Die Schweine gehören nicht den einzelnen Frauen, sondern der Selbsthilfegruppe; die Eberferkel werden verkauft, die jungen Säue zur Zucht eingesetzt. Ich habe Laurenti nachher zweimal gefragt, ob die Frauen (einige wenige Männer sind auch darunter) wirklich HIV-positiv sind, so gesund sehen sie aus. Ja, sie sind es, aber die modernen Medikamente können das Virus ziemlich gut im Griff halten, wenn die Kranken sie regelmäßig einnehmen.


Vor einigen Wochen wurde Felicitas, eine der Gründerinnen der Gruppe, schwer krank. Die Nachbarn baten uns um ein Auto, um sie ins nächstgrößere Krankenhaus zu bringen, da man ihr hier in Uwemba nicht mehr helfen konnte. Laurenti wollte ihr die Krankensalbung spenden, aber er erfuhr, dass sie zu den „Erlösten“, einer fundamentalistischen Sekte, übergetreten war. Auch im zweiten Krankenhaus konnte man ihr nicht mehr helfen, so ging die Fahrt weiter zu einem dritten, ungefähr eine Stunde über schlechte Straßen von hier entfernt. Dort nahm sich der Krankenhauspfarrer auf Laurentis Bitte hin ihrer an und erfuhr den Hintergrund der Geschichte: Sie war bei den „Erlösten“ geheilt worden. Und man hatte ihr gesagt, wenn sie wirklich glaube, dass Jesus sie geheilt habe, dürfe sie keine Medikamente mehr nehmen. Die Ärzte konnten ihr nicht mehr helfen. Da sie vor ihrem Tod um Wiederaufnahme in die Katholische Kirche gebeten hatte, wurde sie in Uwemba von Laurenti beerdigt. Der hielt seine Predigt nicht wie sonst in der Kirche, sondern anschließend auf dem Friedhof, wo auch die „Erlösten“ dabei waren. Und er hat diesen Pseudo-Heilern ziemlich deutlich gesagt, dass für Krankheiten die medizinische Wissenschaft zuständig ist.
Die moderne Medizin hat hier außer dem christlich-fundamentalistischen Spektrum noch andere Konkurrenten. Zur Gruppe der HIV-Positiven gehört auch ein 80-jähriger Mann. Das ist nicht unbedingt die Altersgruppe, bei der man eine sexuell übertragbare Krankheit vermuten würde. Der Alte war zu einem traditionellen Heiler gegangen. In all den vielen Jahrhunderten vor der Ankunft wissenschaftlich ausgebildeter Mediziner waren diese Heiler für die Probleme der Menschen zuständig. Mit ihren Ritualen und Kräutern, auch mit Giften, mit weißer und mit schwarzer Magie halfen sie den Menschen, manchmal auch dadurch, dass sie deren Feinde aus dem Weg räumten. Noch heute kann man überall ihre kleinen Werbetäfelchen sehen, „Traditioneller Heiler. Doktor Mgimba hilft bei Liebesproblemen, Krankheiten, Prüfungen, Geldproblemen. Telefon 076543210.“ Oder: „Kräuterkundler. Heilung auf natürliche Weise. Spezialisiert auf Rückenschmerzen und AIDS.“ Der Heiler, zu dem unser Alter gegangen war, ritzte ihm zauberkräftige Muster in die Haut, bis das Blut heraustrat. Dasselbe Messerchen hatte er zuvor auch bei anderen Kunden benutzt und natürlich nicht sterilisiert …

Das Werbeschild von dem Kräuterkundler sah ich übrigens vor einem Jahr in Dar es-Salaam auf der Reise nach Deutschland. Eine Woche später wurden mir beim deutschen Zahnarzt Globuli und Schüssler-Salze gegen Aften empfohlen – das ist nicht ganz so gefährlich wie Kräuter gegen AIDS, aber genauso wirkungslos und vermutlich sogar teurer.

 


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