Deutschland: Handelsbilanzüberschuss als Problem

Deutschland gilt schon seit Jahren als Top-Exporteur. Kaum ein Jahr, in dem die Leistungsbilanz nicht positiv gewesen wäre – und genau das wird zunehmend zu einem Risikofaktor. Nicht nur die EU-Kommission, sondern auch OECD und IWF sehen die Entwicklung mit Besorgnis.

Im ersten Halbjahr exportierte die Bundesrepublik um 96 Milliarden Euro mehr an Gütern und Dienstleistungen, als sie im selben Zeitraum importierte. Für das Gesamtjahr werden gar mehr als 200 Milliarden Euro Überschuss erwartet. Das sind über 7% des Bruttoinlandsprodukts.

Weltmeister Deutschland

Schon im Vorjahr lag der deutsche Handelsüberschuss mit umgerechnet 238 Milliarden Dollar deutlich höher, als jener der Volksrepublik China (193 Mrd Dollar) oder Saudi-Arabiens (165 Mrd Dollar), welche auf den Plätzen folgen. Dadurch wird die deutsche Volkswirtschaft auch zum größten Kapitalexporteur der Welt. Ohne die deutschen Investitionen in anderen Ländern – vor allem jenen mit hohem Leistungsbilanzdefizit – würde es im Finanzsektor gewaltig krachen.

Einerseits würden die enormen Kapitalzuflüsse zu starken inflationären Tendenzen in Deutschland führen, andererseits wären importstarke Länder wie die USA ohne die Kapitalimporte bald schon zahlungsunfähig. Allerdings führt dieser Umstand auch dazu, dass die deutsche Volkswirtschaft zu einem der größten Gläubigerstaaten der Welt wurde.

Das Ausfallsrisiko steigt

Während die Überschüsse im Handel mit den anderen Eurostaaten schrumpfen, wachsen sie jedoch im weltweiten Handel immer weiter. Doch die Exportstärke führt auch dazu, dass die deutsche Volkswirtschaft zusehends immer stärker von der Weltwirtschaft abhängig wird. Wenn nämlich einer der Handelspartner kollabiert, fällt die deutsche Wirtschaft um die Forderungen gegenüber dieser Volkswirtschaft um.

Angesichts der strauchelnden Schwellenländer, mit denen Deutschland auch intensive Handelsbeziehungen unterhält, muss man sich auch um eventuelle Abschreibungen von Forderungen Gedanken machen. Ein paar kollabierende Schwellenländer (wie Indien oder Brasilien) könnten hierbei zig Milliarden an investierten Euro vernichten.

Ausgeglichene Leistungsbilanz als Ziel

Grundsätzlich sind weder dauerhafte Überschüsse noch langfristige Defizite in der Leistungsbilanz tragbar. Egal ob man dadurch Unsummen an Forderungen, oder gar eine expandierende Auslandsverschuldung generiert – die Gefahr externer Schocks auf die eigene Volkswirtschaft wächst damit exponential. Das Husten eines Handelspartners kann dann zu einer Grippe der eigenen Wirtschaft ausarten, wie folgender Abschnitt zeigt:

Insbesondere durch die aufgeblähten Finanzmärkte können nämlich schon kleinere Veränderungen zu gewaltigen Störungen auf den realen Gütermärkten führen. Deutlich wird dies anhand der folgenden Zahlen: McKinsey hatte im Jahr 2008 errechnet, dass sich das globale Anlagevermögen von 94 Billionen US Dollar im Jahr 2000 auf 196 Billionen Dollar im Jahr 2007 erhöht hatte. Im Jahr 2007 überstieg es damit das Weltsozialprodukt um das 3,6 fache. Während das nominale Weltsozialprodukt in diesem Zeitraum um 70% wuchs, zeigte das Finanzkapital ein Wachstum von 109% auf. Wenn man bedenkt, dass die Finanzwerte Ende der 1970er Jahre noch bei etwa 100% des Weltsozialprodukts lagen, kann man sich die Auswirkungen vorstellen.

Deshalb kann es nämlich auch nicht vorteilhaft sein, im Zuge von Überschüssen Forderungen, oder durch Defizite Auslandsschulden anzuhäufen. Denn die deutschen Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft werden lediglich mit Kreditschulden ausländischer Handelspartner bezahlt. Schulden, die jederzeit ausfallen können. Und was macht Deutschland dann?


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