Dass meine Kinder in vielen Aspekten sehr unterschiedlich sind, dürfte meinen Lesern bekannt sein. Einer der Bereiche, wo sich das am deutlichsten zeigt, ist die sogenannte Trotzphase, in der sich die Kleine jetzt altersmäßig befindet. Ich verwende lieber den Begriff Autonomiephase, da dieser den Prozess der beginnenden Ablösung von den Eltern widerspiegelt, die im 2. Lebensjahr beginnt und bis ins 4. Lebensjahr anhält.
Die Kleine ist jetzt fast 2 Jahre alt und man merkt durchaus, dass sie sich in ihrer Autonomiephase befindet. Trotzdem ist diese bei ihr so dermaßen verschieden davon, wie wir sie mit dem Großen durchlebt haben, dass ich darüber mal einige Gedanken niederschreiben muss. Das ist ausdrücklich ein Zwischenstandsbericht und mir ist bewusst, dass es sich durchaus noch verschärfen kann.
Die Autonomiephase des Großen begann deutlich sichtbar und heftig schon mit 1 1/4 Jahren. Das erschien mir damals sehr früh und ich zweifelte erst, ob es wirklich schon soweit war. Aber das Wüten, Hinwerfen und Rumwälzen war eindeutig. Er konnte zu diesem Zeitpunkt gerade mal ein paar wenige Wörter artikulieren, was es für ihn und für uns besonders schwer machte, zu verstehen, was er wollte. Da er schon immer sehr heftig in seinen Reaktionen war, fiel seine Autonomiephase seinem Charakter entsprechend ebenso heftig aus. Zwar hatten wir keinen direkten Vergleich, aber wir empfanden das trotzdem so. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass er (nach meiner jetzigen Einschätzung) hochsensibel und autonom ist, wäre ich wahrscheinlich etwas anders an die vielen kraftraubenden Vorkommnisse in dieser Zeit herangegangen. So aber traf es uns mit voller Wucht, vergleichbar mit der Situation nach seiner Geburt.
Ich erinnere mich an unzählige Situationen, in denen ich bzw. wir rat- und hilflos einem wütenden, tobenden Kind gegenüberstanden, das sich weder durch Reden, Zuwendung, Trost noch durch Konsequenz noch durch Bestechung, Ablenkung, Manipulation wieder aus seinem Kampf mit sich selbst zurückholen ließ. Die Anlässe für seine Wut habe ich erst nach und nach durchschaut, was aber nicht viel zur Linderung beitrug, da man ihn überhaupt nicht auffangen konnte. Es war sozusagen die Wiederholung der Schreibaby-Zeit, in der so gut wie nichts, was wir versuchten, zur Besserung seiner Schwierigkeiten beitragen konnte. Die ersten heftigen Wutanfälle, an die ich mich erinnere, fanden jeden Nachmittag direkt nach dem Abholen aus seiner ersten Kita statt. Er war ca. 15 Monate alt. Nach wenigen Metern schmiss er sich auf den Boden, brüllte aus Leibeskräften und wand sich mit einer Körperspannung, der ich kaum standhalten konnte. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriffen hatte, dass er wahrscheinlich direkt nach der Kita (in der er sich nicht wohlfühlte) stillen und Mama tanken wollte. Da dies weder in der beengten Garderobe der Kita noch mitten auf dem Bürgersteig möglich war und ich auch ehrlich gesagt dafür nach Hause gehen wollte, musste ich täglich ein tobendes und sich windendes Kind auf dem Arm nach Hause tragen. Zuhause nach dem Stillen beruhigte er sich meist, brauchte aber immer ca. 1 Stunde, bis er wieder auf "Normalzustand" zurück war. Dass ich mich vor den Abholsituationen fürchtete, anstatt mich auf mein Kind zu freuen, ist sicher nachvollziehbar.
