Die alten und die neuen Farben

Klar, es gibt drei Grundfarben, Rot, Blau und Gelb und wenn man die geschickt mischt, entstehen alle die vielen tausend Farben, die es auf der Welt gibt. Lila zum Beispiel oder Giftgrün. Und wenn man alles ganz heftig mischt, gibt es Schwarz.

Wenn jemand farbenblind ist, dann sieht er bekanntlich alles in Graustufen, wie ein Schwarzweissfoto vielleicht und wenn jemand nur ein bisschen farbenblind ist, dann sieht er eine Farbe nicht – die Bienen zum Beispiel sehen kein Rot.

Vor drei Jahren habe ich aber einen ganz besonderen Meister getroffen. Er war schon sehr alt und sah einwenig aus wie ein Inder oder vielleicht war er auch aus Butan oder Sikkim. Er hat mir einen Trick gezeigt, wie man neue Farben sehen kann!

Diese neuen Farben sind völlig anders, als alle uns bekannten Farben (und die heissen natürlich auch anders, zum Beispiel Lab, Kwui und Pred). Es gibt aber keine Grundfarben, die gemischt werden können, sondern jede Farbe ist ganz für sich alleine eine Farbe! Du fragst jetzt sicher, wie die denn aussehen – oh je, wie soll ich das jetzt erklären – die sehen einfach ganz, ganz anders aus als irgendeine Farbe, die du jemals gesehen hast! Kwui zum Beispiel sieht etwa so aus, wie wenn Du eine Zitrone mit Zucker auf die Zunge träufelst (nein, mit Gelb hat das wirklich nichts zu tun). Oder die Farbe Pred sieht etwa so aus, wie wenn man Gummi erhitzt – und Lab sieht so aus, wie der Meereswind auf der Haut.

Der Trick geht so: Man setzt sich bei Vollmond auf den Balkon, nimmt eine ungeschälte mongolische Mohrrübe in die linke Hand und eine koreanische Zwiebel in die rechte, schliesst die Augen und sagt: „Farbenwandelmanchentandelgleiche gandeltunundsandelsofortigerwandel“ – und dann geht’s. Echt.

Das Tolle an den Farben ist, dass man sie auch kneten kann. Zum Beispiel, wenn Du einen Stein siehst, der die Farbe Lab hat, dann kannst Du natürlich nicht den Stein kneten, sondern die Farbe. Wenn man sie sehr fest knetet, wird sie Labi, aber lässt man die Farbe wieder in Ruhe, ist sie wieder einfach Lab. Es ist süss: die Farben werden unglaublich gerne geknetet. Das ist so, wie wenn wir gestreichelt werden. Das lieben diese Farben. Wenn man zum Beispiel den Stein mit der Farbe Pred knetet, dann wird er Predi. Die Farbe ist also glücklich. Aber der Stein nebenan mit der Farbe Lab wird Labu. Diese Farbe ist dann neidisch. Deshalb das U am Schluss.

Einmal bin ich durch dieses Land der neuen Farben gewandert und habe allen Dingen von unserem Land erzählt und dann auch berichtet, wie unsere Farben aussehen. Da war alles totenstill und alle haben meinen Worten gelauscht – die Berge und Hühner, die Spargeldosen und Flugzeuge. Und besonders aufmerksam haben mir die ganzen Farben zugehört. Und plötzlich wurde alles um mich herum Labu und Predu und Kwuiu und Dingu und Kratu und Bulgu – alle Farben wurden neidisch. Neidisch auf uns, weil wir auch eine so tolle Welt haben, die sie nicht kennen. Neidisch auf unsere Farben, auf unsere Dinge.

Und seither bin ich ganz stolz auf die schöne Welt, in der wir leben dürfen. Und du gewiss auch!


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