Es fing alles mit einem Vorsatz für die Fastenzeit an. Aus dem jährlichen Schokoladeverzicht (bis zum Schlachttag des Osterhasen mit den Mandelsplittern von Frey) wurde dieses Jahr ein allgemeiner “Süßigkeiten- und Kuchenverzicht”. Es war kein genereller Zuckerverzicht, wenn es im Rezept so stand, gab es immer noch die Prise Zucker in die Sauce und es gab auch noch den Honig zu den Früchten in den Naturjoghurt.
Beobachtung eins: Es ging leichter als gedacht.
Beobachtung zwei: So gut zwei Wochen nach dem Start begannen auf einmal Karotten, Kirschtomaten und sogar Kohlrabi süß zu schmecken wie selten zuvor.
Beobachtung drei: Der erste Bissen vom Mandelsplitterhasen am Abend des Ostersonntags war ernüchternd. Er schmeckte irgendwie “lahm”, “tot” verglichen mit dem Honig-Früchte-Joghurt.
Beobachtung vier: Der Zuckerschalter in meinem Hirn reagierte und nach zwei Tagen war alles wieder so wie vor der Fastenzeit. Die Süße der Karotten war fast nicht mehr vorhanden, dafür mochte ich auf einmal Milchschokolade richtig gern, vor allem die mit Nüssen. So wie in meiner Kindheit.
Und jetzt? Ich will meinen süßen Kohlrabi zurück und die Süße der Früchte und des Honigs wieder intensiver schmecken. Es heißt, den Zuckerschalter wieder zurückdrehen. Dazu versuche ich mich an jene Menge an Fertig-Süßzeugs herantasten, die mir nicht den Geschmack an den natürlichen Süßen verdirbt. Vielleicht muss ich nur einfach immer wieder eine mehrwöchige Pause einlegen. Mal sehen, was besser wirkt.
Das Gleiche möchte ich nach und nach auch mit Salz erreichen, meiner Mutter ist das schon gelungen, sie schmeckt Salz durch ihre salzarme Kost so gut heraus, dass sie nur noch ganz wenig braucht, damit ihr ein Gericht gut schmeckt. Das wird die nächste Herausforderung.
Der Geschmackssinn unserer Vorfahren muss großartig sensibel gewesen sein verglichen mit dem des zivilisierten Industriekostessers heutzutage.