Für einige Wochen ging ein Gespenst um im deutschen Feuilleton: Es war das Gespenst Greta Thunbergs. Eine 16jährige versetzte gestandene Leitende Redakteure in komplette Panik vor der kommenden Revolution. Bald keine Dienstwagen-Limousine mehr, keine Kurzurlaube in Monaco 1. Klasse, und eventuell muss sogar die Luxus-Edition des Weber-Gasgrills auf der Terrasse vor dem (gedämmten!) Bürgerpalast im beschaulichen Vorort künftig Gemüse grillen. Schauderhaft. Die beinahe existenzielle Furcht, die das schwedische Mädchen in das Blätterrauschen brachte, hat nun ihre Entsprechung auf der Rechten gefunden. Wir haben ein Symbol all dessen, vor dem sich Klimaschützer aller Couleur fürchten dürften: Jemanden, der aktiv Ökozid begeht, der Umwelt und Klima nicht trotz, sondern wegen der Folgen schädigt. Dem Sujet entsprechend ist sie weder jung noch Mädchen, sondern mittleren Alters, männlich und hoch aggressiv. Es geht um den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Dieser gewann kürzlich unter aufsehenserregenden Umständen die Präsidentschaftswahl in Brasilien. Zusammen mit dem philippinische Massenmörder Rodrigo Duterte gilt Bolsonaro als der Trump seines jeweiligen Landes: Voller Aggression, populistisch bis zum Anschlag, rücksichtslos, brillanter Mobilisierer und von einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber bestehendem Recht und Normen geprägt. Bolsonaro verdankte seine Wahl einem Bündnis traditionell konservativer Interessengruppen, die glaubten, in dem ungehobelten und über die Stränge schlagenden Populisten ein willfähriges Werkzeug gegen die verhassten progressiven Gegner zu finden. In Brasilien waren dies, wie so oft, vor allem die Landwirtschaftsverbände, denen die indigene Bevölkerung und die Umweltschützer gleichermaßen ebenso ein Dorn im Auge sind wie all jene Kräfte, die Brasiliens Weg in eine moderne Volkswirtschaft und offene Gesellschaft fortsetzen möchten.
Bislang fiel Bolsonaro vor allem durch seine Liebe zu Schusswaffen und seinen Hang zur Gewalt auf, die selbst die absurdesten Bekenntnisse amerikanischer Rechtsradikaler in den Schatten stellt und nur in Dutertes mörderischem Treiben eine Steigerung findet. Seine Anhänger ziehen mit vollautomatischen Sturmgewehren durch die Straßen und feuern diese - natürlich nur zur Bekundung ihrer patriotischen Unterstützung des Präsidenten, nicht um politische Gegner zu bedrohen - in die Luft und posieren in Stadtvierteln der Opposition, während die Polizei angewiesen ist, sie gewähren zu lassen. Gleichzeitig spieh der Präsident bei jeder seiner Reden sexistische, rassistische und nationalistische Tiraden übelster Machart ins Mikrofon. Kurz: Es war eine Ekel-Show.
Wie sich nun zeigt, war das nur der sichtbarste Teil, quasi die Fassade. Wie aus der Plattform "DemocracyNow" geleakten Dokumenten hervorgeht, hat die Bolsonaro-Regierung ihre Dienststellen angewiesen, eine Reihe von riesigen Bauprojekten im Amazonas (die so genannte "Triple-A") voranzutreiben und dabei Umweltschutzbewegungen als Hauptgegner ausgemacht. Gegen diese hat sie die komplette Staatsmacht mobilisiert. Eine der Hauptstrategien der Regierung besteht im Legen von Bränden: über 72.000 Brände hat man allein dieses Jahr gezählt. Die brasilianische Weltraumbehörde bekam von Bolsonaro einen Maulkorb, nachdem sie vor den verheerenden Folgen dieser Brände warnte - eine Parallele zu dem Verhalten konservativer Regierungen in den USA, die die NASA davon abhalten, Informationen über den Klimawandel zu sammeln und solche Informationen die sie bereits haben zu teilen.
