Die andere Seite der Stadt
- 16. Apr
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- Gesellschaft
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Die Stadt in der wir leben, liegt im Herzen Baden Württembergs. Eine mittelgroße Stadt die mir öfter als mir lieb ist, ein Kopfschütteln abringt. Oben, auf unserem Berg thront der Stadtadel und trifft sich hin und wieder auf der Ein- oder Anderen Veranstaltung oder aber in den Bars und Kneipen rings um unseren Marktplatz. Man kann sagen dass die Einwohner unserer Stadt wohlhabend sind denn was die Kaufkraft betrifft, wird sie auf Platz 2 der Gemeinden in der Region Stuttgart geführt.
Diese Stadt, deren Straßen meine Schuhe grau verfärbt und auf deren Asphalt ich meine heißgerauchten Kippen ausgetreten habe. Durch deren Winkel und Gassen ich schon, nach so manch geselligem Abend, nach Hause geschwankt bin. Wo du genau weißt wo die Jugendlichen sich rumtreiben, wenn sie mal wieder nicht zum Fussballtraining erscheinen.
Oft habe ich mich hier als kleines Lichtlein gefühlt. Es ist schwierig in solch einer Umgebung nach Hilfe zu fragen, ebenso wird man in solch einer Umgebung schnell mit einem Stempel versehen. Eine solche Umgebung macht es einem nicht einfach, persönlich unangenehme Themen an- und auszusprechen.
Aber irgendwie mag ich diese Stadt, sie hat Charme, sie gibt mir das Gefühl von Heimat.
Doch auch in dieser Stadt gibt es sie
Die Kranken, die Behinderten, die finanziell Schwachen und Menschen, die auf Hilfe aus und von der Gesellschaft angewiesen sind.
Ich bewege mich abends viel in sozialen Netzwerken. Auch für unsere Stadt gibt es eine entsprechende Gruppe auf Facebook, wo ich hin und wieder aus Langeweile oder zum gegenseitigen Amüsement irgendwelchen Blödsinn zum Besten gebe.
Irgendwann, auf der Suche nach aktuellen Themen, witzigen Beiträgen oder Unterhaltungen bin ich auf einen Spendenaufruf getroffen. In diesem Beitrag wurde die Situation einer jungen Frau beschrieben und um entsprechende Hilfe gebeten. Es entstanden Diskussionen über Hilfen die bei irgendwelchen Behörden abgerufen werden könnten, wo Zweifel geäußert wurden und auf Schmarotzertum verwiesen wurde. Aufgrund der Authenzität dieses Beitrags, sowie dem Willen der Autoren privat und unbürokratisch helfen zu wollen, entschloss ich mich entsprechend Partei zu ergreifen.
Tage zogen ins Land und fast hätte ich die Sache vergessen, als ein Helferaufruf gestartet wurde. Die Wohnung der jungen Dame sollte einen neuen Anstrich erfahren und ein ortsansässiger Malerbetrieb hatte bereits die benötigte Farbe gespendet. Da ich zufällig an diesem Wochenende Kinderfrei hatte, beschloss ich kurzfristig und spontan meine Hilfe anzubieten. Also schwang ich mich in meine feinsten Schlamper-Klamotten und fuhr zum vereinbarten Treffpunkt. Die betroffene Person befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Behandlung in einer Klinik. Also stand ich da und half mit mir völlig unbekannten Menschen, einer völlig unbekannten Person Ihre Wohnung auf Vordermann zu bringen.
“Bewusst und sozial verantwortlich zu leben heißt zu erkennen, Verantwortung zu tragen, Einfluss zu nehmen und wenn nötig aktiv zu ändern!” (Zitat @Zielgerichtet via Twitter)
Das gilt für uns aber auch für unser Umfeld, denn nur so ist eine aktive, tolerante und hilfsbereite Community möglich. Und auch so ist es möglich die „Anderen“ in die Mitte der Gesellschaft aufzunehmen. Ihnen zu zeigen dass sie wichtig sind, das sie ein Teil von uns sind und dass Probleme kein Hindernis sind aktiv am Leben teilzunehmen. Allen voran aber zählt aber, dass sie Menschen wie Du und ich sind.
