Deutsche Kriegswaffen und Menschenrechte 2010

10.12.2011 – Der Bericht der Bundesregierung über den Export von Rüstungsgütern und Kriegswaffen im Jahr 2010 (Rüstungsexportbericht) zeigt einen bedrohlichen Anstieg des deutschen Außenhandels mit Rüstungsgütern, Waffen und Munition.

Deutsche Kriegswaffen und Menschenrechte 2010

Seit 2001 hat sich der jährliche Gesamtwert an Rüstungsexporten auf mehr als 2,1 Milliarden Euro versechsfacht. Der Verkauf von Kriegswaffen an sogenannte Drittländer wurde im gleichen Zeitraum sogar um den Faktor 20 erhöht.

Der Bundessicherheitsrat muss Waffengeschäfte mit Ländern, die weder der NATO noch der EU angehören, nach strengen Richtlinien beurteilen und darf sie nur in Ausnahmefällen genehmigen. Doch werden die Empfängerländer hierzu tatsächlich in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte überprüft?

Deutsche Kriegswaffen und Menschenrechte 2010

Der Export von Kriegswaffen

Deutschland hat im Jahr 2010 Kriegswaffen im Wert von insgesamt 2,12 Milliarden Euro exportiert. Im Vergleich zum Vorjahr (1,34 Milliarden Euro) entspricht das einer Steigerung von 58 Prozent.

Im internationalen Vergleich belegt Deutschland damit, nach den USA und Russland, den dritten Platz unter den größten Exporteuren von Kriegswaffen der Welt. Die USA exportierten Rüstungsgüter im Wert von 12,2 Milliarden US-Dollar. Die russischen Rüstungsexporte beliefen sich auf 5,2 Milliarden US-Dollar.

Der Anteil an Kriegswaffen, die von Deutschland aus in Entwicklungsländer exportiert wurden, hat sich im Vergleich zum Jahr 2009 mehr als verdoppelt. 2010 summierten sich entsprechende Exportgeschäfte auf rund 108 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anteil von 5,1 Prozent bezogen auf alle deutschen Kriegswaffenexporte des Jahres 2010. Im Jahr 2009 lag dieser Anteil noch bei 3,9 Prozent und betrug insgesamt rund 52 Millionen Euro.

Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus der Einteilung der jeweiligen Empfängerländer von Kriegswaffen in NATO-Länder, EU-Mitgliedsstaaten, NATO-gleichgestellte Länder (Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz) und sogenannte „Drittländer“. Lediglich die Ausfuhren in die „Drittländer“ sollen von den zuständigen Genehmigungsbehörden „restriktiv“ gehandhabt werden.

Insgesamt erfolgten 62,6 Prozent aller weltweiten Waffenausfuhren im Jahr 2010 an solche Drittländer. Deutschland belegt hierbei im internationalen Vergleich den neunten Platz.

Nach deutschem Recht dürfen Genehmigungen von Kriegswaffenexporten an Drittländer nur in Ausnahmefällen erfolgen, wenn „im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands für die Erteilung einer Genehmigung sprechen“.

Zu solchen „Sicherheitsinteressen“ zählen hauptsächlich die „Abwehr terroristischer Bedrohungen“, die „Bekämpfung des internationalen Drogenhandels“ und ein ungestörtes „Funktionieren des Welthandels“.

Entsprechende Genehmigungen werden in Deutschland seit 1955 von dem geheim tagenden, neunköpfigen Bundessicherheitsrat erteilt. Diesem Gremium gehören aktuell die Bundeskanzlerin (Angela Merkel), der Chef des Bundeskanzleramtes (Ronald Pofalla), die Bundesminister des Auswärtigen (Guido Westerwelle), der Verteidigung (Thomas de Maizière), der Finanzen (Wolfgang Schäuble), des Inneren (Hans-Peter Friedrich), der Justiz (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger), der Wirtschaft (Philipp Rösler) und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (Dirk Niebel) an.

Neben der Abwägung bundesdeutscher Sicherheitsinteressen ist der Bundessicherheitsrat seit 1998 verpflichtet, die Menschenrechtssituation der jeweiligen Empfängerländer in seine Entscheidungsfindung einfließen zu lassen.

Deutsche Kriegswaffen und Menschenrechte 2010

Die Menschenrechte in Drittländern

Im Jahr 2010 hat Deutschland insgesamt Kriegswaffen im Wert von rund 453 Millionen Euro an sogenannte Drittländer exportiert. Das entsprechende Exportvolumen wurde im Vergleich zum Jahr 2009 um rund 273 Millionen Euro erhöht. Dies entspricht einem Anstieg in Höhe von mehr als 150 Prozent.

Eine systematische Bewertung von Ländern in Bezug auf die Lage der Menschenrechte fällt insofern schwer, als dass die bekannten Organisationen (UN, Amnesty International, Human Rights Watch, Freedom House) ihre diesbezüglichen Erkenntnisse zwar im Rahmen von Jahres- und Länderberichten veröffentlichen, dabei allerdings keinen einheitlichen Index verwenden.

Einzig die US-amerikanische NGO „Freedom House“ gibt seit 1973 jährlich einen solchen Index heraus, wird allerdings zu 80 Prozent durch die US-Regierung finanziert und gilt von daher als nicht neutral. Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang vor allem mangelnde Neutralität gegenüber sozialistischen Staaten, die grundsätzlich kritischer beurteilt werden als andere Länder.

