Der #Tanz - das Stiefkind der #Salzburger_Festspiele


ZUM WIEDERLESEN: Tanz, das Stiefkind der Salzburger Festspiele
Von Günter Verdin Samstag 25. Juli 1998
Ausgenommen die fröhliche Hopserei der Tischgesellschaft in Hofmannsthals "Jedermann" vor dem Dom hat der Tanz, die internationale aller Künste, in der Programmplanung der Salzburger Festspiele keine Bedeutung. Das hat Tradition. Aber es gab doch vor einigen Jahren vielversprechende Ansätze.
Und der Tanz? Eine Anfrage an die Festspielleitung
Der Besuch der alten Dame: Das Gastspiel der "Martha Graham Dance Company" aus New York bei den Festspielen im August 1989 war für viele Ballettfreunde aus aller Welt die letzte Gelegenheit, die legendäre Choreographin, und wenn auch nur zum frenetischen Schlussapplaus, auf der Bühne zu erleben. Das Programm in der Felsenreitschule enthielt wenigstens eine europäische Erstaufführung, "Night Chant", eine Choreographie, welche an die amerikanische Pionierzeit erinnert: Die Graham liebte ja den Spannungs-Spagat zwischen historischen Stoffen und modernem Ausdrucksvokabular.
Sternstunden des Hamburger Balletts
Ansonsten war - trotz des Zaubers, welcher über der persönlichen Anwesenheit Martha Grahams lag - das Gastspiel keineswegs unverwechselbar, es hätte genau so gut in der Kongresshalle Böblingen oder im Deutschen Museum in München stattfinden können.
Ich schrieb damals im Feuilleton einer Salzburger Zeitung: "Die Lieblosigkeit, mit der das Gastspiel der Graham Company in dem herrlich kunstvollen, mit schwarzen Stellwänden vollgerümpelten Naturraum der Felsenreitschule abgewickelt wird, lässt sich nur mehr mit der Ignoranz der Verantwortlichen erklären.... Niemand, und sicher auch Martha Graham nicht, hat sich die Zeit genommen, den ganzen speziellen Ort für diese Tanzabende, die Felsenreitschule, nach seinen Möglichkeiten im Zusammenhang mit der geistigen Strahlkraft der einzelnen Choreographien abzutasten und zu befragen.Man verschenkt hier so viele künstlerische Chancen zu üppigen Eintrittspreisen!"
Ein paar Jahre früher, 1984 und 1985, konnte der Hamburger Ballettchef, John Neumeier, beweisen, dass es keine Uraufführung sein muss, um dem Festspielgedanken Reverenz zu erweisen: Seine Choreographie der "Matthäus-Passion" hatte in der Gesamtfassung an der Hamburgischen Staatsoper am 25. Juni 1981 Premiere und wurde Anfang April 1982 in der Hamburger St.-Michaelis-Kirche gezeigt. Das Ballett, gedacht als ein "Psychodrama für Tänzer", das choreographisch bis ins kleinste Detail ausgefeilte, tanztechnisch anspruchsvolle und zum Teil hochvirtuose Aktionen mit individuellen, improvisierten und dem Tänzer zur eigenen Gestaltung offengelassen Reaktionen verbindet ( Neumeier), erzielte auf dem Domplatz eine unbeschreibliche Wirkung, die nichts mit Frömmelei aber viel mit einer sehr heutigen, die Spannung zwischen Seele und Körper auf die Zerreißprobe stellenden Auseinandersetzung mit der existenziellen Sinnfrage zu tun hatte. Neumeier hatte seine Choreographie auf diesen zugleich öffentlichen und mystischen Raum hin neu konzipiert.
Die Vernachlässigung hat lange Tradition
Die "Matthäus-Passion" Neumeiers wurde dadurch zum Festspielereignis, das in seiner Einmaligkeit eben nur in Salzburg zu erleben war.
Und obwohl Neumeiers im Mozart-Jahr 1991 in der Felsenreitschule uraufgeführte Choerographie zu Mozarts "Requiem" später auch in Hamburg nachgetanzt wurde, blieb die zutiefst erschütternde Wirkung der Aufführung bei den Festspielen unwiederholbar. Neumeier nutzte auf großartige Weise die Weite der Bühne in der Felsenreitschule und inszenierte weniger eine Seelenmesse als einen modernen Totentanz in den Zeiten von AIDS.
Seit dem Amtsantritt von Gerard Mortier (Anmerkung: Mortier ist im März 2014 gestorben) als Festpielintendant hat man von Neumeier und auch vom Ballett zur Festpielzeit nichts mehr gesehen. In auch als Nachlässigkeit zu misszuverstehender Nonchalance überlässt der innovationsfreudige Festspiel-Manager das Tanztheater der "Szene", die auch immer wieder beim "Fest zur Festspieleröffnung" tänzerische Glanzleistungen präsentierte.
