Sylvester läuft auf 3sat ja immer das Dauerprogramm von Rock- und Popkonzerten. Spontan begeisterten mich 2009 die Altrocker von Status Quo. Eine Band, die ich immer hartnäckig ignoriert hatte, weil ich ihren Boogierock -also jedenfalls in den Radioedits- immer irgendwie trivial fand. Ich stand immer auf Alternativrock, den ich im Rückblick inzwischen nur noch für eine depressive Form, der Angst vor dem Atomkrieg geschuldet, des ursprünglich lebensfrohen Rock'n'Roll halte. Ich dachte damals: Wer keine tiefergehende Botschaft hat, der ist trivial.
Oh, welch Frevel. Als wir Status Quo also auf 3sat sahen, lief da ein Laufband von einer bevorstehenden Deutschlandtour. Aus der Laune heraus bestellte ich online sofort Tickets für ihren Auftritt im Kreuzberger Tempodrom am 26. Oktober.
Am Dienstag war es soweit! Doch vor den Genuss haben die Götter den Schweiß gesetzt. In Berlin den Angstschweiß, ob man es mit dem ÖPNV rechtzeitig zum Anhalter Bahnhof schaffen wird. Weder S-Bahn noch BVG waren also jenem Abend in der Lage, die Rockpilger zum Ort ihres Begehrs zu bringen. Wie könnte es auch anders sein...
Gut, irgendwann kamen wir an. Das Tempodrom gilt unter Berliner Politikern als Mahnmal für gut gemeinte aber schlecht gemanagte, vor allem schlecht finanzierte Kulturprojekte. Es hat die Form eines Zirkuszeltes, und innen ist es einfach genial gestaltet: Man checkt so schnell ein wie früher am Flughafen Tempelhof. Es gibt eine breite Gardrobe, es gibt Getränkerbars im Außenring und im Innenraum. Alles geht irgendwie schnell. Als wir unsere Jacken abgegeben und uns ein Bier genehmigt haben, öffnen wir die Tür zum Innenraum. Da strömen uns bayerische Zeilen und Melodien entgegen, es erwarten uns auf der Bühne ausgerechnet die Altmeister aus München, die ich für ihren Song "Sommer in der Stadt" so ins Herz geschlossen habe: Die Spider Murphy Gang. Ich sehe die zum ersten mal live und es hat etwas Surreales, dass fast 1.000 Kehlen den Song mitgröhlen, der heute als Soundtrack für diverse Onlinepartnerbörsen durchgehen könnte: "Wo, wo bist Du-huu?". Is ja nett, wie der Leadsänger Günter sich ins Zeug legt. Und das Publikum ist soo entspannt. Partykellerstimmung. Nicht übermäßig laut, auch fällt es dem Drummer schwer, den Takt zu halten. Aber alle mögen Spider Murphy..
Dann ist die Vorgruppe vorbei und es fließt wieder sechziger und siebziger Jahremucke aus den Boxen. Hier gibts dann einen zweiten Höhepunkt: Einer der Rowdies, die die Status - Bühne präparieren, schiebt tatsächlich einen Staubsauger über das Podest. Und der DJ nutzt die Gelegenheit, Freddie Mercurys Staubsaugerhymne "I want to break free" aufzulegen. Das Publikum gröhlt, der Staubsauger genießt seine aufwallende Popularität. Dann plötzlich -und ich liebe diesen Moment der Vorfreude, der seinen Ursprung in frühkindlichen Heiligabendbescherungen haben muss- geht das Zirkuskuppellicht aus.
