Der Schrott, der unsere Zukunft ist

oder Die obsolete Ökonomie.
Und nun sollte es um die »geplante Obsoleszenz« gehen. Die Radioansagerin war ganz stolz, weil sie dieses schwere Wort so schön ausgesprochen hatte und weil sie sogar wusste, was es bedeutet. Es lebe »Wikipedia«! Gemeint sei nämlich der »geplante Verschleiß«, sagte sie. Dem wolle jetzt der »Deutsche Naturschutzring« ein Ende bereiten und er bat daher die Bundesregierung zu handeln.

Der Schrott, der unsere Zukunft ist

Quelle: dpa

Dazu schaltete hr1 einen Typen vom Naturschutzring zu, der los werden durfte, was sein Verein der Bundesregierung rate. Ein Gesetz sollte her, dass es verbiete, die Lebensdauer zu begrenzen. Das sei ja auch vernünftig, sagte die Moderatorin. Wegen Umweltschutz und so. Und unfair gegenüber dem Kunden sei es ja auch. Der Naturschutzringler machte immer »Mhm, Mhm«, bei allem, was die Frau so erzählte. Das war fast wie ein störendes Rauschen im Hintergrund. Als habe hr1 eben die geplante Obsoleszenz erreicht und krächzte sich jetzt auf den Schrottplatz. »Aber warum handelt die Politik denn dann eigentlich nicht?«, fragte sie den Experten. »Ja, warum handelt sie nicht?«, wiederholte er brav und sagte dann, dass sich die Politik eben mit der Wirtschaft nicht anlegen wolle.

Logisch irgendwie. Aber exakt diese Antwort halte ich für viel zu kurz gedacht. Klar, die Bundesregierungen der letzten Jahre sind nicht gerade bekannt dafür geworden, sich mit der Wirtschaft zanken zu wollen. Aber der Begrenzung der Lebensdauer von (Elektro-)Geräten will man nicht ans Leder, weil das die Quelle der Wertschöpfung ist. Wenn nichts mehr kaputt geht, wenn plötzlich nachhaltige Produkte entstehen, die ewig halten, dann versündigt man sich am heiligen Wachstum, am Motor der kapitalistischen Wertschöpfungskette. Man kann ja heute keine Volkswirtschaft mehr erobern und folglich mit Geräten fluten. Die Weltkarte des Kapitalismus hat keine weißen Flecken mehr. Aber man kann die Volkswirtschaft, die man zufällig gerade hat, im Rahmen des Ablaufs gesetzlicher Garantiefristen mit Produkten fluten, die man sich neu zulegen muss, weil die alten Teile den Geist aufgegeben haben.
Eine Gesetzesinitiative, die die Dauer der Unverwüstlichkeit verdoppelt und die über die Erhöhung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen erwirkt wird, wäre aus vielen vernünftigen Aspekten sinnvoll und wäre durchaus ein Fortschritt - aber die Forderung geht an die Substanz des gesamten Systems. Denn sie legt Unternehmen nahe, das eigene Aufblähen, Anwachsen, Expandieren, Maximieren, »immer höher, immer weiter« als systemischen, als immanenten Leitgedanken der Wirtschaftstretmühle abzulegen. Das wäre ja der Anfang vom Ende einer Wirtschaft, die als einzigen Zweck nur die Profitmaximierung, die beständige Bedürfniserzeugung und die Sicherstellung von Folgeaufträge kennt. Wenn Waren für den Massenabsatz nicht mehr fragil sind, dann kommt der ganze Mechanismus ins Ungleichgewicht und die Ordnung gerät aus den Fugen. Naturschutzring, du alter Sozialist!
Als mit Jahresanfang 2002 die Gewährleistungsfristen verlängert wurde, hat sich die Wirtschaft im Vorfeld nicht etwa aufgeregt, weil sie keine Produkte herstellen könnte, die längerfristig haltbar wären. Man hat ihr einen Markt genommen. Hat den Geldhahn zugedreht. Das perfekte Elektroteil ist doch eines, das kurz nach der Garantiefrist den Geist aufgibt. Und das war der Wirtschaft vor 2002 nach einem Jahr natürlich lieber als jetzt, wo man ganze zwei Jahre warten muss. Eine weitere Erhöhung auf vier Jahre, das würde die Wirtschaft nicht überstehen. Nein, sie ginge nicht pleite. Sie würde sich nur derart ärgern, dass sie einen Herzinfarkt erleiden würde. Mit Kurzlebigkeit verdient die Schrottökonomie ihr Geld. Nicht mit Langfristigkeit. Kurzfristigkeit ist systemkonform. Nachhaltigkeit ist kein systemimmanenter Wert. Ist nur ein Fremdkörper. Kurzfristig verdient man sein Geld. Langfristig sind wir alle tot.
Deshalb hat die Politik kein Interesse an einer nachhaltigen Ausrichtung des Konsums. Da geht es ans Eingemachte. An den Stoff, der dieses System ausmacht. Der Schrottplatz ist in dieser Ökonomie kein Ort, der Sorgen bereitet, weil sich dort die Berge immer höher türmen, sondern der Ort der Hoffnung, die Kirche des »Weiter so!«, in der Lieder auf den Wohlstand gesungen werden. Gebirge von Elektroschrott bringen das System zum Singen. Am Schrott wachsen wir. Nicht als Menschen. Nicht als Gesellschaft. Als Konsumenten. Als Einnahmequelle für Konzerne. Der Schrottplatz - das ist die Zukunft. Das System ist Schrott, macht Schrott, verschrottet Demokratie, Teilhabe und jeden guten Ansatz.

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