Der Protestplanet

Die Empörung über unhaltbare politische Zustände treibt weltweit immer mehr Menschen auf die Straße. Doch ob Athen, Madrid, Istanbul oder Rio, den Aufständen fehlt eine gemeinsame Stoßrichtung. Daher werden sie auf Dauer nichts bewirken können und im Sande verlaufen. Dennoch gibt es eine Chance auf Veränderung

Weltkarte der Unruhen 2013

Unruhen weltweit, die Menschen gehen auf die Straße

In Tunesien, Ägypten, Griechenland, Portugal, Spanien, Frankfurt, Großbritannien, Frankreich, Israel, den USA, Brasilien und der Türkei kam es zu Massenprotesten und Ausschreitungen. Desweiteren, wenn auch weniger bekannt, in Bahrain, Algerien, Dschibuti, dem Irak, dem Jemen, in Jordanien, Kuwait, Marokko, Mauretanien, dem Oman, Saudi Arabien, Malawi und sogar in China. Nicht selten werden diese Proteste wie in Libyen und Syrien von außen gesteuert. Viele entzünden sich jedoch spontan. Was ist eigentlich gerade los auf diesem Planeten? Und warum ausgerechnet jetzt?

Derzeit treffen neben vielen weiteren vor allem zwei Ereignisse aufeinander. Einerseits die geopolitische Entwicklung, der die einzelnen Staaten Rechnung tragen müssen, andererseits die sprunghafte Fortentwicklung des Internets und damit auch der sozialen Netzwerke. Dadurch verbreiten sich Nachrichten im Sekundentakt über die Erde. Während der brutalen Zerschlagung der Proteste auf dem Taksimplatz gingen auf Twitter ca. 50 Meldungen pro Minute online. Informationen zuhauf, ergänzt durch Bilder und Videos. Und doch ohne wirkliche Wirkung, denn es war klar, dass all das Entsetzen, all der Zorn, der sich in den Meldungen widerspiegelte, dennoch vor einer simplen Tatsache kapitulieren musste. Es war die Polizei, die agierte. Die Demonstranten mit all ihren weltweiten Sympathisanten konnten lediglich reagieren und lagen somit stets einen Schritt hinter den behelmten Angreifern zurück.

Denn sie wissen nicht, was sie wollen

Vielmehr begnügen sich die protestierenden Massen damit, zu wissen, was sie nicht wollen. Immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nun jedoch gilt es, gemeinsame Ziele zu artikulieren, um den Protesten eine Stoßrichtung zu verleihen. Zum Beispiel partizipative Demokratie, weltweit. „Ohne revolutionäre Ideologie gibt es keine revolutionäre Aktion.“ Das wusste schon Lenin. Mit anderen Worten, ohne eine gemeinsame Marschroute kann sich keine gemeinsame Mobilisierungskraft entfalten. Sollen die derzeitigen globalen Proteststürme die Vorboten von etwas bedeutend größerem werden, dann müssen wir uns langsam Gedanken darüber machen, was wir wollen. Wie sähe eine Zukunft aus, wie wir sie wirklich wollen? Wünschen allein genügt nicht, denn es verändert nichts.

Der große Boykott

Nach dem Untergang der Exxon Valdes im März 1989, deren Ölladung dabei weite Teile der Küstenlinie Alaskas verseuchte, knickten die Essopreise empfindlich ein. Die schockierten Fernsehzuschauer stiegen vermehrt auf BP und Aral um. Als die Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexika havarierte, traf BP dasselbe Schicksal. Nachdem sich die Verbraucher gegen den Kauf des neuen Superbenzins E10 entschieden hatten, kommen nun auf die Mineralölkonzerne Strafzahlungen zu in Höhe von vielen hundert Millionen Dollar. Ausgerechnet das schwächste Glied in der Kette, der kleine Endverbraucher, hat das stärkste Glied der Kette, die Großkonzerne, empfindlich getroffen und dies dabei noch nicht einmal bewusst registriert. Kunden werden vom Großkapital prinzipiell als Dummvieh betrachtet. Schütteln sie hingegen den Kopf, werden sie plötzlich zum König. Und wenn irgendwelche Schwachköpfe auf die Idee kommen, Getreidenahrung in Ethanol zu verwandeln, um es gemeinsam mit Benzin als E10 durch den Auspuff zu jagen, dann ist Kopfschütteln bei den meisten Menschen die logische Folge.

