Die Angst vor Sandy: schützt Hab und Gut

Die Naturgewalt Sandy bringt die Amerikaner gleichermaßen ins Grübeln und Schwärmen, was uns Menschen in Europa vielleicht etwas befremden mag. Die Evakuierung und Stillegung von Teilen New Yorks  wurde von Bürgermeister Bloomberg als notwendig für die Sicherheit der Menschen und ihrer Habe angewiesen. Wer trotz Aufforderung der Polizei, die Gefahrenzone nicht verlasse, könne bestraft werden – derjenige könne schliesslich sich und seine etwaigen Retter in höchste Lebensgefahr bringen. Aber ist das der tatsächliche Grund für seine Fürsorge? Mit automatischen Waffen ausgerüstete Polizisten patrouillieren bereits vor den stillgelegten U-Bahn Stationen und auch vor Geschäften.

Wie damals bei Kathrina in New Orleans sieht man mehr Einsatz, um das Hab und Gut der Besitzenden zu retten, als denn die Menschen in Sicherheit zu bringen – die müssen auf Anweisung sich selbst aus der “Zone” begeben – dabei sind die öffentlichen Verkehrsmittel bereits lahm gelegt. Arme, ohne Auto werden so ihre liebe Not haben, jetzt noch zu verschwinden, und gleichzeitig werden sie – wenn sie notgedrungen bleiben – auch noch kriminalisiert. Das Risiko für die Bewacher indes wird wohl als gering eingeschätzt. Ihre Aufgabe die Besitzenden vor wirtschaftlichen Schaden zu bewahren, wird eindeutig höher wertiger und wichtiger eingeschätzt als die schnöde Hilfe für ein paar Normalverdiener oder gar Penner.

Sandy, der Frankenstorm, sorgt für Wirtschaftschaos. Und genau das ist die Hauptsorge.

Ansonsten macht man sich gerne lustig über das lächerliche Stürmchen. Die New Yorker sind schliesslich sturmerprobt. Ein richtiger Reiseboom an die Küste beginnt. Storm chasing. Alle wollen die mächtigen Wellen sehen. Angst? Fehlanzeige. Naive und fahrlässige Selbstüberschätzung dann wohl eher.

Die Wallstreet hingegen reagiert allergisch. Wegen “Sandy” bleiben die New Yorker Handelsplätze der NYSE, Nasdaq, OMX Group und CME Group geschlossen. Noch ist unklar, ob der Handelsstopp am Dienstag aufgehoben werden kann. Die Europäer müssen wohl auf die Impulse der allmächtigen Wallstreet verzichten. Die willfähige Finanzwirtschaft darf sich einmal ohne big papa’s Ruf aus god’s owne land entscheiden. Kurse hoch? Nein, die Rückversicherer werden blechen müssen. Gewinnausfall ist angesagt. Also wird sich auch der DAX eher vorsichtig bewegen.

Microsoft ist der winner gegenüber Google – dank Sandy: Denn Google musste am Wochenende seine Veranstaltung in New York wegen des Hurrikans absagen. Microsoft kann dagegen in San Francisco wie geplant sein neues Smartphone-Betriebssystems Windows Phone 8 präsentieren. Von dem Google-Termin wurden neue Geräte mit dem Android-System erwartet, darunter ein weiteres Nexus-Smartphone und ein größeres Nexus-Tablet zusätzlich zu einer aufgefrischten 7-Zoll-Version. Naja, macht nichts. Man muss es positiv sehen. Die Erwartungshaltung wird sich mit der Verschiebung des Termins hoffentlich vergrößern – und dann: fuck microsoft!

Was sind Bezahlschranken? Die gibt es bei den amerikanischen Online Ausgaben der grossen Pressehäusern. Damit macht man Kohle – erfolgreich, und ganz im Gegensatz zur altmodisch gebliebenen Pressekultur in Europa und Deutschland. Aber mit Sandy musste man das Geschäft absagen – zumindest teilweise: Wegen der besonderen Nachrichtenlage um Sandy setzen zwei der renommiertesten Zeitungen der Welt ihre Bezahlschranken im Internet aus. Sowohl die “New York Times” als auch das Wirtschaftsblatt “Wall Street Journal” kündigten an, in den kommenden Tagen darauf zu verzichten, Lesern von Texten über “Sandy” nach einigen kostenlosen Artikeln eine Web-Anmeldung und Geld abzuverlangen. Die Unterbrechung der sogenannten Paywall gilt sowohl für die Webseiten “nytimes.com” und “WSJ.com” als auch für die Apps, also die mobilen Anwendungen der Medienangebote. Jetzt lohnt sich so eine “Äpp” endlich mal. Mediales Freibier für alle – äh, fast für alle. Äpp loses Gesindel ist davon ausgenommen.

Die Luftfahrtbranche erlebt ein Desaster. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind wegen “Sandy” bereits zwölf Flüge in die USA gestrichen worden. Betroffen seien Passagiere mehrerer Airlines, sagte ein Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport. Die meisten der Maschinen sollten in Richtung New York abheben, abgesagt wurden auch Flüge nach Boston, Washington und Philadelphia. Fluggästen riet der Sprecher, sich bei ihren Fluggesellschaften zu informieren. Tja, was sagt man dazu? Arme Lufthansa. Hat doch der Sturm einen minimalen Umsatzknick im Gepäck. Frechheit! Aber, wir sind schliesslich versichert, was wiederum bedeutet, dass die Versicherer und Rückversicherer belastet werden und das ist no good for the DAX. Für den New Yorker gegenüber auch nicht, weil eben viele amerikanische Airlines auch so ihre Not haben, und gut versichert sind, was wiederum … aber das wissen wir ja schon.

In den Haushaltswarengeschäften aber; da gibt es ein Wunder, das von schwer bewaffneten Polizisten gesichert wird: Notstromgeneratoren, Batterien, Lampen, Radios mit Kurbel und Notverpflegungssets haben Konjunktur. Aber hallo. Die gehen weg wie warme Semmel. Also ganz so schlimm um Amerika und seine Menschen ist es doch nicht bestellt – vielleicht ist die Wahrnehmung ein wenig von der Realität des Menschseins weggerückt. Aber hey, alles easy, schliesslich ist alles Gott gewollt. Und die USA sind immer noch das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten.

PS: warum nennen die Amis Sandy “Frankenstorm”?

so long – humanicum


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