Der Qualtinger und ich
Zu seinem 25. Todestag überstürzen sich plötzlich die Lobeshymnen auf einen der ehedem verhasstesten Kabaretisten Österreichs.
http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Qualtinger
http://othes.univie.ac.at/36/1/Diplomarbeit.pdf
Für die wenigen, die seinen (und Carl Merz) "Herrn Karl" nicht kennen: http://www.youtube.com/watch?v=G0p29_cfdQw http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Herr_Karl
Aber da war so viel mehr, dass es mir schwer fällt, "meinen Lieblingstext" zu nennen. Ich weiß nur: Als ich als Heranwachsender seine Bücher las, fand ich die "Sauerbruch Operette" als nur mäßig originell. Als ich sie einmal vom Meister persönlich interpretiert sehen konnte (TV Übertragung aus Hamburg), war mir klar, welch ein genialer "Menschenimitator" er wirklich war. Das scheint niemand hochgeladen haben, als Ersatz sein Tiroler Hüttenwirt:
http://www.youtube.com/watch?v=6oe46xScjjM
oder wie er HC Artmann interpretiert: http://www.youtube.com/watch?v=LbJQQAE-I50
Wenn da offenbar jeder entweder Qualtingers bester Freund oder "Schüler" war (siehe Hellers TV Doku), kann auch ich nicht länger schweigen.
Auswendig konnte ich den Herrn Karl schon im Gymnasium, jedoch behauptet das auch jeder zweite, also folgende Anekdoten:
Begegnet bin ich Qualtinger persönlich im Cafe Engländer vor dem Pissoir. Wer das Lokal gegenüber des Simpl kennt, weiß, dass dessen Pissoir sehr schmal war, so dass ich ihm den Vortritt gelassen habe. Beide hätten wir keinen Platz gehabt. Er hat sich nicht bedankt, ich habe ihm nicht gesagt, wie sehr ich ihn verehre. Eine verpasste Chance.
Dass Qualtinger durch seinen Alkoholkonsum ein massives Leberproblem hatte, ist allgemein bekannt. In meiner Zeit als Internist erzählte mir einmal eine junge Diätassistentin (aus Kärnten, sei zu ihrer Entschuldigung erwähnt!), dass sie einen ihr unbekannten Herrn Qualtinger beraten musste. Auch die Notwendigkeit der Alkoholkarenz wurde sehr freundlich und einsichtig von ihm zur Kenntnis genommen. Ein angenehmer Patient eben. Später hat man ihr dann erklärt, wer der Herr eigentlich war. Wie wir wissen, hat Qualtinger die Diätratschläge nicht befolgt, noch eine verpasste Chance.
Wenn in der Wiki steht "Im Alter von 57 Jahren starb Qualtinger am 29. September 1986 in seiner Geburtsstadt Wien an seinem Leberleiden, welches sich vermutlich durch seinen Alkoholismus verstärkt hatte." ist das ziemlich nahe an der Wahrheit. Auslöser war, wie fast immer in diesen Fällen, eine massive Blutung seiner Speiseröhrenvarizen und ein Leberkoma.
Noch einmal kam ich Qualtinger sehr nahe, als er nämlich komatös auf der Intensivstation lag. Ein mächtiger Körper, ein wallender Bart, der sich auf seinem riesigen Bauch ausbreitete. Dann fiel das Leintuch rasch ab und unten ragten nur zwei dürre Beine hervor, die so gar nicht zu diesem mächtigen Beginn passten. Auch nun konnte ich ihm nicht mehr sagen, dass auch ich einer seiner Verehrer war. Die Kommunikationsmöglichkeiten im Koma sind gering. Wenige Tage später war er tot. Die vorletzte verpasste Chance.
Nun werde ich die letzte Chance wahrnehmen. Ich war nie Schüler oder Freund Qualtingers. Wir haben nie ein Wort gewechselt und ich bezweifle, dass er sich zu Lebzeiten an unsere wenigen persönlichen Begegnungen erinnert hätte, aber er ist für mich einer der bedeutendsten Gesamtkünstler unseres Landes.