Die Brände entsprechen zwar der sinnlosen Zerstörungslust Bolsonaros; in seinen Wahlkämpfen titulierte er sich selbst als "Mr. Kettensäge" und ging mit der Forderung hausieren, so viel Wald wie möglich niederzuholzen. Sie haben aber auch eine wirtschaftliche Funktion: es geht um die Gewinnung von Flächen für Ackerbau und Viehwirtschaft. Daher auch Bolsonaros enge Beziehung zur Agrarlobby, die seine gewalttätige Politik decken: Für die ist jetzt, wie aus den geleakten Dokumenten hervorgeht, Zahltag.
Die Brände werden dabei auch rücksichtslos in Reservate gelegt, um die dortigen Einheimischen zur Flucht zu zwingen. Ihr eigentlicher Zweck ist es, das Unterholz abzubrennen um die Flächen nutzbar zu machen, das aber eine kritische Rolle für die Ökologie des gesamten Kreislaufs spielt, wie der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer beschreibt:
Bolsonaro stellt dabei nur den logischen Endpunkt einer Entwicklung der Rechtspopulisten dar, die ebenfalls seit 2017 in den USA zu beobachten ist. Trump setzte - wie Bolsonora - aktive Klimawandelleugner ins Umweltministerium, er hob - wie Bolsonaro - Umweltschutzbestimmungen im Dutzend billiger auf, er trieb - wie Bolsonaro - die von mächtigen Spendern geforderte Erschließung von Ressourcen in Naturschutzgebieten voran. Begleitet wird all das von einer aggressiven Attitüde rechtsradikaler identity politics.
Anders als bei den Konservativen und Liberalen Europas sind Schädigungen von Klima und Umwelt kein bedauerliches Nebenprodukt wirtschaftlicher Tätigkeit; sie sind ein aktives Ziel. Diese Leute begehen Ökozid am gesamten Planeten. Wären sie nicht die Oberhäupter von Staaten, müsste man sie Ökoterroristen nennen. Aus Berlin kommt dazu vor allem - dröhnendes Schweigen. Das einzige westliche Staatsoberhaupt, das sich von Anfang an emphatisch gegen Bolsonaros Ökozid stellte, ist Emmanuel Macron, der die internationale Gemeinschaft (bislang vergeblich) zum Handeln aufforderte.
Dabei ist es nicht so, als wäre solches Handeln nicht möglich. Bolsonaro ist extrem abhängig von Exportmärkten für die Agrarprodukte Brasiliens, deren Herstellung er durch seinen Ökozid zu steigern hofft. Würde die EU ihre Märkte dafür schließen - was sie unter der bestehenden Rechtslage tun könnte - würde sie ein mächtiges Signal setzen. Auch finanziell ist Bolsonaro auf Investitionen in seine megalomanischen Bauprojekte angewiesen.
Genozidale Massenmörder finden üblicherweise keine Aufnahme am Tisch der internationalen Gemeinschaft. Es wird Zeit, dass das selbe für ökozidale Täter ebenso gilt. Bolsonaro ist der erste Testfall, eine bis in die Karikatur überzeichnete Version eines Rechtspopulisten. Wer hier schweigt, macht sich gemein.
Dieser gewann kürzlich unter aufsehenserregenden Umständen die Präsidentschaftswahl in Brasilien. Zusammen mit dem philippinische Massenmörder Rodrigo Duterte gilt Bolsonaro als der Trump seines jeweiligen Landes: Voller Aggression, populistisch bis zum Anschlag, rücksichtslos, brillanter Mobilisierer und von einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber bestehendem Recht und Normen geprägt. Bolsonaro verdankte seine Wahl einem Bündnis traditionell konservativer Interessengruppen, die glaubten, in dem ungehobelten und über die Stränge schlagenden Populisten ein willfähriges Werkzeug gegen die verhassten progressiven Gegner zu finden. In Brasilien waren dies, wie so oft, vor allem die Landwirtschaftsverbände, denen die indigene Bevölkerung und die Umweltschützer gleichermaßen ebenso ein Dorn im Auge sind wie all jene Kräfte, die Brasiliens Weg in eine moderne Volkswirtschaft und offene Gesellschaft fortsetzen möchten.
