Der verbale Trampel, der sich hinter glatter Schrift versteckt

oder Sechs Jahre wortreichen Schweigens bei ad sinistram.


Der verbale Trampel, der sich hinter glatter Schrift verstecktSechs Jahre ist es nun her. Sechs volle Jahre ad sinistram. Vor einiger Zeit sagte mir jemand, er finde es Wow, was ich mache. Blog betreiben und im Ranking ganz oben liegen. Von letzterem wusste ich nicht viel. Weiß ich noch immer nicht. Du tust, als sei das etwas, beschwichtigte ich. Aber wenn ich heute aufhöre, dann sind vielleicht zunächst 550 Leute richtig traurig. Der harte Kern eben. Die Laufleserschaft merkt es womöglich nicht mal. Und 15 von diesen Hartkernigen sind mit etwas Glück auch nach zwei Wochen noch betrübt. Aber Wehmut vergeht. Die Zeit heilt alles. Selbst verwaiste Blogs. Spätestens dann bin ich endgültig vergessen. Ich mache mir da nichts vor. Jeder ist ersetzbar. Ich sowieso. Das habe ich im Leben oft genug erfahren.

Was sehen manche Leute eigentlich in mir? Nach sechs Jahren ad sinistram sei mir diese Frage erlaubt. Ich habe kürzlich einem anderen Blog ein Interview gegeben. Da kam von einem enttäuschten Leser eine bittere Feststellung: Ich hätte dem Fragesteller zu umgangssprachlich geantwortet und sei damit für ihn irgendwie beliebig geworden. Was will der Typ von mir? Soll ich sakrale Sprache auch beim Metzger verwenden? Darf ich nicht einfach lose antworten, muss ich alles mehrfach durchdenken, damit solche Leser auch zufrieden sind? Ich wollte ihm antworten: Kumpel, ich bin ein einfacher Typ. Wenn du mich reden hören würdest, wärst du schockiert. Ich bin der verbale Trampel, der sich hinter glatter Schrift und hübscher Wortführung zu verstecken weiß. Politisch korrekt bin ich auch nicht. Man verzeihe mir, ich bin auch nur ein Mensch. Ich habe diesem Kritiker das dann aber nicht mitgeteilt. Bin ich jemanden Rechenschaft schuldig, nur weil ich antwortete, wie ich antwortete?
Und noch eine Frage stelle ich mir schon lange nicht mehr: Warum der ganze Zauber? Was haben sechs Jahre ad sinistram gebracht? Ich sage immer, es sind Jahre des wortreichen Schweigens gewesen. Vom Anspruch, auf mein bisschen Getipse habe die Welt nur gewartet, bin ich schon lange abgerückt. Ich bin der Sisyphos, der Steineroller, der öfter dem hinabrollenden Felsen nachläuft, als dass er ihn im Aufwärtsgang sichert. Und dann walzt man oft was hoch, merkt auf halber Strecke aber, dass das gar kein Felsen ist, sondern nur eine Attrappe, die so aussieht.
ad sinistram fand seinen Anfang in Zeiten der Großen Koalition. Dort sind wir nun wieder. Wir sind zu den Anfängen zurückgekehrt. Ich habe nur das Gefühl, schlimmer, ja dramatischer als damals. Ganz am Anfang führte ich den Zusatz Ein oppositionelles Blog in der Überschrift. Das begründete sich auch durch das Klima in dieser Zeit der GroKo, durch die zugespitzte Atmosphäre. Jetzt ist dieses Klima durch die Größe dieser Regierungskonstellation noch viel aufgeheizter. Große Koalition sollte Ausnahmezustand sein. Sie erdrückt nicht nur politisch, sondern auch kulturell und gesamtgesellschaftlich. Man hat den Eindruck, es gäbe nur eine Meinung, nur ein Richtiges, nur eine Methode. Das war von 2005 bis 2009 ein allgemeines, wenn auch dumpfes Gefühl. Von 2013 bis 2017 wird das noch weitaus gravierender.
Neulich meinte jemand, diese Schwarz-Rote würde mir viele Themen einbringen. Ja, habe ich wortkarg geantwortet. Konsterniert halt. Es gibt so viele potenzielle Themen, die ich alle gar nicht beackern kann. Und vielleicht auch gar nicht will. Ich schrieb kürzlich, dass Postdemokratie auch immer Prädiktatur bedeute. Das ist natürlich ein fruchtbares Milieu für einen Blog wie diesen. Jedenfalls solange man noch frei schreiben darf und nicht ausgedobrindtet wird. Bis der Anfang vom Ende kommt, setze ich mich weiterhin täglich nach meinem anderen Job an den Rechner, trinke nebenher Kaffee, rauche zwischendrin eine oder stopfe mir wahlweise Schokolade rein und schreibe von diesem Missstand, der unser aller Zustand ist.
Und wenn ich schon mal wieder dabei bin, mich wichtig zu machen. Wer mag, darf ad sinistram auch im siebten Jahr unterstützen. ad sinistram oder, seien wir ehrlicher: mich. Ich schiebe es gerne auf "ad sinistram" - das klingt weniger anzüglich. Das geht entweder per Paypal (siehe rechte Seitenleiste) oder über den gewöhnlichen Bankweg. Meine Kontodaten teile ich auf Nachfrage gerne mit. Und vielen Dank an alle, die mich seit langem und regelmäßig nicht nur ertragen, sondern sogar noch unterstützen.
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