Es gab schlimme Wutanfälle vor allem beim Anziehen, was bis heute problematisch mit ihm ist, beim Haarewaschen, beim Zähneputzen, bei Verständnisschwierigkeiten, bei vielen aus unserer Perspektive "kleineren" Missverständnissen und nicht angemessenen Reaktionen unsererseits. Ganz grausam waren weiterhin seine Reaktionen nach dem für ihn anstrengenden, weil angepassten, Kitatag. Ich hasste es, ihn abzuholen. Er tobte, wütete trotz all unserer Bemühungen und war oft völlig außer sich. Nach und nach kam noch die körperliche Aggressivität dazu, die sich auch gegen ihn selbst richten konnte (Auto-Aggression). Das waren für mich eigentlich die schlimmsten Situationen, in denen er niemanden an sich heranließ und ich ihn nur anschreien konnte, damit er aufhörte, sich selbst weh zu tun. Das war das einzige Mittel, was ihn in den Auto-Aggressionssituationen innehalten ließ. In allen anderen Momenten versuchten wir natürlich alles mögliche, um ihn aus dem Außer-Sich-Sein zurückzuholen. Es war fast unmöglich. Er verweigerte sich all unseren Versuchen und unsere Angebote waren uninteressant und inakzeptabel. Sämtliche Vorschläge von Freunden und Familie, wie wir es doch anders machen könnten, waren nicht umsetzbar, erfolglos oder gegen meine Überzeugung. Ich fing an, mich ins Thema einzulesen, und eines der Bücher, die mir tatsächlich praktisch weiterhalfen, war Das glücklichste Kleinkind der Welt von Harvey Karp. In Kurzform wird hier beschrieben, worum es geht und wie man mit seinem "trotzenden" Kind umgehen soll. Obwohl ich die Methode nicht bis ins letzte Detail anwandte, half sie mir doch durch einige schwierige Situationen hindurch und prägte meine Vorgehensweise, in solchen Momenten zuerst einmal die Gefühle des Kindes zu spiegeln. Das mache ich bis heute in Schmerz-, Wut- und Trotzsituationen, und es hilft tatsächlich.
Genauso wie als Baby brauchte er unheimlich lange, bis er sich wieder beruhigt hatte. Ich gewöhnte mir also an, potentielle Wutauslöser zu meiden bzw. im Ansatz zu "ersticken", damit er sich gar nicht erst hineinsteigerte. Dafür habe ich viel Unverständnis kassiert, aber bin weiter diesen Weg gegangen, der sich als richtig für den Großen erwiesen hat. Die Methode der Ablenkung funktionierte nur ab und zu, wenn man sie ganz am Anfang anwandte, bevor er in seiner Spirale gefangen war. Nach heftigen Wutanfällen waren alle Beteiligten völlig ausgelaugt und niedergeschlagen und es bedeutete einen enormen Kraftaufwand, sich wieder normal auf den Großen einzulassen. Da ich mir geschworen hatte, meine Kinder immer auch in ihren negativen Emotionen aufzufangen, stehen mir die wenigen Momente, wo ich dies wegen völliger Erschöpfung nicht getan habe, bis heute deutlich vor Augen, und ich empfinde große Reue darüber. Es waren nur wenige Situationen, wo ich den Großen zu lange allein mit seinem Schmerz und seiner Wut gelassen habe und ich habe ihn danach auch wieder aufgefangen, aber schon diese Verzögerung in meinem Verhalten tut mir sehr leid, auch wenn ich mangels Kraft damals nicht anders konnte. Andererseits war ich auch sehr oft die Einzige, die ihn überhaupt aufgefangen hat. Niemals hat es bei mir das verbreitete "Ins-Zimmer-Schicken" gegeben, niemals habe ich die Emotionen des Kindes als weniger bedeutend als meine angesehen, niemals habe ich die Taktik des "Ausbocken-Lassens" verfolgt (abgesehen davon hätte sie auch nicht funktioniert). Ich bin immer wieder auf ihn zu gegangen, denn von allein kam er nie. Sein Stolz, seine Würde, seine Integrität hinderten ihn daran, das zu machen, was die meisten anderen Kinder wie selbstverständlich tun. Er hat es uns sehr schwer gemacht und ich habe es mir auch nicht leicht gemacht. Es war sehr hart und kräftezehrend, aber ich denke, es hat sich gelohnt.