Und die lila Lightshow, die an die Grafiken der ersten iTunesversion erinnert, geht los und die Intromusik schwillt an. Dann kommen die Chefs auf die Bühne. Aus dem Synthysound heben sich die ersten Lebenszeichen der E-Gitarren ab. Caroline dreht ihre Aufwärmrunde. Dann plötzlich und entschlossen fällt das Startsignal und sie legen los. Die Chefs des Boogierock. Routiniert lässig, hart, laut und perfekt abgestimmt startet die Show und nach wenigen Sekunden ist klar, dass Rock eine Domäne der Altrocker ist. Dass es ihr Revier ist, in dem alle nachfolgenden Alternative-, Depri und Gott weiß welche Abwandlungen immer nur geduldete Gäste waren. Das hier, das ist schnell klar, ist das Werk geniöser Miterfinder des Rock. Mich packt es. Alle anderen auch, aber mit dem Unterschied, dass die es schon immer wussten, und ich ein bisschen spät dran bin, mit meiner Erkenntnis, dass diese Musik, dass der Ursprung dieser Musik, nicht die Klage sondern die Freude ist. Die Freude darüber, sich im klaren zu sein und daraus die Entspannung im Hier und Jetzt abzuleiten. Was ich hier in bemühten Worten umbeschreibe vollzieht sich in der Wirklichkeit über Saiten, Verstärker, Boxen direkt in Herz und Hüften der hier Anwesenden. Der Zirkus hat abgehoben und fliegt. Um uns herum Mittvierziger, Fünfziger und direkt neben uns saugt ein verwitterter Typ im Trenchcoat die Atmosphäre auf, ein Bahnvorstand oder so. Klar ist: Die Chefs rocken das Haus. Wenn diese Floskel je stimmte, dann heute...
Der Bandname stimmt noch immer. Keine Band hat mehr Songs in die UK-Charts gebracht und Frontmann Francis Rossi sagt irgendwann, "all of these songs are from SOME TIME ago". Und ich denke: Das ist unsere klassische Musik. Die Menge an Bands und Songs zwischen den Sechzigern und Achtzigern, das ist eine eigene musikalische Epoche, Geschichte. Und man muss es live erlebt haben, um ihre Wirkung und ihre Bedeutung verstanden zu haben. Status Quo wiederholen und variieren, wie eigentlich jeder bedeutende Künstler, ihre immer gleiches Thema, ihr Ding. Aber es ist so verdammt gut. Auf der Bühne entfaltet sich beides: Unmittelbare Wirkung der Musik und das Bewusstsein, damit etwas Neues in die Welt gesetzt zu haben.
Francis und Rhytmusgitarrist Rick Pafitt wechseln sich mit dem Gesang ab. Beide sind so alt wie meine Eltern, aber sie werden immer Rocker sein. Mit einer gewissen professionellen Distanz zu ihrem Werk, mag sein, aber um so würdevoller wirkt ihr Auftritt. Rock ist keine Frage des Alters und der Zeit. Auch im Publikum geht es nicht darum, alte Zeiten aufleben zu lassen, sondern seinen Platz zu behaupten. Das hier ist und wird sein.
Oh, welch Frevel. Als wir Status Quo also auf 3sat sahen, lief da ein Laufband von einer bevorstehenden Deutschlandtour. Aus der Laune heraus bestellte ich online sofort Tickets für ihren Auftritt im Kreuzberger Tempodrom am 26. Oktober.
Am Dienstag war es soweit! Doch vor den Genuss haben die Götter den Schweiß gesetzt. In Berlin den Angstschweiß, ob man es mit dem ÖPNV rechtzeitig zum Anhalter Bahnhof schaffen wird. Weder S-Bahn noch BVG waren also jenem Abend in der Lage, die Rockpilger zum Ort ihres Begehrs zu bringen. Wie könnte es auch anders sein...
Gut, irgendwann kamen wir an. Das Tempodrom gilt unter Berliner Politikern als Mahnmal für gut gemeinte aber schlecht gemanagte, vor allem schlecht finanzierte Kulturprojekte. Es hat die Form eines Zirkuszeltes, und innen ist es einfach genial gestaltet: Man checkt so schnell ein wie früher am Flughafen Tempelhof. Es gibt eine breite Gardrobe, es gibt Getränkerbars im Außenring und im Innenraum. Alles geht irgendwie schnell. Als wir unsere Jacken abgegeben und uns ein Bier genehmigt haben, öffnen wir die Tür zum Innenraum. Da strömen uns bayerische Zeilen und Melodien entgegen, es erwarten uns auf der Bühne ausgerechnet die Altmeister aus München, die ich für ihren Song "Sommer in der Stadt" so ins Herz geschlossen habe: Die Spider Murphy Gang. Ich sehe die zum ersten mal live und es hat etwas Surreales, dass fast 1.000 Kehlen den Song mitgröhlen, der heute als Soundtrack für diverse Onlinepartnerbörsen durchgehen könnte: "Wo, wo bist Du-huu?". Is ja nett, wie der Leadsänger Günter sich ins Zeug legt. Und das Publikum ist soo entspannt. Partykellerstimmung. Nicht übermäßig laut, auch fällt es dem Drummer schwer, den Takt zu halten. Aber alle mögen Spider Murphy..