ColaboycottGehen Sie heute doch einmal im echten Hermelin durch Ihre Stadt und schreiben Sie auf, was Sie alles zu hören bekommen. Da ließe sich durchaus ein spannendes Adventurgame draus stricken, Extrempelzing. Kauft irgendwer außerhalb Japans noch Walprodukte? Dies zeigt die offene Flanke jener, die uns 99 Prozent ständig flächendeckend den Alltag versauen. Sie brauchen unser Geld, um weitermachen zu können. Sie reden Klartext, wenn sie behaupten, sie wollen unser Bestes. Wir müssen es ihnen aber nicht geben. Damit kommt sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter eine ganz neue Bedeutung zu. Man kann sich dort, wie bisher, zu Protestmärschen absprechen. Aber eben auch, völlig legal und frei von Polizeigewalt, zu Boykotten. Man stelle sich vor, was alleine der Hashtag #niewiedercocacola oder #neveragaincocacola weltweit anrichten könnte, wenn genügend Teilnehmer dabei sind und diesen Boykott auch durchziehen. So könnte man effizient ganze Geldströme austrocknen oder umleiten, die sonst zu unserer Unterdrückung verwendet würden.

Man könnte gemeinsam auch Schnüffelprogramme wie PRISM und Tempora empfindlich stören. Vorausgesetzt es machen so viele Menschen mit, dass einzelne Ziele für Geheimdienste uninteressant werden. Zum Beispiel durch die Plattform ‘Hello NSA‘. Dort treffen Sie auf eine Phrasendreschmaschine, die unter inflationärer Verwendung von entsprechenden Reizwörten komplett sinnlose Sätze bildet und so die Suchalgorhythmen der NSA mit unnützem Datenmüll flutet. Das Department For Homeland Security war so nett, dafür eine geeignete Liste von 370 Suchbegriffen zur Verfügung zu stellen. Allerdings sollten sich alle Teilnehmer darüber sicher und einig sein, dass sie zahlreich genug sind um eine kritische Masse zu repräsentieren. Nicht nur wir mögen es nicht, verarscht zu werden. Und in den Fluren von FBI und NSA tun sich kriminelle Abgründe auf, die sich nur wenige vorstellen können.

Es gäbe noch weitere Möglichkeiten, durch gemeinsame Absprachen im Social Web Wirkung zu erzielen. Beispielsweise könnten alle von einem Girokonto umsteigen auf ein reines Guthabenkonto. Schluss mit 17 Prozent Zinsen an eine Bank, die sich ihr Geld von der europäischen Zentralbank für 1 Prozent Zinsen leiht. Anstatt die paar Euronen auf dem Konto liegen zu lassen, könnten auch alle am Monatsersten das gesamte Einkommen auf einmal abheben und dann zuhause verwalten. Schlecht für Banken. Möglichst nur noch Barzahlungen. Keine Überweisungen, keine Schecks. Wozu Gebühren bezahlen für etwas, was mir ohnehin schon gehört? Gebühren, die den Banken fehlen würden.

Die niederländische DSB- Privatbank hatte 2009 einen großen Teil ihrer etwa 400.000 Kunden verägert, weil sie sich von ihnen ihre Hausbaukredite mit völlig überteuerten Lebensversicherungen obligat absichern ließ. Im Oktober dann kam der große Boykottaufruf an alle Kunden, ihre Gelder komplett abzuziehen. Zwei Wochen später war die Bank pleite und musste abgewickelt werden. Wenn genügend Betroffene gemeinsam an einem Strang ziehen, dann können sie alles erreichen. Sie müssen es nur tun, sonst nützen die sozialen Netzwerke nur jenen Kräften, die uns anhand dieser Technologie überwachen.

Quellennachweis und weiterführende Links:


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