Er war eigentlich überhaupt kein Hau-, Spuck-, Beiß- oder Tretkind, weder uns gegenüber noch bei anderen. Mich hat er sehr selten attackiert, meinen Mann schon eher, weil dieser auch tendenziell weniger Verständnis für ihn hatte. Er hat aber heftigst randaliert und seine emotionale Verzweiflung war grausam anzusehen. Mit ca. 3 Jahren kamen verstärkt verbale Aggressionen dazu und es gab eine kurze Phase, die aus ständigem "Du Popel", "Böse Mama/Papa", "Kackekackekacke" bestand. Das war zwar sehr unschön, aber ich habe das damals schon als Weiterentwicklung und Umwandlung seiner körperlichen Agressivität in verbale Bahnen gesehen und insofern als tendenziell positiv empfunden.
Seine Autonomiephase endete, als er ca. 3 1/2 Jahre alt, nachdem er vorher noch einmal zur Höchstform aufgelaufen war. Danach wurden die Wutanfälle immer weniger und vor allem, weniger heftig und kräftezehrend, und zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr selten geworden, dass er richtig austickt. Die schlimmste Zeit im Rückblick war ca. von 2 1/2 bis 3 1/4 Jahre. Kurz davor wurde seine Schwester geboren, was sicherlich auch noch einige für ihn schwierige Emotionen mit sich brachte. Heute kann er sich verbal so gut ausdrücken, dass man sehr oft einen Weg findet, um die Situation ohne Eskalation aufzulösen, und ich denke, er hat auch gemerkt und verinnerlicht, dass seine Bedürfnisse anerkannt und wenn möglich erfüllt werden. Er verwendet heute so gut wie keine Schimpfwörter, weder zu uns noch zu anderen, was mir fast täglich auf dem Spielplatz im Vergleich zu anderen Kindern absolut positiv auffällt.
Doch nun zur Kleinen und den Unterschieden in ihrem Verhalten. Sie ist ja grundsätzlich ein sehr körperbetontes, anschmiegsames, tröstbereites und leicht zu beruhigendes Kind. Diese Eigenschaften sowie eine grundlegende Zufriedenheit in ihrem Wesen machen ihre Autonomiephase bisher fast zu einem Spaziergang, verglichen mit der des Großen. Sie kriegt ab und an Wutanfälle, wo sie sich auf dem Boden wälzt und brüllt (letztens erst wieder im Supermarkt), aber im Großen und Ganzen lässt sie sich leichter ablenken, besser und schneller beruhigen und gerät selten so sehr außer sich wie der Große. Sie ist auch schon verständiger in ihrem Denken und ich habe das Gefühl, dass sie vieles versteht, was man ihr erklärt, woraus resultiert, dass sie weniger wütend ist, wenn man sie mal reglementiert. Deshalb sind auch unsere Emotionen ihr gegenüber andere. Mein Mann sagte letztens, wenn sie wütend ist, empfindet man Bedauern und Mitleid und den Wunsch zu trösten. Beim Großen dagegen wuchsen die eigenen Aggressionen und es erschöpfte einen so unglaublich.
Sie kann sich auch sprachlich nicht nur besser, sondern auch aktiver ausdrücken als der Große im gleichen Alter, was es ihr leichter macht, zu verbalisieren, was sie möchte. Dadurch gerät man nicht so schnell in den Kreislauf der Missverständnisse. Sie beharrt auch bei Nichtverstehen lange auf Wiederholungen, so dass man eine bessere Chance hat, sie vielleicht doch noch zu verstehen. Der Große hat da immer sofort dicht gemacht. Sie ist auch überhaupt nicht nachtragend und kommt im Unterschied zum Großen nach einer kurzen Zeit von selbst wieder zu uns, wenn sie nicht sofort aufgefangen wird.
