Obwohl die Themen Sparen, finanzielle Vorsorge und Absicherung sowie Kapitalanlage medial allgegenwärtig und von großer Wichtigkeit sind, spielen sie bei einem Großteil der Bevölkerung im alltäglichen Leben nur eine untergeordnete Rolle. Ursächlich sind vermutlich mehrere Gründe. Der schwerwiegendste dürfte die Bequemlichkeit sein. An zweiter Stelle steht das mangelnde Verständnis für die Materie und der damit verbundene Glaube, keine zielführenden Anlage- und Investitionsentscheidungen treffen zu können. Hinzu kommen individuelle Gründe. Tatsache ist aber, dass nur die wenigsten Menschen sich aktiv mit Fragestellungen der eingangs genannten Themen beschäftigen und daraus abgeleitete Ideen dann auch umsetzen.
So lag laut Angaben des Deutschen Aktieninstitut e.V. die Aktionärsquote im Jahr 2016 bei nur ca. 14 %, wovon die Anteile von direktem (Aktionäre) oder indirektem (nur Fonds) Besitz in etwa gleichauf liegen. Das bedeutet praktisch gesehen, dass nur in etwa jeder siebte Bürger Kapital an der Börse investiert. Der Anteil derer, die in Unternehmen direkt investieren (z.B. stille Gesellschaften oder über geschlossene Fonds etc.) ist noch geringer. Im Umkehrschluss bedeutet das Obenstehende aber auch, dass die Kapitalanlagen der restlichen Bevölkerung, wenn überhaupt, nur noch indirekt von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Realwirtschaft profitieren. Oder anders (und vielleicht auch etwas überspitzt) ausgedrückt: Das Geld verdienen andere!
Vergleichsweise hoch ist hingegen die Wohneigentumsquote. Dabei stellt die selbstgenutzte Immobilie in den meisten Fällen, abgesehen von günstig eingekauften Immobilien in wachsenden Ballungsgebieten, ein Klumpenrisiko dar. Interessant dabei ist, dass sich der Durchschnittsbürger offenbar befähigt fühlt, mit dem Kauf einer Immobilie eine durchaus existenzielle Entscheidung treffen zu können, eine vergleichsweise geringe Investition in Aktien mit einem praktisch jederzeit handelbaren Gegenwert aber scheut.
Natürlich hinkt dieser Vergleich bei genauer Betrachtung an der ein oder anderen Stelle. Dennoch dient er der Verdeutlichung dessen, was bezogen auf Finanzthemen gelebte Realität ist. Privatanleger fühlen sich nicht dazu in der Lage, Anlage- bzw. Investitionsentscheidungen zu treffen, da die Materie als komplex und schwer zu durchdringen erscheint. Hinzu kommt noch etwas anderes: Investieren wirkt auf viele langweilig. Gestaltet man das Thema Kapitalanlage interessant oder gar spannen, sieht die Welt schon anders aus.
Nicht umsonst sind in den letzten Jahren Formate, wie das Social Trading immer beliebter geworden und bei jüngeren Leuten die ICOs diverser Blockchain-Projekte und bei wieder andere Crowdfunding und Crowdinvesting. Auch die Popularität der Sendung „Die Höhle der Löwen“, bei der Gründer vor bekannten Investoren ihre Idee präsentieren und anschließend auf unterhaltsame Weise eine mögliche Investition erörtert wird, zeigt, dass Finanzthemen unterhaltsam gestaltet werden können.
Die oben beschriebenen Tendenzen sind aber auch ein Indiz für noch etwas viel Wichtigeres: Der Durchschnittsverbraucher, der gleichzeitig auch potenzieller Anleger ist, hat durchaus Interesse an Finanzthemen und ist durchaus willig, sich damit auseinanderzusetzen.
Mit etwas Phantasie lässt sich noch etwas ganz anderes postulieren: Wenn Anleger sich gemeinsam aktiv über Kapitalanlagethemen austauschen (Social Trading), gemeinsam Vorhaben und Unternehmen Finanzieren (Crowdfunding, Crowdinvesting, ICOs) und sich darüber hinaus für Investoren und Gründer interessieren (Die Höhle der Löwen), dann lassen sie sich auch zu aktiven Investitionen animieren. Das sollte insbesondere genau dann gelten, wenn diese nicht alleine, sondern gemeinschaftlich erfolgen. Wenn man nun auch noch Elemente integriert, die unterhaltsam sind oder Anlegern einen persönlichen Nutzen über eine mögliche Rendite hinaus generieren, lassen sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch unternehmerisch auf aktive Investitionen ein.
Auch, wenn das Obenstehende etwas vage und möglicherweise verfrüht anmutet, so steckt dahinter etwas, was sich über praktisch alle Wirtschaftsbereiche ausbreiten wird. Aktuelle zentral organisierte Systeme brechen auf. Wertschöpfungsketten transformieren sich zu Wertschöpfungsnetzwerken und Plattformen, auf denen unterschiedlichste Marktteilnehmer Waren, Energie, Kapital und Informationen austauschen werden immer wichtiger. Viele Intermediäre werden wegfallen und Verträge innerhalb der Netzwerke und Plattformen, auch über Grenzen hinweg, schnell und zuverlässig geschlossen werden. Erfolg werden in Zukunft nur noch die haben, die innerhalb dieser neuen Strukturen bestens miteinander vernetzt sind und verstehen, dass der einzelne nur noch dann profitiert, wenn andere Akteure auch profitieren.
Insbesondere für den heutigen Otto Normalverbraucher ist das eine unglaubliche Chance. Anstatt blind in Kapitalanlageprodukte zu vertrauen, die er nicht versteht und auch keine praktische Kontrolle darüber hat, kann er schon bald in Ideen, Produkte, Projekte oder Firmen investieren, von denen er profitiert, die er versteht und über die er auch tatsächlich eine gewisse Kontrolle gewinnen kann. Das einzige, was er dafür tun muss: Er muss das antrainierte Konsumverhalten ablegen und bereit sein, überschaubare Risiken einzugehen. Er muss sich etwas mehr einbringen und engagieren. Viel mehr wird er aber nicht tun müssen. Er muss nur der Unternehmer werden, der seine eigenen Investitionsentscheidungen trifft und mit anderen gemeinsam umsetzt.