Der Panikmacher


Necla Kelek traf Patrick Bahners, und vorm Frankfurter Haus am Dom standen die Leute gestern Schlange: “Panikmache oder Multi-Kulti-Irrtum?” Um Multi-Kulti ging es nicht, es ging “um nichts Geringeres als die Deutungsmacht über den Islam und über das Verhältnis von Religion und Demokratie,” so der moderierende Politikredakteur Ilja Tüchter. Bahners, Feuilleton-Chef der FAZ, greift in seinem Buch “Die Panikmacher” die FAZ-Autorin Kelek an, weil sie den Islam kritisiert.

Kelek, dunkle Lockenmähne, rotes Kleid, lebhafte Mimik und Gestik, erinnerte an den Aufstand in der arabischen Welt und dass beispielsweise in Ägypten die Scharia auch Teil der neuen Verfassung geworden ist. Frauen würden trotz ihrer Beteiligung am Aufstand weiterhin ihrer Menschenrechte beraubt. Und an der Lage der Frau lasse sich der Grad der Freiheit in einer Gesellschaft erkennen.

Sie wolle in ihren Veröffentlichungen keine Angst machen, sie verweise lediglich auf die spezifischen Probleme einer ethnischen Gruppe: Seit ihrer Promotion 2001 wäre die Frage, wie türkische Muslime verheiratet würden, ihr roter Faden. Denn der Islam sei nicht nur ein Glaube, sondern auch ein alltagsprägender sozialer Verhaltenskodex mit einem anderen Menschenbild als in aufgeklärten Gesellschaften. Kritik am Islam sei heute notwendig und habe dazu beigetragen, dass wir in der Integrationsdebatte vorangekommen seien. Heute gebe es Deutschkurse, das Gesetz gegen Zwangsheirat, die Imamausbildung, die Islamkonferenz, lauter wichtige Schritte zur Säkularisierung des Islam in Deutschland.

Als Muslima habe sie persönlich das Glück gehabt, sich ihren Glauben selber erwählen zu können, weil sie in einem demokratischen Rechtsstaat mit Religionsfreiheit lebe. Sie wünsche sich, dass der Islam Teil der europäischen Wertegemeinschaft werde, in dem der Einzelne den Schutz des Rechtsstaats genieße und jeder glauben können, was und wie er wolle. Die Eine dürfe glauben, der Koran sei vom Himmel gefallen, die Andere dürfe erforschen, welcher Mensch den Koran verfasst habe. Mit Bahners gebe es eigentlich keine Kontroverse, sein Thema sei anscheinend die Spiritualität, ihres der politische Islam und seine Auswirkungen auf den Alltag.

Was Bahners umtreibt, war bei diesem Streitgespräch nicht recht zu verstehen, so widersprüchlich waren seine oft unfertigen Schachtelsätze, so polemisch seine Behauptungen. Er stellte beispielsweise die These auf, Islamkritik habe den Islam seit Anbeginn begleitet, sonst wären nicht so viele gebildete Christen zum Islam konvertiert. In seinem Buch beschäftige er sich mit “der organisierten kritischen Beschäftigung mit dem Islam” – betrieben von Menschen wie Sarrazin, Broder oder eben Kelek. Zwar gebe es einen terroristischen Arm des politischen Islam, aber Kelek mache den Islam zum “Generalschlüssel” für Integrationsdefizite, egal, ob einer Bomben lege oder bloß in der Schule nicht klarkomme.

Er sehe den Islam aber nur im Iran politisch wirksam, nicht im Alltag der Muslime in Deutschland. Die meisten wollten einfach friedlich hier leben. Dank Keleks “Zwangsaufklärung” stehe es nun schlecht um die Freiheit der kopftuchtragenden frommen Musliminnen. Gesetze gegen das Tragen von Kopftüchern im Schuldienst verstießen gegen sein Verständnis einer liberalen Gesellschaft, und sollten wir es wirklich zulassen, dass der Staat im Interesse des Kindeswohls eingreift, wenn Eltern ihre Mädchen mit Kopftuch in die Schule schicken? Wenn Keleks Islam-Kritik konsequent wirksam würde, wäre die “Religionsfreiheit in der deutschen Tradition” bedroht. Was würde etwa aus der – von der öffentlichen Hand üppig finanzierten – karitativen Arbeit der Kirchen?

Besonders bezeichnend für seine Haltung schien mir seine Behauptung, die christliche Theologie sei die “Agentur der Selbstaufklärung und der Aufklärung der Menschen” gewesen. Da sprach einer, der vom säkularen Rechtsstaat nicht viel zu halten scheint. Bahner als der Sarrazin des konservativen, kirchlich orientierten Juste milieu? Mit seiner verklemmten Körperhaltung und seiner rabulistischen Rhetorik wäre er vor einigen Generationen als Seminarist nicht weiter aufgefallen und hätte es wahrscheinlich weit gebracht im System einer der Kirchen, vielleicht weiter als bei der FAZ. Warum sonst bekommt er Panik, wenn eine Frau einer Religion, der ihren, mangelnde Demokratietauglichkeit attestiert? Weil auch die seine diesen Makel trägt?

Wird Kelek weiterhin in der FAZ publizieren dürfen, fragte jemand aus dem Publikum, denn u.a. ihre Artikel dort hatten ihr die Deutungsmacht verliehen, die ihr nun angekreidet wird: Wir dürfen gespannt sein!

dom03 dom04 dom05

wallpaper-1019588
5 Dinge, die du als Trailrunning-Anfänger wissen solltest
wallpaper-1019588
Kalorienarme Lebensmittel: Top-Auswahl für Ihre Diät
wallpaper-1019588
Kalorienarme Lebensmittel: Top-Auswahl für Ihre Diät
wallpaper-1019588
#1492 [Review] Manga ~ Dein Verlangen gehört mir