Interessant ist, dass die Kleine, selbst wenn sie auf mich sauer ist, trotzdem von mir getröstet und getragen werden will. Der Papa hat da in den meisten Fällen keine Chance. Das war beim Großen anders: er ist dann, wenn er sich wieder öffnen konnte, zu dem jeweils anderen Elternteil gegangen, über den er sich nicht geärgert hatte. Allerdings kommt er auch, nachdem der Papa ihn getröstet hat, oft noch danach zu mir als letzter Tröstinstanz. Generell kriegt man die Kleine relativ leicht wieder in die Spur und fühlt sich selten so völlig hilflos wie jedesmal beim Großen. Ihre Reaktionen sind viel weniger heftig und die nachfolgende Versöhnung durch Kuscheln lässt vieles wieder vergessen. Da der Große überhaupt kein Kuschelkind war, blieb ihm und uns das verwehrt. Für ihn war das Getragen-Werden immer das Kuscheln, und bis heute gibt man ihm am besten dadurch Geborgenheit und Halt, indem man ihn (18 kg) trägt.
Ich bin gespannt, wie sich die Autonomiephase der Kleinen noch weiter entwickeln wird. Die Unterschiede sind deutlich zu erkennen und nicht auf unsere gesteigerte Erfahrung oder Gelassenheit, sondern auf ihre andere Wesensart zurückzuführen. Wenn so wie bei der Kleinen die Autonomiephasen der meisten anderen Kinder ablaufen, dann können sich Eltern, die nur dies erlebt haben, nicht im Ansatz vorstellen, was wir durchhaben. Lustig ist, dass einige unserer befreundeten Eltern von anderen 4-jährigen Kindern klagen, dass in letzter Zeit häufige Wutanfälle an der Tagesordnung sind. Ich kann dann immer entgegnen, dass es bei unserem 4-Jährigen vorbei ist. Mal sehen, ob die Kleine sich noch einmal steigert oder ob es diesmal eher glimpflich verläuft. Vorbereitet sind wir ja mittlerweile auf alles;)
Wie war die Autonomiephase bei euren Kindern, vor allem wie unterschiedlich bei Geschwisterkindern?
Die Kleine ist jetzt fast 2 Jahre alt und man merkt durchaus, dass sie sich in ihrer Autonomiephase befindet. Trotzdem ist diese bei ihr so dermaßen verschieden davon, wie wir sie mit dem Großen durchlebt haben, dass ich darüber mal einige Gedanken niederschreiben muss. Das ist ausdrücklich ein Zwischenstandsbericht und mir ist bewusst, dass es sich durchaus noch verschärfen kann.
Die Autonomiephase des Großen begann deutlich sichtbar und heftig schon mit 1 1/4 Jahren. Das erschien mir damals sehr früh und ich zweifelte erst, ob es wirklich schon soweit war. Aber das Wüten, Hinwerfen und Rumwälzen war eindeutig. Er konnte zu diesem Zeitpunkt gerade mal ein paar wenige Wörter artikulieren, was es für ihn und für uns besonders schwer machte, zu verstehen, was er wollte. Da er schon immer sehr heftig in seinen Reaktionen war, fiel seine Autonomiephase seinem Charakter entsprechend ebenso heftig aus. Zwar hatten wir keinen direkten Vergleich, aber wir empfanden das trotzdem so. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass er (nach meiner jetzigen Einschätzung) hochsensibel und autonom ist, wäre ich wahrscheinlich etwas anders an die vielen kraftraubenden Vorkommnisse in dieser Zeit herangegangen. So aber traf es uns mit voller Wucht, vergleichbar mit der Situation nach seiner Geburt.