Und Mortier kann sich , hoffentlich schlechten Gewissens ,darauf berufen, dass das Ballett in der Geschichte der Festspiele immer schon nur marginale Bedeutung hatte.
Schon 1904, also lange vor Gründung der Salzburger Festspiele, planten Hermann Bahr und Max Reinhardt die Anmietung des Stadttheaters in Salzburg, um im Sommer dem "reiselustigen Publikum" außergewöhnliche Schauspiel- und Ballettvorstellungen zu bieten. Unter anderem war auch ein Gastspiel von Isadora Duncan vorgesehen. Am 22. August 1920 hob dann das Spiel vom "Jedermann" bei herrlichen Wetter auf dem Domplatz an: für den Tanz der Tischgesellschaft hatte Einar Nilson die Musik geschrieben. Für 1921 wurde auch ein Gastspiel mit Tamara Karsavina und Laurent Novikoff vom ehemaligen Kaiserlichen Russischen Ballett in Petersburg angekündigt. In der weiteren Festspielgeschichte fristet das Ballett eine Randexistenz.
Geschmack nach vertanzten Mozartkugeln
Im ersten Band des Almanachs "Die Salzburger Festspiele" von Eda Fuhrich und Gisela Prossnitz (Residenz-Verlag) werden unter anderen folgende Ballett- "Ereignisse" aufgelistet: "Broadway", 1925 ( nur als Generalprobe); die Ballett-Pantomime "Die Grüne Flöte" von Hugo von Hofmannsthal nach Musikmotiven von Mozart als Gastspiel der neu gegründeten "Internationalen Pantomimen-Gesellschaft"; das pantomimische Ballett "Don Juan" von Glück (1926); 1931 dann eine veritable Uraufführung des Tanz-Mysterienspiels "Das Jüngste Gericht" von Felix Emmel in der Choreographie von Margarete Wallmann , und im selben Jahr moderner Ausdruckstanz durch die Tänzergruppe um die Wallmann in Bruno Walters Inszenierung von Glücks "Orpheus und Eurydike".
Sehr rührend ist die Notiz vom 14. August 1941: "Zum ersten Mal seit 1932 findet sich wieder eine Ballettproduktion im Repertoire. Rund 30 Mitglieder des Wiener Staatsopernballetts formierten sich zum "Ballett der Salzburger Festspiele" und bringen als einzige Veranstaltung, vier auf Salzburger zugeschnittene Tanzszenen: "Salzburger Sehenswürdigkeiten - Aus Salzburgs Festspielen - Salzburgs Gäste - Ausklang ohne Schnürlregen". Die Choreographie stammt von Willy Fränzl, der neben Julia Drapal, Erwin Pokorny und Carl Raimund auch als Solist auftritt."
Das klingt natürlich ein wenig nach vertanzten Mozartkugeln und wirkt eher abschreckend auf heutige Ballettfreunde, wie etwa auch ein Ballett mit dem Titel "Schlagobers", das zwar nie bei den Festspielen gezeigt wurde, aber von einem ihrer Mitbegründer, nämlich Richard Strauss, stammt, der es später allerdings selbst als "läppische Konditorei-Angelegenheit" abgewertet hat. Dennoch wäre es sicher eine ergiebige Aufgabe, unter den Balletten, die Strauss und Hofmannsthal jeder für sich oder gemeinsam konzipiert haben, eine Sichtung vorzunehmen. Da drängt sich natürlich gleich die am 14. Mai 1914 an der Pariser Oper uraufgeführte "Josephslegende" von Kessler/ Hofmannsthal (Libretto) und Richard Strauss (Musik) auf . Strauss schreibt über dieses Werk, sein Opus 63: "Ich wollte mit ,Josephs Legende' den Tanz erneuern. Den Tanz, so wie er, Mutter der heutigen Künste, gleichsam vermittelnd zwischen ihnen steht." Das hallt programmatisch bis in unsere Tage nach. Von John Neumeier gibt es übrigens eine zeitgemäße Choreographie der "Josephslegende."
Die Festspiele haben ja dank ihres unbestrittenen künstlerischen Rufs das Potential, die besten Choreographen und die größten Kompanien und Tanzstars dieser Erde für Projekte zu gewinnen, welche dem speziellen geistigen Klima dieser Stadt (gemeint ist hier nicht der gegenwärtige politische Alltag!) entsprechen. Ein mutiger, weltoffener Intendant sollte die Festspiele ruhig im wörtlichen Sinne auf die Spitze treiben und sich nicht blind und taub den Herausforderungen des zeitgenössischen Balletts gegenüber stellen.

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