Der sicherste Ort, den es für mich gibt, ist in mir drinnen, tief in mir drinnen – so tief, dass ich ihn zuweilen aus den Augen verliere und so lebe, als gäbe es ihn nicht. Ich bin dann ein Heimatloser in einer mir fremden Welt, ausgesetzt auf einem unbekannten Planeten und ohne Schutz vor Stürmen und all den anderen Zumutungen des Lebens. Doch dann erinnere ich mich wieder an diesen sturmsicheren Ort und weiss augenblicklich, dass alles gut wird.
Schon als Kind wusste ich von diesem Ort. Er fühlte sich damals an wie ein grosser, geräumiger Raum in mir drinnen, über dessen Dimension ich mir nicht sicher war. Nicht ausgeschlossen, dass dieser Seelenraum so weit war wie das Weltall selbst – oder noch weiter. Und es war dort still, so überwältigend still wie nirgendwo sonst. Nicht eine leere Stille war das, nicht die Abwesenheit von Lärm. Vielmehr war da ein erfülltes, tröstliches Schweigen, ein Seelenfrieden, wie ihn das kleine Kind erfassen mag, wenn es nach langen Entbehrungen den stillen Atem seiner Mutter am Ohr verspürt. Das Tosen der Welt erschöpft sich in diesem Schweigen. Auch emotionale Stürme, Ängste, Leidenschaften, Trauer verklingen in dieser weiten Stille, verblassen zu abstrakten Begriffen. Wenn Begriffe dort überhaupt eine Bedeutung haben.
Noch jedesmal, wenn ich in tiefer Not war, öffnete sich dieser Raum wie von selbst und die Not wurde gelindert – oder sie verlor ihren Schrecken angesichts der sich öffnenden Weite. Ganz gleich, was dann äusserlich auch geschehen mochte, ich nahm es eher verwundert zur Kenntnis, als dass es mich wirklich betraf.
Der sicherste Ort, den ich kenne, ist in mir drinnen. Dort ist meine Zuflucht, meine Heimat.
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