Ich erinnere mich an unzählige Situationen, in denen ich bzw. wir rat- und hilflos einem wütenden, tobenden Kind gegenüberstanden, das sich weder durch Reden, Zuwendung, Trost noch durch Konsequenz noch durch Bestechung, Ablenkung, Manipulation wieder aus seinem Kampf mit sich selbst zurückholen ließ. Die Anlässe für seine Wut habe ich erst nach und nach durchschaut, was aber nicht viel zur Linderung beitrug, da man ihn überhaupt nicht auffangen konnte. Es war sozusagen die Wiederholung der Schreibaby-Zeit, in der so gut wie nichts, was wir versuchten, zur Besserung seiner Schwierigkeiten beitragen konnte. Die ersten heftigen Wutanfälle, an die ich mich erinnere, fanden jeden Nachmittag direkt nach dem Abholen aus seiner ersten Kita statt. Er war ca. 15 Monate alt. Nach wenigen Metern schmiss er sich auf den Boden, brüllte aus Leibeskräften und wand sich mit einer Körperspannung, der ich kaum standhalten konnte. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriffen hatte, dass er wahrscheinlich direkt nach der Kita (in der er sich nicht wohlfühlte) stillen und Mama tanken wollte. Da dies weder in der beengten Garderobe der Kita noch mitten auf dem Bürgersteig möglich war und ich auch ehrlich gesagt dafür nach Hause gehen wollte, musste ich täglich ein tobendes und sich windendes Kind auf dem Arm nach Hause tragen. Zuhause nach dem Stillen beruhigte er sich meist, brauchte aber immer ca. 1 Stunde, bis er wieder auf "Normalzustand" zurück war. Dass ich mich vor den Abholsituationen fürchtete, anstatt mich auf mein Kind zu freuen, ist sicher nachvollziehbar.
Es gab schlimme Wutanfälle vor allem beim Anziehen, was bis heute problematisch mit ihm ist, beim Haarewaschen, beim Zähneputzen, bei Verständnisschwierigkeiten, bei vielen aus unserer Perspektive "kleineren" Missverständnissen und nicht angemessenen Reaktionen unsererseits. Ganz grausam waren weiterhin seine Reaktionen nach dem für ihn anstrengenden, weil angepassten, Kitatag. Ich hasste es, ihn abzuholen. Er tobte, wütete trotz all unserer Bemühungen und war oft völlig außer sich. Nach und nach kam noch die körperliche Aggressivität dazu, die sich auch gegen ihn selbst richten konnte (Auto-Aggression). Das waren für mich eigentlich die schlimmsten Situationen, in denen er niemanden an sich heranließ und ich ihn nur anschreien konnte, damit er aufhörte, sich selbst weh zu tun. Das war das einzige Mittel, was ihn in den Auto-Aggressionssituationen innehalten ließ. In allen anderen Momenten versuchten wir natürlich alles mögliche, um ihn aus dem Außer-Sich-Sein zurückzuholen. Es war fast unmöglich. Er verweigerte sich all unseren Versuchen und unsere Angebote waren uninteressant und inakzeptabel. Sämtliche Vorschläge von Freunden und Familie, wie wir es doch anders machen könnten, waren nicht umsetzbar, erfolglos oder gegen meine Überzeugung. Ich fing an, mich ins Thema einzulesen, und eines der Bücher, die mir tatsächlich praktisch weiterhalfen, war Das glücklichste Kleinkind der Welt von Harvey Karp. In Kurzform wird hier beschrieben, worum es geht und wie man mit seinem "trotzenden" Kind umgehen soll. Obwohl ich die Methode nicht bis ins letzte Detail anwandte, half sie mir doch durch einige schwierige Situationen hindurch und prägte meine Vorgehensweise, in solchen Momenten zuerst einmal die Gefühle des Kindes zu spiegeln. Das mache ich bis heute in Schmerz-, Wut- und Trotzsituationen, und es hilft tatsächlich.