Sicherlich können wir Menschen oberflächlich betrachten und sie verurteilen wenn sie psychische Problematiken, körperliche Gebrechen oder finanzielle Schwierigkeiten haben. Wir benutzen „Behindert“ als Schimpfwort, Menschen in prekären finanziellen Verhältnissen sind „Asozial“ oder „Schmarotzer“ aber ist uns und diesen Personen damit geholfen oder treiben wir sie damit noch weiter in die Isolation und wundern uns dann wenn solche Geschichten an den Tag kommen.
Hilfe zu geben und Hilfe zu erhalten sollte zum guten Gelingen einer Gemeinschaft selbstverständlich sein. Ebenso sollten sich jene, die in eine entsprechende Situation kommen, nicht schämen müssen diese anzusprechen. Wir können aus verschiedensten Gründen in bestimmte Situationen kommen.
Ich spreche aus Erfahrung, denn ich selbst bin durch verschiedenste Umstände in Situationen gekommen die ich mit aller Gewalt versuche selbst zu beherrschen. Darüber berichte ich ja auch in meinem Blog. Das baut einen immensen Druck auf. Dabei könnte ich mir sicherlich vieles erleichtern wenn ich mal meinen Mund aufbekommen würde und nicht als „godfather of Power“, als Mensch der Stärke in den Schoss gelegen bekommen hat, auftreten würde. Bloß keinen falschen Eindruck erwecken, sich selbst nicht bloß stellen zu wollen, falsche Scham, falsche Bescheidenheit. „Du musst, du musst, du musst…..“! Ja man muss sehr wohl, keine Frage, aber sich Gegenseitig zu unterstützen macht, vieles für jeden, einfacher.
Applaus für den ewig lächelnden Clown!
Jedoch gibt es einen kleinen Unterschied. Ich bin psychisch stabil, pflege einen anderen Lifestyle, bin durch und durch Optimist und kann mit den Situationen besser umgehen. Es gibt aber Menschen und Personen denen das eben nicht gelingt. Sei es der Mangel an Selbstbewusstsein, die Selbstunterschätzung oder aber weil wir sie tatsächlich und ohne über die Konsequenzen nachzudenken bereits in die Isolation getrieben haben.
Ja wir können die Verantwortung für diese Menschen an Behörden, Ämter und Einrichtungen abgeben. Was sie jedoch dort teilweise erfahren müssen entbehrt jeglicher Form von Würde. Warum tun wir uns oft so schwer einfach und unbürokratisch zu helfen? Sicherlich gibt es Personen auf diesem, unsere Planeten die Hilfsbereitschaft gnadenlosen ausnutzen, aber trifft das wirklich auf die tatsächlich Betroffenen zu? Sie sind die Leidtragenden unserer Skepsis und unseres Misstrauens. Aber oft ist es auch das eigene Ego oder dieser unsagbare Egoismus der uns wegschauen lässt. Für jede Situation ist man selbst verantwortlich, richtig?
Daher bin ich froh an diesem Tag Menschen getroffen zu haben die auf Bürokratiescheisse, Verweise und Sprüche verzichtet und sich ein Herz in die Hand genommen haben um selbstlos zu helfen. Ich denke mit finanziell geringem Aufwand konnte und wird ein Mensch, zurück in der Gesellschaft und im Leben begrüßt werden. Vielleicht haben wir damit diesem Menschen, Mut, Hoffnung und ein Stück Selbstvertrauen und Vertrauen in die Gesellschaft zurückgegeben und vielleicht haben die Initiatoren ein kleines Stück dazu beigetragen dass die Person ihr Problematiken in den Griff bekommt.
Und Hey! Ich kann euch nur empfehlen mal an solch einer Aktion teilzunehmen. Wir hatten einen verdammt lustigen Tag und es haben sich neue, nette und tolle Kontakte ergeben.
Die andere Seite der Stadt findest du an jedem Ort, in jedem Dorf, in jeder Gemeinde. Egal wie groß oder klein der Platz, an dem Du lebst, ist.
Danke Silka, Danke Ben (Benwantsbeer.com), Danke Stephan, Danke Sven, Danke Heidi, Danke Moni und all den anderen 25-30 Helfern und Spendern die ich nach Abschluss des Projekts auf der Welcome- und Helferparty treffen werde!
Artikel der LKZ
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