Bislang fiel Bolsonaro vor allem durch seine Liebe zu Schusswaffen und seinen Hang zur Gewalt auf, die selbst die absurdesten Bekenntnisse amerikanischer Rechtsradikaler in den Schatten stellt und nur in Dutertes mörderischem Treiben eine Steigerung findet. Seine Anhänger ziehen mit vollautomatischen Sturmgewehren durch die Straßen und feuern diese - natürlich nur zur Bekundung ihrer patriotischen Unterstützung des Präsidenten, nicht um politische Gegner zu bedrohen - in die Luft und posieren in Stadtvierteln der Opposition, während die Polizei angewiesen ist, sie gewähren zu lassen. Gleichzeitig spieh der Präsident bei jeder seiner Reden sexistische, rassistische und nationalistische Tiraden übelster Machart ins Mikrofon. Kurz: Es war eine Ekel-Show.
Wie sich nun zeigt, war das nur der sichtbarste Teil, quasi die Fassade. Wie aus der Plattform "DemocracyNow" geleakten Dokumenten hervorgeht, hat die Bolsonaro-Regierung ihre Dienststellen angewiesen, eine Reihe von riesigen Bauprojekten im Amazonas (die so genannte "Triple-A") voranzutreiben und dabei Umweltschutzbewegungen als Hauptgegner ausgemacht. Gegen diese hat sie die komplette Staatsmacht mobilisiert. Eine der Hauptstrategien der Regierung besteht im Legen von Bränden: über 72.000 Brände hat man allein dieses Jahr gezählt. Die brasilianische Weltraumbehörde bekam von Bolsonaro einen Maulkorb, nachdem sie vor den verheerenden Folgen dieser Brände warnte - eine Parallele zu dem Verhalten konservativer Regierungen in den USA, die die NASA davon abhalten, Informationen über den Klimawandel zu sammeln und solche Informationen die sie bereits haben zu teilen.
Die Brände entsprechen zwar der sinnlosen Zerstörungslust Bolsonaros; in seinen Wahlkämpfen titulierte er sich selbst als "Mr. Kettensäge" und ging mit der Forderung hausieren, so viel Wald wie möglich niederzuholzen. Sie haben aber auch eine wirtschaftliche Funktion: es geht um die Gewinnung von Flächen für Ackerbau und Viehwirtschaft. Daher auch Bolsonaros enge Beziehung zur Agrarlobby, die seine gewalttätige Politik decken: Für die ist jetzt, wie aus den geleakten Dokumenten hervorgeht, Zahltag.
Die Brände werden dabei auch rücksichtslos in Reservate gelegt, um die dortigen Einheimischen zur Flucht zu zwingen. Ihr eigentlicher Zweck ist es, das Unterholz abzubrennen um die Flächen nutzbar zu machen, das aber eine kritische Rolle für die Ökologie des gesamten Kreislaufs spielt, wie der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer beschreibt:
Das ist oft der Anfang vom Ende des Waldgebiets, denn schnell wachsende Gräser besiedeln die offene Fläche. Sie liefern nicht nur zusätzlichen Brennstoff für zukünftige Feuer, sie halten den Wald auch offen. Zuvor schon von Feuer betroffener, weniger dichter Wald brennt leichter und öfter, was wiederum benachbarten, noch ungeschädigten Primärwald bedroht. Die Gräser, die sich in geschädigte Waldflächen hineinfressen, sind aber nicht nur Opportunisten der Gegenwart – möglicherweise zeigen sie die nahe Zukunft großer Teile des Amazonasbeckens. Fachleute fürchten, dass der Wald bald auch ohne menschliche Mithilfe kollabiert.