Genauso wie als Baby brauchte er unheimlich lange, bis er sich wieder beruhigt hatte. Ich gewöhnte mir also an, potentielle Wutauslöser zu meiden bzw. im Ansatz zu "ersticken", damit er sich gar nicht erst hineinsteigerte. Dafür habe ich viel Unverständnis kassiert, aber bin weiter diesen Weg gegangen, der sich als richtig für den Großen erwiesen hat. Die Methode der Ablenkung funktionierte nur ab und zu, wenn man sie ganz am Anfang anwandte, bevor er in seiner Spirale gefangen war. Nach heftigen Wutanfällen waren alle Beteiligten völlig ausgelaugt und niedergeschlagen und es bedeutete einen enormen Kraftaufwand, sich wieder normal auf den Großen einzulassen. Da ich mir geschworen hatte, meine Kinder immer auch in ihren negativen Emotionen aufzufangen, stehen mir die wenigen Momente, wo ich dies wegen völliger Erschöpfung nicht getan habe, bis heute deutlich vor Augen, und ich empfinde große Reue darüber. Es waren nur wenige Situationen, wo ich den Großen zu lange allein mit seinem Schmerz und seiner Wut gelassen habe und ich habe ihn danach auch wieder aufgefangen, aber schon diese Verzögerung in meinem Verhalten tut mir sehr leid, auch wenn ich mangels Kraft damals nicht anders konnte. Andererseits war ich auch sehr oft die Einzige, die ihn überhaupt aufgefangen hat. Niemals hat es bei mir das verbreitete "Ins-Zimmer-Schicken" gegeben, niemals habe ich die Emotionen des Kindes als weniger bedeutend als meine angesehen, niemals habe ich die Taktik des "Ausbocken-Lassens" verfolgt (abgesehen davon hätte sie auch nicht funktioniert). Ich bin immer wieder auf ihn zu gegangen, denn von allein kam er nie. Sein Stolz, seine Würde, seine Integrität hinderten ihn daran, das zu machen, was die meisten anderen Kinder wie selbstverständlich tun. Er hat es uns sehr schwer gemacht und ich habe es mir auch nicht leicht gemacht. Es war sehr hart und kräftezehrend, aber ich denke, es hat sich gelohnt.
Er war eigentlich überhaupt kein Hau-, Spuck-, Beiß- oder Tretkind, weder uns gegenüber noch bei anderen. Mich hat er sehr selten attackiert, meinen Mann schon eher, weil dieser auch tendenziell weniger Verständnis für ihn hatte. Er hat aber heftigst randaliert und seine emotionale Verzweiflung war grausam anzusehen. Mit ca. 3 Jahren kamen verstärkt verbale Aggressionen dazu und es gab eine kurze Phase, die aus ständigem "Du Popel", "Böse Mama/Papa", "Kackekackekacke" bestand. Das war zwar sehr unschön, aber ich habe das damals schon als Weiterentwicklung und Umwandlung seiner körperlichen Agressivität in verbale Bahnen gesehen und insofern als tendenziell positiv empfunden.
Seine Autonomiephase endete, als er ca. 3 1/2 Jahre alt, nachdem er vorher noch einmal zur Höchstform aufgelaufen war. Danach wurden die Wutanfälle immer weniger und vor allem, weniger heftig und kräftezehrend, und zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr selten geworden, dass er richtig austickt. Die schlimmste Zeit im Rückblick war ca. von 2 1/2 bis 3 1/4 Jahre. Kurz davor wurde seine Schwester geboren, was sicherlich auch noch einige für ihn schwierige Emotionen mit sich brachte. Heute kann er sich verbal so gut ausdrücken, dass man sehr oft einen Weg findet, um die Situation ohne Eskalation aufzulösen, und ich denke, er hat auch gemerkt und verinnerlicht, dass seine Bedürfnisse anerkannt und wenn möglich erfüllt werden. Er verwendet heute so gut wie keine Schimpfwörter, weder zu uns noch zu anderen, was mir fast täglich auf dem Spielplatz im Vergleich zu anderen Kindern absolut positiv auffällt.
