Der Zerfall des Internets

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Das Internet ist mit Abstand die wichtigste Entwicklung des  vergangenen Zeitraums und besitzt scheinbar ein endloses Wachstum. Fast drei Milliarden Menschen tummeln sich täglich am Rechner oder Smartphone und es ist ein leichtes, seinen Bekannten aus Japan schnell mal eine Nachricht zu senden. Zudem sind Sie genau zwei Mausklicks von der Zeitung aus Nordaustralien entfernt. Doch diese grenzenlosen Freundschaften und Märkte sind nicht mehr lange selbstverständlich, denn die Gefahr wächst, dass sich einzelne Staaten aus dieser Gemeinschaft verabschieden.

Es war das Ziel des Internets, die Welt zusammen zu führen, und nichts anderes ist auch passiert. Informationen werden durch Online-Zeitungen und soziale Netzwerke so schnell verbreitet, dass die Tageszeitung am nächsten Morgen schon nicht mehr aktuell ist. Die kleinen Geschäfte haben kaum noch eine Chance am Markt Tritt zu halten, da die Onlinekonzerne täglich neue Produkte günstiger anbieten können. Auf sozialen Netzwerken wie Facebook haben die Menschen teilweise mehr Freunde, als sie in den nächsten Jahren treffen können und es werden aktuelle Statusmeldungen gepostet, die teilweise weit außerhalb des Begriffes “relevant” zu finden sind. Es gibt auch positive Seiten. Natürlich fügt das Netz die Welt zusammen, sie zeigt den Menschen, dass Distanzen leichter überbrückt werden können und Ehepartner können sich beim Skypen noch lieb in die Augen schauen. Nie waren Menschen so vernetzt, ohne sich wirklich Nahe zu sein.

Doch diese Entwicklung ist nun in Gefahr, sich deutlich zu verändern. Edward Snowden hat nicht nur den Menschen klar vor Augen gehalten, wie nackt die Gesellschaft in Wirklichkeit ist. Die Regierungen und Unternehmen reagieren ebenso und fragen sich, wie dagegen vorgegangen werden kann. All unsere Daten sind Kapital und Macht, selbst wenn diese nicht zu Werbezwecken missbraucht werden. Geheimdienste auf der ganzen Welt begehren Informationen, nicht unbedingt vom kleinen Mann um die Ecke, aber Industriespionage steigt sprunghaft an. Ein fataler Kampf um Sicherheit entsteht, Verschlüsselungsprogramme und  Schutzschirme sind gefragt wie selten. Der Zerfall im Netz ist derart dramatisch, dass Organisationen wie “Internet Jurisdiction Projects” der Fragmentierung des Netzes entgegenwirken wollen. Auch große Konzerne wie Google, Yahoo ect hatten sich Ende letzten Jahres getroffen und einen Appell an die Regierungen der Welt veröffentlicht. Sie fordern die Respektierung des internationalen Datentransfers sowie die Vermeidung von Konflikten zwischen Regierungen und nationalen Gesetzgebern.  In Internet droht ein Datenkrieg und den werden sicher nicht alle Staaten ausfechten.

Schon heute gibt es parallele Netzwerke innerhalb des Internets, die nicht offen oder global sind. Auch Suchmaschinen wie Google können auf diese nicht zugreifen. Das bekannteste Netz ist vielleicht das Tor-Netz, in welches man gelangt, wenn man eine spezielle Tür durchschreitet. Es ist ein Netzwerk von vielen befreundeten Computern, ein geschützter immer größer werdender Ort, wo Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit gesichert wird.  Viele Nutzer finden sich bei Facebook nicht mehr sicher aufgehoben, vor allem weil der Konzern aber auch gar nichts für Datensicherheit tut. So verliert Facebook Mitglieder, Twitter gewinnt leicht, da dort nicht ganz so viel Persönliches zu finden ist. Doch wirklich problematisch ist die Entwicklung für die Industrie, denn hier kann Spionage extrem teure Folgen haben. So kapseln sich immer mehr Länder vom freien Datenstrom ab oder versuchen durch eine Zensur angeblich die Bürger zu schützen.

Angela Merkel war nicht die einzige Regierungschefin, die abgehört wurde. Während unsere Kanzlerin aber brav kuschte und nicht wirklich auf diese Illoyalität reagierte, hat die brasilianische Regierungschefin vor Wut ein Treffen abgesagt und plant nun eine eigene Internet-Verfassung für Brasilien. Die Idee ist, dass jeder, der im brasilianischen Netz abtauchen will, seinen Server auch vor Ort besitzen muss. Zudem wird der freie Datenstrom und die Veröffentlichungen eingeschränkt. Wer keinen Vertreter vor Ort hat, findet im Land keine Leser mehr.  In Deutschland wollte die Telekom ein eigenes Internet aufbauen, ein verwegener Plan, denn die Datenpakete sollten hierbei nur über deutsche Server laufen. Dieser Plan eines eigenes Internets hegen gedanklich auch andere Staaten. Derzeit sind etwa 25% aller nationalen Internets unfrei, entweder durch Zensur oder Kontrolle, die Tendenz ist steigend. Zwar geben die Regierungen gern an, dies diene dem Kampf gegen den Terror, doch in Wirklichkeit dient es dem Schutz gegen Spionage und der besseren Kontrolle…gerne auch der eigenen Bevölkerung.

Schon heute können wir Bürger feststellen, wie nationale Grenzen im Internet funktionieren. Sie brauchen nur mal bei YouTube nach bestimmten Videos zu suchen, glücklich ist, wer sein Musikstream nicht ohne Gema-Blockade sehen kann. Zudem gibt es permanente Umleitungen von Webseiten, die kaum noch zu entdecken sind. Soziale Netzwerke wie Twitter blockieren teilweise Tweets in gewissen Ländern, um dortigem Recht und Sitte zu folgen. Die Welt ist schon lange nicht mehr im Netz so frei, wie es scheint. Sollte das bald mögliche brasilianische Netzwerk Vorbild für die Welt werden, könnte eine Art Visum nur noch das weltweite Surfen ermöglichen. Das Web könnte bald in viele Teilbereiche verfallen, Nutzer können nur noch mit Ausweis und Genehmigung in fremde Netze surfen.

Diese ganzen Andeutungen sind keine große Vision, schon im Oktober 2013 kamen im Uruguay Vertreter vieler Staaten zusammen, um Wege zu finden, das Problem des Zerfall des Netzes zu stoppen. Der Amerikaner Jeff Jaffe, Geschäftsführer des “World Wide Web Consortiums W3C”, der auch die technischen Standards der Naturgesetze des Internet erschaffen hatte, meinte anschließend auch: Die Zukunft des Internet ist unkontrollierbar geworden und die Gefahr des Zerfalls groß. Natürlich drohen den globalen Unternehmen nun riesige Verluste, doch das ist nur das geringste Problem. Die Regierungen müssen lernen, das Netz wertefreier zu nutzen. Dies wird kaum möglich sein, denn einzelne Staaten kämpfen um die Macht und spionieren, wie es nur geht. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die einzelnen kleinen Länder wieder nach mehr Kontrolle streben und das Internet beschränken. Neben den Konzernen sind dann die vor allem wir Bürger betroffen, doch wir können dann sicherlich mit ruhigem Gewissen mehr Daten einstellen … in unserem eigenen kleinen Internet!

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Joern Petersen Joern Petersen

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