Dann ist die Vorgruppe vorbei und es fließt wieder sechziger und siebziger Jahremucke aus den Boxen. Hier gibts dann einen zweiten Höhepunkt: Einer der Rowdies, die die Status - Bühne präparieren, schiebt tatsächlich einen Staubsauger über das Podest. Und der DJ nutzt die Gelegenheit, Freddie Mercurys Staubsaugerhymne "I want to break free" aufzulegen. Das Publikum gröhlt, der Staubsauger genießt seine aufwallende Popularität. Dann plötzlich -und ich liebe diesen Moment der Vorfreude, der seinen Ursprung in frühkindlichen Heiligabendbescherungen haben muss- geht das Zirkuskuppellicht aus.
Und die lila Lightshow, die an die Grafiken der ersten iTunesversion erinnert, geht los und die Intromusik schwillt an. Dann kommen die Chefs auf die Bühne. Aus dem Synthysound heben sich die ersten Lebenszeichen der E-Gitarren ab. Caroline dreht ihre Aufwärmrunde. Dann plötzlich und entschlossen fällt das Startsignal und sie legen los. Die Chefs des Boogierock. Routiniert lässig, hart, laut und perfekt abgestimmt startet die Show und nach wenigen Sekunden ist klar, dass Rock eine Domäne der Altrocker ist. Dass es ihr Revier ist, in dem alle nachfolgenden Alternative-, Depri und Gott weiß welche Abwandlungen immer nur geduldete Gäste waren. Das hier, das ist schnell klar, ist das Werk geniöser Miterfinder des Rock. Mich packt es. Alle anderen auch, aber mit dem Unterschied, dass die es schon immer wussten, und ich ein bisschen spät dran bin, mit meiner Erkenntnis, dass diese Musik, dass der Ursprung dieser Musik, nicht die Klage sondern die Freude ist. Die Freude darüber, sich im klaren zu sein und daraus die Entspannung im Hier und Jetzt abzuleiten. Was ich hier in bemühten Worten umbeschreibe vollzieht sich in der Wirklichkeit über Saiten, Verstärker, Boxen direkt in Herz und Hüften der hier Anwesenden. Der Zirkus hat abgehoben und fliegt. Um uns herum Mittvierziger, Fünfziger und direkt neben uns saugt ein verwitterter Typ im Trenchcoat die Atmosphäre auf, ein Bahnvorstand oder so. Klar ist: Die Chefs rocken das Haus. Wenn diese Floskel je stimmte, dann heute...
Der Bandname stimmt noch immer. Keine Band hat mehr Songs in die UK-Charts gebracht und Frontmann Francis Rossi sagt irgendwann, "all of these songs are from SOME TIME ago". Und ich denke: Das ist unsere klassische Musik. Die Menge an Bands und Songs zwischen den Sechzigern und Achtzigern, das ist eine eigene musikalische Epoche, Geschichte. Und man muss es live erlebt haben, um ihre Wirkung und ihre Bedeutung verstanden zu haben. Status Quo wiederholen und variieren, wie eigentlich jeder bedeutende Künstler, ihre immer gleiches Thema, ihr Ding. Aber es ist so verdammt gut. Auf der Bühne entfaltet sich beides: Unmittelbare Wirkung der Musik und das Bewusstsein, damit etwas Neues in die Welt gesetzt zu haben.
Francis und Rhytmusgitarrist Rick Pafitt wechseln sich mit dem Gesang ab. Beide sind so alt wie meine Eltern, aber sie werden immer Rocker sein. Mit einer gewissen professionellen Distanz zu ihrem Werk, mag sein, aber um so würdevoller wirkt ihr Auftritt. Rock ist keine Frage des Alters und der Zeit. Auch im Publikum geht es nicht darum, alte Zeiten aufleben zu lassen, sondern seinen Platz zu behaupten. Das hier ist und wird sein.