Doch nun zur Kleinen und den Unterschieden in ihrem Verhalten. Sie ist ja grundsätzlich ein sehr körperbetontes, anschmiegsames, tröstbereites und leicht zu beruhigendes Kind. Diese Eigenschaften sowie eine grundlegende Zufriedenheit in ihrem Wesen machen ihre Autonomiephase bisher fast zu einem Spaziergang, verglichen mit der des Großen. Sie kriegt ab und an Wutanfälle, wo sie sich auf dem Boden wälzt und brüllt (letztens erst wieder im Supermarkt), aber im Großen und Ganzen lässt sie sich leichter ablenken, besser und schneller beruhigen und gerät selten so sehr außer sich wie der Große. Sie ist auch schon verständiger in ihrem Denken und ich habe das Gefühl, dass sie vieles versteht, was man ihr erklärt, woraus resultiert, dass sie weniger wütend ist, wenn man sie mal reglementiert. Deshalb sind auch unsere Emotionen ihr gegenüber andere. Mein Mann sagte letztens, wenn sie wütend ist, empfindet man Bedauern und Mitleid und den Wunsch zu trösten. Beim Großen dagegen wuchsen die eigenen Aggressionen und es erschöpfte einen so unglaublich.
Sie kann sich auch sprachlich nicht nur besser, sondern auch aktiver ausdrücken als der Große im gleichen Alter, was es ihr leichter macht, zu verbalisieren, was sie möchte. Dadurch gerät man nicht so schnell in den Kreislauf der Missverständnisse. Sie beharrt auch bei Nichtverstehen lange auf Wiederholungen, so dass man eine bessere Chance hat, sie vielleicht doch noch zu verstehen. Der Große hat da immer sofort dicht gemacht. Sie ist auch überhaupt nicht nachtragend und kommt im Unterschied zum Großen nach einer kurzen Zeit von selbst wieder zu uns, wenn sie nicht sofort aufgefangen wird.
Interessant ist, dass die Kleine, selbst wenn sie auf mich sauer ist, trotzdem von mir getröstet und getragen werden will. Der Papa hat da in den meisten Fällen keine Chance. Das war beim Großen anders: er ist dann, wenn er sich wieder öffnen konnte, zu dem jeweils anderen Elternteil gegangen, über den er sich nicht geärgert hatte. Allerdings kommt er auch, nachdem der Papa ihn getröstet hat, oft noch danach zu mir als letzter Tröstinstanz. Generell kriegt man die Kleine relativ leicht wieder in die Spur und fühlt sich selten so völlig hilflos wie jedesmal beim Großen. Ihre Reaktionen sind viel weniger heftig und die nachfolgende Versöhnung durch Kuscheln lässt vieles wieder vergessen. Da der Große überhaupt kein Kuschelkind war, blieb ihm und uns das verwehrt. Für ihn war das Getragen-Werden immer das Kuscheln, und bis heute gibt man ihm am besten dadurch Geborgenheit und Halt, indem man ihn (18 kg) trägt.
Ich bin gespannt, wie sich die Autonomiephase der Kleinen noch weiter entwickeln wird. Die Unterschiede sind deutlich zu erkennen und nicht auf unsere gesteigerte Erfahrung oder Gelassenheit, sondern auf ihre andere Wesensart zurückzuführen. Wenn so wie bei der Kleinen die Autonomiephasen der meisten anderen Kinder ablaufen, dann können sich Eltern, die nur dies erlebt haben, nicht im Ansatz vorstellen, was wir durchhaben. Lustig ist, dass einige unserer befreundeten Eltern von anderen 4-jährigen Kindern klagen, dass in letzter Zeit häufige Wutanfälle an der Tagesordnung sind. Ich kann dann immer entgegnen, dass es bei unserem 4-Jährigen vorbei ist. Mal sehen, ob die Kleine sich noch einmal steigert oder ob es diesmal eher glimpflich verläuft. Vorbereitet sind wir ja mittlerweile auf alles;)
Wie war die Autonomiephase bei euren Kindern, vor allem wie unterschiedlich bei Geschwisterkindern?