Widerlicher Gossen-Journalismus begleitete uns durch diese Woche. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei die unbekannte „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich, die wohl hoffte, mit der Inszenierung eines Skandals für einen Moment aus ihrer Bedeutungslosigkeit hervortreten zu können. Für ihre durchsichtige und allzu plump aufgeführte Schmierenkomödie erhält sie den „Klodeckel des Tages“. Viel lieber hätte die offenbar von tief sitzendem ideologischen Hass auf politisch Andersdenkende zerfressene Schreibkraft den frisch gekürten Spitzenkandidaten der FDP für die Bundestagswahl, Rainer Brüderle, auf der Anklagebank gesehen, um ihrem wieder erstarkten Feindbild FDP und dessen Protagonisten so richtig einen mitzugeben. Das ging mächtig nach hinten los. Der „Stern“ war es übrigens auch, der gerade einmal vor zwei Monaten mit einer grottenschlecht recherchierten und im Anschluss von höchster Stelle der Bundestagsverwaltung zurückgewiesenen Geschichte versucht hatte, der FDP einen Verstoß gegen das Parteiengesetz anzudichten. Kleinlaut musste sich das Magazin seinerzeit den Fakten beugen und hat hoffentlich die zuständigen Journalisten intern dazu verdonnert, ein paar Vorlesungsstunden BWL zu besuchen, um von einfachsten Bilanzierungsvorschriften zumindest einmal gehört zu haben. Das könnte bei künftigen Wirtschaftsartikeln so manche Peinlichkeit ersparen. Aber zurück zu Frau Himmelreich. Diese ließ keine Zeit verstreichen, um unmittelbar nach der Kür Rainer Brüderles zum Spitzenmann für die Bundestagswahl mit einer Story an die Öffentlichkeit zu gehen, die sich vor einem Jahr abgespielt haben soll. Dabei geht es um eine angebliche Belästigung durch Herrn Brüderle bei einem lockeren inoffiziellen Plausch an einer Hotelbar. Eine zotige Bemerkung hat sie aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht, doch Frau Himmelreich hat es offenbar geschafft, im vergangenen Jahr irgendwie mit dem für sie vermeintlich so traumatischen Erlebnis klarzukommen. Umso unverständlicher war, dass sie damit nun an die Öffentlichkeit drängte. Die nachgereichte Begründung war von erschreckender Klarheit: Sie habe es jetzt getan, weil Rainer Brüderle vor einem Jahr nicht bedeutend genug gewesen sei, gab sie sinngemäß im Deutschlandfunk zu Protokoll. Welches Berufsverständnis liegt dem Wunsch zugrunde, missliebige Politiker in dem Moment zu kompromittieren, in dem man hofft, ihnen den größten Schaden zufügen zu können? Wie tief ist der „Stern“ schon gesunken? Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Journalisten über nahezu jede in der Öffentlichkeit stehende Person Dinge in der Schublade haben, die in der Regel auch dort bleiben. So ist das ungeschriebene Gesetz der Branche. Man kann das gut finden, oder nicht. Fakt ist: Der „Fall Himmelreich“ ist in seiner Heimtücke ein echter Tabubruch und steht exemplarisch für eine Presse, die sich mit der zunehmenden Hinwendung zum Boulevard verzweifelt erodierenden Auflagen und einem schleichenden Bedeutungsverlust entgegenzustellen versucht. Auflage geht oft vor Anstand und Quote vor Qualität. Sieht so der „öffentliche Auftrag“ der Presse aus?
Lesen Sie hierzu auch: Wie viel Herrenwitz darf sein? (RP ONLINE, 25.01.2013)
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