Hintergrund dieser Sorge ist, dass der Regenwald nach Ansicht vieler Fachleute die Grundlage seiner eigenen Existenz überhaupt erst schafft: Nur dadurch, dass bereits Wald vorhanden ist, kann im Amazonas-Becken überhaupt Wald wachsen. Das klingt paradox, hat aber eine einfache Ursache. Analysen zeigen, dass die Region nur halb so viel Wasser aus den globalen Luftströmungen erhält, wie tatsächlich an Niederschlag fällt. Die andere Hälfte der Niederschläge erzeugt der Wald selbst. Der Wald speichert Wasser und lässt enorme Mengen davon verdunsten, die wiederum ein bisschen weiter westlich wieder abregnen – Isotopendaten zeigen, dass das Wasser von Ost nach West fünf bis sechs dieser Zyklen durchläuft.Bolsonaro folgt auch in anderer Hinsicht dem Trump'schen Handbuch: Erst verleugnete er die Existenz der Brände komplett, dann behauptete er einfach, dass dafür "internationale NGOs" von Umweltschützern verantwortlich seien. Auf Nachfrage weigerte er sich zu benennen, welche NGOs er denn meine. Diese offene, dreiste Art zu lügen ist ebenfalls aus den USA hinreichend bekannt. Es ist die ständige aggressive Forderung, ihn doch der Lüge zu bezichtigen - oder aber einzuknicken und sie neutral als "Aussage" in die Schlagzeilen zu hieven, eine Herausforderung, auf die die Medien immer noch keine Antwort gefunden haben.
Bolsonaro stellt dabei nur den logischen Endpunkt einer Entwicklung der Rechtspopulisten dar, die ebenfalls seit 2017 in den USA zu beobachten ist. Trump setzte - wie Bolsonora - aktive Klimawandelleugner ins Umweltministerium, er hob - wie Bolsonaro - Umweltschutzbestimmungen im Dutzend billiger auf, er trieb - wie Bolsonaro - die von mächtigen Spendern geforderte Erschließung von Ressourcen in Naturschutzgebieten voran. Begleitet wird all das von einer aggressiven Attitüde rechtsradikaler identity politics.
Anders als bei den Konservativen und Liberalen Europas sind Schädigungen von Klima und Umwelt kein bedauerliches Nebenprodukt wirtschaftlicher Tätigkeit; sie sind ein aktives Ziel. Diese Leute begehen Ökozid am gesamten Planeten. Wären sie nicht die Oberhäupter von Staaten, müsste man sie Ökoterroristen nennen. Aus Berlin kommt dazu vor allem - dröhnendes Schweigen. Das einzige westliche Staatsoberhaupt, das sich von Anfang an emphatisch gegen Bolsonaros Ökozid stellte, ist Emmanuel Macron, der die internationale Gemeinschaft (bislang vergeblich) zum Handeln aufforderte.
Dabei ist es nicht so, als wäre solches Handeln nicht möglich. Bolsonaro ist extrem abhängig von Exportmärkten für die Agrarprodukte Brasiliens, deren Herstellung er durch seinen Ökozid zu steigern hofft. Würde die EU ihre Märkte dafür schließen - was sie unter der bestehenden Rechtslage tun könnte - würde sie ein mächtiges Signal setzen. Auch finanziell ist Bolsonaro auf Investitionen in seine megalomanischen Bauprojekte angewiesen.
Genozidale Massenmörder finden üblicherweise keine Aufnahme am Tisch der internationalen Gemeinschaft. Es wird Zeit, dass das selbe für ökozidale Täter ebenso gilt. Bolsonaro ist der erste Testfall, eine bis in die Karikatur überzeichnete Version eines Rechtspopulisten. Wer hier schweigt, macht sich gemein.