Derivate populärwissenschaftlich erklärt

Im gestrigen Beitrag hatte ich versucht, Aktien zu erklären. Die Frage "Wo ist der Haken?" blieb offen.

Der Haken steckt nicht in den Aktien, sehen wir mal von irrationalen Spekulationen ab. In diesem Fall sind Leute immer bereit mehr für das Unternehmen zu bieten, als es wirklich wert ist, weil sie glauben, dass a) es immer noch einen Idioten mehr gibt, der das glaubt, b) das Wachstum kein Ende kennt. Das beste Beispiel ist die Dot.com-Blase, als Geld in alle Unternehmen floss, die nur das Wort Internet irgendwie erwähnt hatten. Hier verhalten sich Leute quasi wie auf einer Auktion und bieten einfach wild Geld, weil sie überzeugt davon sind, dass sie die Aktien für mehr Geld schnell wieder loswerden.

Es gibt einen indirekten Haken an Aktien. Die sogenannten Finanzinstrumente. Nun gut, eine Aktie ist auch ein Finanzinstrument, aber ein sehr altes. Ich rede hier von den modernen Erfindungen, die rein auf Spekulation abzielen. Dazu gehören Derivate. Was sich kompliziert anhört (und das ist Absicht), ist eigentlich ganz einfach. Man (ver)kauft nicht den Gegenstand, sondern das Recht den Gegenstand in der Zukunft zu kaufen oder zu verkaufen. Hä?

Ganz einfaches Beispiel. Sagen wir mal, ich brauche in einem Jahr Wandfarbe, weil ich dann mein Haus neu anstreichen will. Wandfarbe altert, also muss ich sie frisch kaufen. Aber im Moment glaube ich, dass Wandfarbe billig ist und nie wieder so billig sein wird. Deswegen kaufe ich ein Future auf Wandfarbe. Ich kaufe das Recht, die Wandfarbe in einem Jahr, zum Preis von heute zu erwerben. Natürlich bezahle ich für das Recht etwas, aber das ist nur ein Bruchteil der zu erwarteten Differenz zum Preis in einem Jahr. In diesem Fall verkauft mir der Hersteller der Wandfarbe das Recht. Vorteil für ihn, er bekommt Geld in die Kasse gespült, wenn auch zunächst nur einen kleinen Betrag und er weiss, dass er in einem Jahr Wandfarbe herstellen muss, kann also seine Produktion besser planen. Auch kann er jetzt vielleicht schon die Grundstoffe kaufen, weil diese eventuell auch gerade günstig sind.

Da ich die Pflicht zum Kauf der Farbe habe, muss ich sehen, dass jemand Wandfarbe braucht, falls ich doch mein Haus nicht anpinseln will oder mein Haus verkauft habe. Dann suche ich nach jemandem, der mir das Recht abkauft. Sollte ich niemanden finden, habe ich Wandfarbe am Hals. Je nach Preisentwicklung ist das gut oder schlecht. Je näher der Termin des Farbkaufes kommt, desto geringer wird die Differenz zwischen dem wirklichen Preis zum Tag X und dem Preis des Rechts.

Ein Beispiel macht alles schöner, also hier mal die ganze Sache praktisch. Ich brauche 100 Liter Wandfarbe. Der Liter kostet 1 Euro. Ich brauche die Farbe genau in 12 Monaten. Da ich denke, dass viele Leute in 12 Monaten Farbe brauchen, also der Preis der Farbe dann höher ist (Angebot und Nachfrage), kaufe ich mir das Recht auf 100 Liter zu 1 Euro. Ich muss für das Recht 10 Cent pro Liter bezahlen. Mein Endpreis wäre also 100 Euro für die Farbe und 100 * 0,10 Cent für das Recht. Insgesamt 110 Euro. 10 Euro gleich und 100 Euro später. Wenn ich erwarte, dass die Wandfarbe dann 150 Euro kosten wird, also 1,50 Cent pro Liter, kann ich durch das Derivat 40 Euro sparen.

Nun sind 6 Monate rum und ein neuer Hersteller von Wandfarbe ist auf dem Markt und deswegen kostet Wandfarbe nur noch 75 Euro für 100 Liter. Wenn ich jetzt mein Haus doch nicht streichen will, habe ich 10 Euro für die Derivate verloren und muss dann 100 Euro für Farbe ausgeben, die nur noch 75 Euro kostet, wenn ich sie nicht "vorbestellt" hätte. Es ist schön zu sehen, dass es wohl niemanden gibt, der mein Recht kaufen will, weil es keinen Vorteil verspricht.

Drei Monate vor dem Farbkauftermin kommt aber ein grosser Sturm und viele Häuser sind beschädigt. Die Preise für Farben steigen, weil das Angebot knapp ist. Die Leute zahlen 200 Euro für 100 Liter. Es ist nicht abzusehen, dass der Preis bis zum Tag X fallen wird. Da ich keine Wandfarbe mehr kaufen möchte, die ich dann wieder verkaufen muss, verkaufe ich mein Recht an Herrn Schmidt. Der hat sein Haus in drei Monaten wieder ausreichend ausgebessert, um es neu zu streichen. Er bietet mir für meine Rechte 50 Euro, also 0,50 Cent pro Liter. Damit kann er Wandfarbe für 100 Euro kaufen und plus 50 Euro für die Rechte, wären immer noch 50 Euro weniger als im Laden, zudem weiss niemand, ob der Preis nicht weiter steigen wird.