Da Deutschland im Jahr 2010 aber ohnehin keine Kriegswaffenexporte an sozialistische Länder durchgeführt hat, kann der Freedom House Index, bei allen Einschränkungen, dennoch zur bedingten Einschätzung der Menschenrechtslage in den einzelnen Empfängerländern herangezogen werden.

Ergänzt man den Index zudem um die Ergebnisse der Analysen von Amnesty International, Human Rights Watch oder den Vereinten Nationen, dann stellt man fest, dass die Einschätzungen im Kern zutreffen.

Der Index von Freedom House basiert auf Werten für den Zustand der politischen und der bürgerlichen Rechte. Aus deren Mittelwert errechnet sich eine Gesamteinschätzung in die Kategorien „nicht frei“, „teilweise frei“ und „frei“.

Unter den Empfängerländern deutscher Kriegswaffen, die unter die Kategorie „nicht frei“ fallen, finden sich Saudi Arabien (30,3 Millionen Euro), Afghanistan (7,96 Millionen Euro), Ägypten (13.000 Euro), Brunei (565.000 Euro), Irak (27,57 Millionen Euro), Katar (21,34 Millionen Euro) und die Vereinigten Arabischen Emirate (36,28 Millionen Euro).

Insgesamt exportierte Deutschland im Jahr 2010 also Kriegswaffen im Gesamtwert von mehr als 124 Millionen Euro an Drittländer, deren Menschenrechtslage von verschiedenen Organisationen als höchst bedenklich eingestuft wird.

Unter den Empfängerländern deutscher Kriegswaffen, die unter die Kategorie „teilweise frei“ fallen, finden sich Bhutan (61.000 Euro), Pakistan (64,95 Millionen Euro), Singapur (169,53 Millionen Euro), Thailand (27.000 Euro), Kuweit (7,41 Millionen Euro), Libanon (58.000 Euro), Malaysia (709.000 Euro), und die Philippinen (259.000 Euro).

Insgesamt exportierte Deutschland im Jahr 2010 also Kriegswaffen im Gesamtwert von mehr als 243 Millionen Euro an Drittländer, deren Menschenrechtslage von verschiedenen Organisationen als mindestens bedenklich eingestuft wird.

Deutsche Kriegswaffen und Menschenrechte 2010

Kriegswaffen und Verantwortung

Seit dem Jahr 2001 ist der jährliche Gesamtwert an deutschen Kriegswaffenexporten fast kontinuierlich angestiegen. Betrug dieser im Jahr 2001 noch 367,3 Millionen Euro, so wurde er bis zum Jahr 2010 annähernd versechsfacht.

Noch extremer ist die Entwicklung in Bezug auf Kriegswaffenexporte an sogenannte Drittländer. Im Jahr 2001 betrug dieses Volumen 22,6 Millionen Euro. Bis 2010 hat sich dieses Volumen verzwanzigfacht.

Wirtschaftliche Erwägungen können bei der Herstellung und Ausfuhr von Rüstungsgütern dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Insgesamt macht der Export von Kriegswaffen in Deutschland lediglich einen Anteil von 0,2 Prozent des deutschen Gesamtexportes aus.

Der Bundessicherheitsrat ist bei der Genehmigung von Rüstungsexporten in Drittländer gesetzlich verpflichtet, die Lage der Menschenrechte im jeweiligen Empfängerland zu prüfen und bei seiner Entscheidung angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus dürfen entsprechende Geschäfte ausschließlich dann genehmigt werden, wenn sie den sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik dienen.

Diktatoren, totalitär regierende Monarchen und andere, nicht demokratisch legitimierte Potentaten setzen die von Deutschland gelieferten Kriegswaffen immer häufiger gegen die eigene Bevölkerung, gegen Oppositionelle und gegen Regimegegner ein. Mit den Waffen werden Menschen verletzt und getötet, Todesurteile vollstreckt, Angst und Schrecken verbreitet und totalitäre Strukturen erhalten.

Waffen aus solchen Geschäften können nicht mehr kontrolliert werden, nachdem sie ausgeliefert wurden. Niemand kann gewährleisten, dass sie über ihren ohnehin menschenverachtenden Einsatz, nicht auch innerhalb künftiger Kriege und Völkermorde eingesetzt werden und dass sie an fremde Staaten und Gruppen weitergegeben werden.

Obwohl der Handel mit Kriegswaffen und erst recht die Belieferung sogenannter Drittstaaten innerhalb der deutschen Außenhandelsbilanz eine verschwindend geringe Größenordnung ausmacht, entscheidet sich der Sicherheitsrat der Bundesregierung, ohne jegliche Berücksichtigung des Einsatzzweckes oder der Risiken der künftigen Nutzung der tödlichen Waffen, für die Erteilung von immer mehr Genehmigungen.

Solche Geschäfte dürfen ausschließlich dann genehmigt werden, wenn sie unmittelbar deutschen Sicherheitsinteressen dienen. Niemand wird ernsthaft davon ausgehen, dass es sich bei den genannten Empfängerländern und ihren Diktatoren um verlässliche Partner im Kampf gegen Drogen- und Menschenhandel oder Terrorismus handeln könnte.

Als einziger Erklärungsansatz bleibt also nur das Bestreben unserer Regierung, internationale Handelswege freizuhalten und hierzu menschenverachtende Diktaturen, verbrecherische Regimes und unberechenbare Systeme mit hochentwickelten Waffensystemen auszurüsten.

Die Bundesregierung trägt damit die Verantwortung und eine erhebliche Mitschuld an der Verfolgung und dem Tod unzähliger Menschen in allen Teilen der Welt.

 



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