Der Spleen ruft oder: Planlos britisch und urkomisch

 

WILLIAM E. BOWMAN - DIE BESTEIGUNG DES RUM DOODLE

Der Spleen ruft oder: Planlos britisch und urkomisch

Normalsterbliche sind der Meinung, der Mount Everest sei mit 8848 Metern der höchste Berg der Erde. Penible Kleingeister verweisen drauf, dass in absoluten Zahlen der Mauna Kea auf Hawaii mit 9966 Metern natürlich noch größer ist. Aber davon liegen ja nur 4205 Meter über dem Meeresspiegel. Aber manche halten tatsächlich den ominösen Rum Doodle für den höchsten Berg der Welt, der exakt 40000 1/2 britische Fuß oder 12192 Meter misst. Allerdings entstammt dieser Berg der Phantasie des britischen Schriftstelllers William C. Bowman. Sein 1956 veröffentlichter Bericht „Die Besteigung des Rum Doodle“ ist 2013 erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.

Wenn in einem Gespräch als Antwort auf eine beliebige Frage „Zweiundvierzig“ genannt wird, dann haben wir es mit einem Fan von Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“ zu tun. Segler, die sich beim Essen über „Rindfleisch mit brauner Soße „beschweren oder bei jeder sich bietender Gelegenheit davon faseln, irgendetwas „könnte sich als nützlich erweisen“, beziehen sich auf das von ihnen verehrte Buch „Rätsel der Sandbank“ von Erskine Childers. Beides sind Kultbücher in gewissen Kreisen, die als Referenz in jeglicher Lebenslage herangezogn werden. Für Bergsteiger - zumindest in der englischsprachigen Welt genießt Bowmans „Rum Doodle“ einen vergleichbaren Status, was etwa dazu geführt hat, dass es seit 1966 in der Antarktis tatsächlich einen Mount Rumdoodle gibt, wo 153 Einwohner in einer Höhe von 153 leben sollen. Schuld daran sind australische Antarktisforscher und Fans von William E. Bowmans 1956 veröffentlichtem Roman. Auch die Betreiber eines Restaurants in Katmandu outeten sich schon als Anhänger dieses Bergsteigerbuches, als sie ihr Restaurant „Rum Doodle“ nannten.

Bergsteiger waren die Helden im 20. Jahrhundert als die letzten großen Entdecker, die die letzten weißen Flecken mit ihren Landesfarben schmückten. Berichte über Expeditionen wurden nicht nur von Fachleuten gelesen sondern auch von abenteuerlustigen Jugendlichen verschlungen. Oder eben von Menschen, die sich einfach von ihrer heimischen Couch in ferne Welten träumen wollten. Die Besteiger des Rum Doodle allerdings passen so gar nicht in das Schema der furchtlosen Helden: Da ist der ständig kranke Arzt, der Chefkletterer, der unter andauernder Trägheit leidet oder der Navigator, der noch nicht mal innerhalb von London eine Adresse ohne wochenlange Umwege erreichen kann. Und dann ist da natürlich noch der Expeditionsleiter, der hauptsächlich britisch ist, so wie auch die übrigen Gentlemen mit ihren Spleens eigentlich nur aus den vergangenen Zeiten des britischen Empire stammen können. Dass die Expedition unter den Voraussetzungen dann den falschen Gipfel angeht, ist dann fast zwangsläufig.

Mit „Die Besteigung des Rum Doodle“ hat Bowman eine Genreparodie geschrieben, die nicht nur Bergsteigern eine Menge Spaß bereiten kann. Auch wenn man - wie dies Bill Bryson in seinem Vorwort behauptet - sicherlich lustigere Bücher entdecken kann in der Welt: In seiner Absurdität und der niemals lauten Satire des Textes ist das ein Buch, was die oft pathetischen Reiseberichte seit dem 19. Jahrhundert auf die Schippe nimmt. Wenn man gegenwärtige Bergsteigerreportagen wie etwa Jon Krakauers „In eisige Höhen“ daneben legt, dann wünscht man sich schon fast diese vornehme Zurückhaltung zurück, die heute eher als Untugend angesehen wird.

Ein wenig Nostalgie, jede Menge Humor - und soviel britische Spleens, wie man sich nur vorstellen kann: Schön, dass man bei Rogner & Bernhard jetzt das Buch erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht hat!

William E. Bowman - Die Besteigung des Rum Doodle
Mit einem Vorwort von Bill Bryson
Aus dem Englischen von Wolfgang Colden
bearbeitet von Michael Hein
Verlag Rogner & Bernard
180 Seiten
€ 19,95
ISBN 978-3-95-403-010-1


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