Deutschlands Zukunft verwalten: Zum schwarz-roten Koalitionsvertrag

Nun ist er also ausgehandelt, der neue Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD unter der berschrift: “Deutschlands Zukunft gestalten”. Nach einem 17stndigen Verhandlungsmarathon, den manche Kritiker als farce bezeichneten, hofften Journalisten und Brger auf einen groen Wurf. Das, was die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer dann allerdings der ffentlichkeit prsentierten, mag zwar ein Vertrag der groen Aufgaben sein, ein Vertrag der groen Lsungen ist er jedenfalls nicht.

Natrlich ist es leicht, als politischer Laie einen schwierigen Kompromiss in Grund und Boden zu kritisieren. Doch wenn dieser Kompromiss lediglich dazu fhrt, dass alle Beteiligten behaupten knnen, ihre wesentlichen Forderungen durchgesetzt zu haben, und wenn gleichzeitig viele der groen Aufgaben auf die Zeit nach 2017 verschoben werden, wo es einen neuen Vertrag gibt, der sie wieder verschieben kann, dann ist diese Kritik meiner Auffassung nach berechtigt. Angela Merkel nennt den Vertrag ein gutes Ergebnis fr die, die in diesem Lande Arbeitspltze schaffen, Sigmar Gabriel spricht von einem Vertrag fr die fleiigen kleinen Leute. ber Arbeitslose und Menschen mit Behinderung sprechen sie nicht. Unter den drei Hauptzielen solide Finanzen, sicherer Wohlstand und soziale Sicherheit hat man sich auf folgende Punkte einigen knnen.

- Die Leiharbeit soll strker reguliert werden. Die berlassung von Arbeitnehmern an eine Leiharbeitsfirma wollen Union und SPD auf 18 Monate begrenzen. Nach neun Monaten soll es auerdem eine gleiche Bezahlung fr Leiharbeiter und Stammbelegschaft geben.

- Ab sofort knnen in deutschland geborene Auslnder beide
Staatsbrgerschaften behalten und mssen sich nicht mehr fr eine entscheiden.

- Ab 2015 soll flchendeckend ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Gelten. Allerdings knnen noch bis zum 1. Januar 2017 davon abweichende Tarifvertrge geschlossen werden, die natrlich lnger gelten drfen. Damit ist der Mindestlohn eine Farce, denn bis 2017 oder 2018 sind die 8,50 durch die allgemeine Teuerung wieder erheblich weniger wert.

- Eine bereits erzielte Einigung ber die Hhe von Managergehltern wurde wieder aufgegeben. Ursprnglich war vorgesehen, dass die brsennotierten Unternehmen ein Maximalverhltnis zwischen den Gehltern der Mitarbeiter und der Manager festlegen sollten. Vermutlich war diese Einigung nur als Medienspektakel gedacht, in den Vertrag selbst wollte man sie wohl nie aufnehmen.

- Keine Steuererhhungen und damit keine Mehrbelastung fr
Besserverdienende. Damit hat die SPD eine ihrer Maximalforderungen zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit aufgegeben. Das fhrt auch dazu, dass fr die Projekte der neuen Koalition eigentlich kein Geld da ist, denn es wurde auch vereinbart, ab 2015 praktisch keine neuen Schulden mehr zu machen. Wahrscheinlich wird man die erreichten Kompromisse auf dem weg ber Krzungen im sozialen Bereich gegenfinanzieren mssen.

- Vorbergehend knnen Arbeitnehmer, die 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, mit 63 Jahren ohne Abschlge in Rente gehen. Allerdings wird dieses Renteneintrittsalter schrittweise auf 65 Jahre angehoben.

- Mtter, die vor dem Jahr 1992 Kinder bekommen haben, erhalten knftig eine lngere Kindererziehungszeit angerechnet und damit mehr Rente. Fr Frauen, die nach 1992 Kinder bekommen haben, ist das bereits eingefhrt.

- Die Koalitionre haben sich auf die erneute Einfhrung der
Vorratsdatenspeicherung geeinigt, obwohl das Bundesverfassungsgericht diese bereits im wesentlichen verboten hat. Die Speicherungsdauer von Verbindungsdaten soll drei Monate betragen, und ein Zugriff soll nur bei schweren Straftaten und auf Anordnung eines Richters mglich sein. Damit will man eine EU-Richtlinie umsetzen. Das Thema drfte uns jedoch weiterhin beschftigen, zumal andererseits die Koalitionre nebenbei erwhnen, dass sie sich gegen die Schnffelei der NSA und anderer Dienste engagieren wollen, ohne dabei freilich konkret zu werden.

- Ob die PKW-Maut kommt, ist immer noch nicht klar. Die CSU, die sich fr eine Maut fr Auslnder stark gemacht hat, wertet die Aufnahme in den Vertrag als Erfolg, SPD und CDU gehen davon aus, dass lediglich geprft werden soll, ob eine solche Maut mglich ist. Vermutlich wird sie daran scheitern, dass sie nicht EU-rechtlich korrekt umgesetzt werden kann.

- Und schlielich wird es kein Klimaschutzgesetz geben, wie es die SPD gefordert hat. Damit wird auch der knftige kostromanteil am
Energieverbrauch nicht verbindlich festgelegt, sondern nur als Ziel vereinbart. Demnach sollen bis 2025 45 % und bis 2035 rund 55 % kostromanteil erreicht werden. In den Wahlprogrammen hatte die Union 55, die SPD sogar 70 % gefordert. Bei den Verhandlungen blieb man also sogar unterhalb der im Wahlkampf geuerten Mindestforderung, was den Schluss zulsst, dass diese Forderungen auch nie ernst gemeint gewesen waren. Manahmen zur Forcierung der Energiewende lassen sich ansonsten auch nicht wirklich finden, denn fr alle Parteien standen Bezahlbarkeit und Verfgbarkeitsgarantie an oberster Stelle.

So ist dieser Vertrag bis auf wenige Ausnahmen einfach eine Fortschreibung blut- und risikoarmer Verwaltungspolitik. Vielleicht ist das nicht einmal das Schlechteste, was uns passieren kann. Doch mssen Projekte wie die Mtterrente auch finanziert werden. Gleichzeitig mssen die Schulden reduziert werden, und der Bund will zustzlich auch die Gemeinden und Landkreise entlasten. Meine befrchtung ist, dass trotz aller gegenteiligen Beteuerungen im Bereich Bildung gespart werden muss, vielleicht mit Ausnahme der Frderung von Elitehochschulen. Weitaus mehr aber drften die sozial Schwachen unter den Vereinbarungen zu leiden haben. Fr sie, vor allem die Arbeitslosen, in Grundsicherung lebenden und fr die Aufstocker, brechen wahrscheinlich harte Zeiten an. Nicht nur wird man ihre Einknfte nicht der allgemeinen Teuerung anpassen, man wird sich auch von ihnen das Geld zur Gegenfinanzierrung holen, das man weder bei denen bekommt, die fr Arbeitspltze sorgen, noch bei den fleiigen kleinen Leuten. Dafr werden wohl die faulen kleinen Leute herhalten mssen.

Der Koalitionsvertrag im Wortlaut als PDF-Datei

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