Der Tag, an dem das Geld verschwindet

21. Februar 2015 / Nic Frank / 0 Comments

quantum_dawn_coverWie lange wird das Wirtschaftssystem, wie wir es ken­nen, noch Bestand haben? Wann plat­zen die nächs­ten Banken-Blasen, wann kra­chen die Schuldenberge in sich zusam­men und kol­la­bie­ren die Wirtschaften? Wann wird das Geld kei­nen Cent mehr wert sein?

Nach sei­nem groß­ar­ti­gen Roman “Silent Control” legt Thore D. Hansen den nächs­ten Thriller vor. “Quantum Dawn” heißt er und ist von der ers­ten bis zur letz­ten Seite span­nend. Auch wenn der Leser am Anfang des 450-Seiten-Buches etwas über­for­dert ist, die Figuren auf dem Schachbrett, das der Autor vor einem bestückt, aus­ein­an­der­zu­hal­ten. Doch es lohnt sich, über diese anfäng­li­chen Schwierigkeiten hin­aus zu lesen. Irgendwann hat einen die Geschichte so in den Bann gezo­gen, dass die ein­zel­nen Bauern, Läufer und Könige einem ver­traut sind.

Es mag so klin­gen, aber es geht in die­sem Roman nicht um ein Schachspiel. Sondern um Geschäfte, die in den Bruchteilen einer Sekunde an den Börsen der Welt ablau­fen. Dagegen kommt einem der Blick in die eigene Brieftasche lächer­lich vor; man fühlt sich, als wäre man eine Schachfigur, die keine Ahnung hat von der Hand, die einen irgendwo hin­stellt.

So geht es anfäng­lich auch der ehr­gei­zi­gen Scotland-Yard-Ermittlerin Rebecca Winter. Was mit einem ver­meint­li­chen Selbstmord eines geschei­ter­ten Bankers aus­sieht, ent­puppt sich im Laufe der Zeit als ein Komplott, das von Dan Former aus­ge­hend das ganze System der ver­netz­ten Banken und Börsen bedroht, die mit ihrem Hochfrequenzhandel die Wirtschaft der gesam­ten Welt in den Händen hal­ten.

Schon allein der Name “Finanzindustrie” ver­deut­licht, dass es sich bei die­sen Geschäften längst nicht mehr um Finanztransaktionen han­delt, die in irgend­ei­nem Zusammenhang mit pro­du­zier­ten Werten ste­hen. Hier wer­den Ideen, Reaktionen, Gerüchte und Nachrichten durch Algorithmen aus­ge­wer­tet, die schnel­ler als jeder Mensch Entscheidungen tref­fen und über das Wohl und Wehe von Milliarden Menschen ent­schei­den. Im Kampf um Hundertstelsekunden, die über die Gewinnspanne einer Transaktion ent­schei­den kön­nen, wer­den immer aus­ge­klü­gel­tere Algorithmen ent­wi­ckelt. Doch diese Programme sind eben­falls nicht gegen Angriffe gefeit.

An den Börsen herrscht Krieg. Ein Krieg zwi­schen den Computerprogrammen der gro­ßen Player in die­sem Geschäft. Und Thore D. Hansen kennt sich in dem Geschäft gut genug aus, um sie in sei­nem Roman nackt zu zei­gen: ihre nicht vor­han­dene Moral, ihre Gier nach immer mehr Geld, Macht und Einfluss. Das, was neben der span­nungs­rei­chen Story in dem Roman zutage tritt, kann mehr Angst berei­ten, als die Morde im Buch.