Sah es noch kurz vorher nach einem Totalverlust für mich aus, also 10 Euro für die Rechte und die Differenz zwischen Strassenpreis und Rechtepreis 100 Euro-75 Euro = 25 Euro, also gesamt 35 Euro Verlust. Nun habe ich aber meine Rechte für 50 Euro verkauft und damit 40 Euro Gewinn gemacht. Zusätzlich liegt mir meine Wandfarbe der Zukunft nicht mehr schwer auf der Seele.

Derivate sind also indirekt eine Wette auf die Zukunft. Es kann gut gehen, muss aber nicht. Vorteile von Derivaten sind höhere Planbarkeit. Ich weiss, dass ich meine Farbe für 100 Euro bekommen werden und der Hersteller weiss, dass er 100 Euro einnehmen wird. Ich muss also nicht warten und der Hersteller kann seine Produktion und damit seine Kosten planen.

Ich hören Euch schon sagen, na so schlecht ist das doch alles nicht. Ja, da habt Ihr Recht, so schlecht ist das nicht. Das Problem entsteht erst, wenn jemand Rechte kauft, obwohl er kein Interesse an Wandfarbe hat. Jemand kauft also das Recht, um mit dem Rechteverkauf Geld zu machen. Und weil er Rechte gekauft hat und auf höhere Preise spekuliert, wird der Preis auch höher werden. Wie das?

Vereinfacht gesagt, denkt der Farbenhersteller, dass er mindestens 100 Liter absetzen wird. Er kann also seinen Preis für die andere Wandfarbe, die keine Rechte anhaften haben, auf 1,05 Euro setzen, weil er ja weiss, was er mindestens absetzen wird und denkst sich, da werden die Leute auch mehr bezahlen. Weil jemand anders sieht, dass Wandfarbe teurer wird, kauft er sich auch wieder Rechte, um sich abzusichern. Jetzt kommt jemand, der sieht, dass Wandfarbe scheinbar etwas sehr Begehrtes ist und kauft sich noch mehr Rechte. Das geht soweit, dass die Rechte nicht mehr vom Hersteller der Wandfarbe kommen, sondern von einem anderen Händler, der nur die Rechte anbietet. Sollte er mit seiner Annahme falsch liegen, dann erstattet er den Differenzbetrag zum tatsächlichen Strassenpreis. Liegt er richtig, dann streicht er fett Gewinnen ein. Der Farbenhersteller ist total aussen vor. Ihm ist also nicht mit mehr Planbarkeit geholfen.

Wenn das System eine gewisse Eigendynamik erreicht hat, dann wird 100 Mal soviel Recht auf Wandfarbe gehandelt, wie tatsächlich Wandfarbe gebraucht wird. Damit die Balance gewahrt bleibt, bieten Leute jetzt auch Verkaufsrechte an. Also die Garantie die Wandfarbe loszuwerden, zum Preis Y. Da nun niemand wirklich weiss, wie viel Wandfarbe wirklich gebraucht wird, steigt der Preis der Farbe weiter und weiter, weil jeder denkt, dass er dann sich die Farbe nicht mehr leisten kann und sich den Preis sichern will bzw. der Hersteller viel Begeisterung sieht und deswegen den Preis weiter erhöhen kann, ohne das die Begeisterung leidet und leider ohne das die Begeisterung echt ist.

Genau dieser Handel mit Papier und nicht mit echten Gütern, führt zu Zuständen, die das System vor zwei bis drei Jahren an den Rand des Zusammenbruchs brachten. So lange wirkliche Werte hinter dem Handel stehen, auch wenn es zukünftige Güter sind, ist alles ok und kontrolliert. Sobald die Leute kein Interesse mehr an den Gütern haben, sondern nur am Handel und der Spekulation, beginnt die Bombe zu ticken. Dann wird aus einer guten Idee und einem hilfsreichen Werkzeug eine böse Waffe. Dann werden keine Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten, sondern wenige Leute schieben sich virtuell Dinge zu, bis die Balance verloren geht.

Ganz kompliziert wird es, wenn Rechtehändler Geld einsammeln, also über Fonds oder selbst über Aktien, dieses dann aber nicht in Güter transferieren, also Arbeitsplätze, sondern nur in Papier.

Die Niedrigzinspolitik der USA führt jetzt übrigens genau zu diesem Problem. Banken können sich quasi kostenlos Geld bei der Zentralbank besorgen. Dieses Geld stecken sie in Aktien oder Derivate. Beides treibt den Preis. Bei Aktien steht noch ein realer Wert dahinter, der einschätzbar ist. Bei Derivaten nicht. Firmen können also durch die Ausgabe von Aktien einfach an Geld kommen, obwohl ihnen die Bank niemals Geld leihen wird. Grund, die Ausgabe eines Kredites birgt höheres Risiko für eine Bank, als mal schnell 1000 Aktien zu kaufen und diese dann in 10 Tagen mit Gewinnen loszuschlagen. Dann zahlt die Bank dem Staat des Geld zurück und behält den Gewinn. Mit einem Kredit an ein Unternehmen würde die Bank das Geld erst in Jahren zurückbekommen und würde kurzfristig keinen Gewinn machen.


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