Die Affäre Edathy und die Staatssicherheit

Davon abgesehen, dass ich persönlich es schon ein merkwürdiges Hobby finde, sich Nacktbilder von Jungs zu kaufen, kann man sich natürlich fragen, was an der Affäre Edathy tatsächlich dran ist. Zumal ja nun wirklich nicht gesagt ist, dass jemand, der sich im Internet derartige (strafrechtlich nicht relevante) Bilder bestellt, keineswegs ein Kinderschänder sein muss. Aber wenn man jemanden loswerden will, dann ist halt jedes Mittel recht.

Und die Staatsanwaltschaft Hannover ist ja ohnehin bekannt für fragwürdige Indiskretionen und ein eigenartiges Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gibt es einen aufschlussreichen Artikel auf Telepolis. Nicht weniger aufschlussreich ist ein weiterer Artikel auf der World Socialist Website, in dem beleuchtet wird, was tatsächlich hinter der Edathy-Affäre stecken könnte: Sebastian Edathy hat von Anfang 2012 bis Ende 2013 den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags geleitet. Dabei war er mehrmals mit führenden Vertretern der Sicherheitsbehörden aneinander geraten. Eben mit jenem Sicherheitsapparat, der jetzt die politische Karriere und den Ruf von Edathy durch gezielte Indiskretionen zerstört hat – obwohl sich Edathy nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gesetzeswidrigkeit schuldig gemacht hat.

Das ist jetzt auch nicht mehr nötig, der Mann ist so und so erledigt. Seine Partei, die SPD, hat ihn fallen gelassen und ein Parteiausschlussverfahren gegen Edathy eingeleitet, obwohl es keine Anklage und kein Verbrechen gibt, ja nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit. Zur Erinnerung: Der ehemalige Finanzsenator und derzeit noch immer als Hassprediger gegen unproduktive Ausländer, Arbeitslose und sonstige Schmarotzer aktive Thilo Sarrazin ist noch immer SDP-Mitglied. Sarrazin hat ja auch keine Nacktbilder von Jungs im Internet bestellt, sondern bloß zweifelhafte Bücher und eine Dissertation geschrieben, in der er wissenschaftlich nachgewiesen hat, dass die Sklavenhaltung mindestens so profitabel ist, wie alternative Anwendungen des eingesetzten Kapitals. Als ob man sich an solch perversen Überlegungen nicht aufgeilen könnte. Aber egal, damit kann unser System umgehen. Mit einem wie Edathy offenbar nicht.

Edathy hat beharrlich versucht, aufzuklären, wie es sein konnte, dass eine rechte Terrororganisation praktisch unter den Augen der staatlichen Sicherheitsbehörden jahrelang existiert und immer wieder gemordet hat, ohne dass es dem ansonsten in Mordermittlungen hocheffektiven deutschen Ermittlern aufgefallen ist. Und das, obwohl das Bundesamt (BfV) und die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Berliner Landeskriminalamt (LKA) mindestens zig V-Leute im direkten Umfeld des NSU platziert hatten. Oder muss man in diesem Fall eher sagen, dass es nicht auffallen durfte, weil die rechte Szene zum großen Teil aus staatlich alimentierten V-Leuten besteht?

Edathy konnte trotz seiner Beharrlichkeit nicht nachweisen, dass die beteiligten Sicherheitsbehörden die rassistischen Morde geduldet oder indirekt unterstützt haben, aber doch einer interessierten Öffentlichkeit vorführen, dass diese Behörden selbstherrlich als Staat im Staat agieren und sich jeglicher Kontrolle widersetzen. Und auch nicht besonders effektiv arbeiten, sondern im Gegenteil eine beispiellose Serie an Pannen produzieren, so dass man sich fragt, wozu man sich einen solchen Sicherheitsapparat überhaupt leistet, wenn er doch offensichtlich nicht funktioniert.

Edathy war unbequem. Insofern kann man davon ausgehen, dass mit seinem Fall ein Exempel statuiert wird. Wenn die Fotos nicht gewesen wären, hätten sie gewiss etwas anderes gefunden.



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