Beim letz­ten Bankencrash hatte die Goldman-Sachs-Bank “mehr als wohl­wol­lende Unterstützung des ehe­ma­li­gen US-Finanzministers bekom­men. Er ließ Lehman Brothers in die Pleite rut­schen, ret­tete aber Goldman Sachs, obwohl die gegen ihre eige­nen Kunden gewet­tet hat­ten. Pikant daran war, dass der Finanzminister vor sei­ner Regierungstätigkeit Vorstandsvorsitzender bei Goldman Sachs gewe­sen war und mit der Weigerung, Lehman zu hel­fen, nicht nur das ganze Kartenhaus der Wall Street hatte ein­stür­zen las­sen, son­dern auch den größ­ten Konkurrenten sei­nes eins­ti­gen Arbeitgebers ver­nich­tet hatte. Hatten die Menschen eigent­lich wirk­lich begrif­fen, was da abge­lau­fen war?” (S. 173)

Solcherlei gut recher­chierte Hintergrundinformationen sind immer wie­der in den Thriller ein­ge­spon­nen. Sie bie­ten dem Plot eine Art Korsett, in dem sich die Story rasant wei­ter ent­wi­ckeln kann.

Neben der wohl­fun­dier­ten Kritik am Finanzsystem wird - wie im letz­ten Roman - auch immer wie­der deut­lich, wel­chen Gefahren die Demokratie aus­ge­setzt ist. Geheimdienste, vor denen wir keine Geheimnisse mehr haben, sind so gut ver­netzt, dass es gleich­gül­tig ist, dass der BND zum Beispiel in Sachen Cyberabwehr völ­lig über­for­dert ist. Denn auch wenn er es öffent­lich und in Untersuchungsausschüssen abstrei­tet: dem Autoren des Buches ist mehr zu glau­ben als öffent­li­chen Aussagen von Gerhard Schindler, dem Präsidenten des BND.

Thore D. Hansen hat in sei­nem letz­ten Buch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden vor­weg­ge­nom­men. Er schrieb über die Methoden der NSA zu einer Zeit, als kaum jemand wußte, wer oder was sich hin­ter die­sem Kürzel ver­birgt. Im aktu­el­len Buch betre­ten die Scotland-Yard-Ermittlerin Rebecca Winter sowie ihr Kollege Erik Feg vom BND auch das Government Communications Headquarters - in Deutschland bes­ser bekannt unter sei­ner Abkürzung GCHQ - ein Dienst, der der NSA in nichts nach­steht und in den Snowden-Dokumenten immer wie­der erwähnt wird.

Doch es sollte nicht nur Computerfreaks und Verschlüsselungs-Nerd inter­es­sie­ren, wel­che Möglichkeiten die­ser Geheimdienst hat, um unsere Privatsphäre zu einer lee­ren Worthülse wer­den zu las­sen. Im Roman ver­sucht das GCHQ, ver­schlüs­selte Dokumente zu kna­cken und einen Algorithmus zu ver­ste­hen, der in das Netzwerk der Börsen und Banken ein­ge­drun­gen sein könnte. Als jedoch Winter und Feg begrei­fen, dass der Dienst sie nur benutzt, um eigene “Geschäfte” zu erle­di­gen und an der Aufklärung der Morde nicht inter­es­siert ist, ergrei­fen sie die Flucht.

Feg, der für den BND arbei­tet und sich aber auch gut im Graubereich zwi­schen Legalität und ihrem Gegenteil aus­kennt, begreift die Brisanz des Teils eine Algorithmus, der ihnen in die Hände gefal­len ist: er könnte Teil eines Planes sein, “der die uns bekannte Zivilisation bis ins tiefste Mark tref­fen” könnte.

Ich hoffe, dass der Autor mit die­sem Buch nicht ganz so dicht an die Wahrheit her­an­kommt, wie es ihm in “Silent Control” gelang. Denn das würde das Leben, die Gesellschaft und den Planeten so grund­le­gend ver­än­dern, dass wir uns darin nicht mehr zurecht fin­den wür­den.

PS: Der Titel des Buches weist auf ein Planspiel hin, mit denen Banken und Behörden in den USA getes­tet haben, wie sie auf Hackerangriffe vor­be­rei­tet sind.


Thore D. Hansen: “Quantum Dawn”, Europa Verlag Berlin, Klappenbroschur, 464 Seiten, ISBN 978–3–944305–79–0, 16,99 Euro

[Erstveröffentlichung hpd]

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