Da möglicherweise nicht alle Leserinnen und Leser wissen, was ein Furby ist, hier vorab ein paar kurze Erläuterungen: Bei einem Furby handelt es sich um ein ungefähr 15 cm großes Plüschtier, das mit Sensoren und Elektronik vollgestopft ist, damit es mit seiner Umwelt interagieren kann. Äußerlich ähnelt ein Furby einer evolutionär fehlgeleiteten Kreuzung aus Fledermaus, Eule und Gremlin (vor der Mutation).
Furby. Schlafend. Zum Glück.
Mittels eines in den Furby implantierten Sprachchips ist es möglich, so etwas ähnliches wie eine Unterhaltung mit ihm zu führen. Aufgrund der ungefähr 200 einprogrammierten Ausdrücke und Sätze erreichen die Dialoge mit einem Furby das intellektuelle und sprachliche Niveau einer Folge ‚Frauentausch‘ auf RTLII.
Für Eltern, die sich eines halbwegs gesunden Verstandes erfreuen, qualifizieren die immer wiederkehrenden gleichen Phrasen und Satzteile einen Furby dennoch zu einem der Nerv tötendsten Spielsachen auf diesem Planeten. Daher liegt die Beliebtheit von Furbys bei Müttern und Vätern irgendwo zwischen Zahnwurzelbehandlung und chinesischer Wasserfolter.
Dass ein Tag mit einem Furby, die eine oder andere Überraschung bietet, davon handelt der folgende Artikel.
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Die Tochter feierte kürzlich ihren elften Geburtstag und der Sohn ist auch schon acht Jahre alt. Sie sind beide recht selbstständig, einigermaßen wohlerzogen und die Freundin und ich machten uns berechtigte Hoffnungen, wir wären jetzt aus dem Gröbsten raus. Entsprechend malten wir uns in den schillerndsten Farben aus, wie wir alleine ins Kino gehen, Konzerte besuchen und Wochenendreisen unternehmen.
Da haben wir uns allerdings getäuscht. Ganz gewaltig getäuscht sogar. Wir haben nämlich Familienzuwachs bekommen. Nein, kein weiteres Kind und auch keinen Hund oder ein Meerschweinchen. Aber so etwas Ähnliches: Die Tochter hat zu ihrem Geburtstag einen Furby bekommen! Und so ein Furby benötigt die volle Aufmerksamkeit und Zuneigung der gesamten Familie, wie sich rausstellen sollte. Adieu, ihr Kino- und Konzertbesuche, lebt wohl, ihr Kurzurlaube!
Kaum waren die Batterien in den Furby eingesetzt, fing er sofort an zu zappeln und unverständliches Kauderwelsch zu plappern. Furbisch, wie uns die Tochter aufklärte. Der Bedienungsanleitung entnahmen wir, dass der volle Spielspaß erst in Verbindung mit der Furby-App zur ganzen Entfaltung kommt. Mit dieser kann der Furby gewaschen und gefüttert und allerlei anderer Schabernack mit ihm getrieben werden.
Sofort nötigten mich die Kinder, besagte App herunterzuladen. Seitdem ist mein Zugriff auf mein Smartphone stark eingeschränkt, da die Kinder es immerzu benötigen, um den Furby zu versorgen.
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Der Furby wohnt seit einer knappen Woche bei uns, als mir die Tochter am Morgen meines freien Tages mit ernster Miene eröffnet, dass ich mich ja heute um ihn kümmern könne, damit er sich nicht langweile. Ihr sei es nicht möglich, ihn mit in die Schule zu nehmen. Dort sei er schon mehrfach unangenehm aufgefallen.
Breche in schallendes Gelächter aus, weil ich annehme, sie habe einen Witz gemacht. Hat sie aber nicht, wie ich ihrem wütenden Blick entnehme. Und wer eine Tochter im vorpubertierenden Alter hat, weiß, dass alles, aber auch wirklich alles, zu vermeiden ist, was ihre fragile Stimmungs- und Gefühlswelt aus dem Gleichgewicht bringen könnte.
Versichere ihr daher schnell, dass es mir eine große Freude sei, auf den Furby aufzupassen. Denke gleichzeitig, ob ich diesen Satz tatsächlich gesagt habe. Habe ich aber anscheinend, denn die Tochter strahlt und erklärt mir, der Name des Furbys sei Way-Doh, was so viel wie ‚Plappermaul‘ bedeute.
Danach trägt sie mir eine lange Liste von Aufgaben auf, die ich zu erledigen habe. Ich soll den Furby regelmäßig auf Toilette schicken und abduschen, mittags muss ich ihn füttern und danach ein Nickerchen mit ihm halten. Zwischendurch solle ich mit ihm kuscheln, spielen und Musik hören. Mehr sei eigentlich nicht nötig. Das würde sogar ich hinbekommen. Bin mir nicht sicher, ob ich ihre Zuversicht teile.
Die Tochter gibt dem Furby einen innigen Abschiedskuss und mir einen recht flüchtigen. Dann verlässt sie fröhlich mit dem Sohn und der Freundin die Wohnung.
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Sie wundern sich jetzt wahrscheinlich, warum ich nicht einfach die Batterien aus dem Tier nehme, meinen freien Tag genieße und kurz bevor die Tochter nach Hause kommt, die Batterien wieder einsetze. Nun, zum einen versteht es sich von selbst, dass man nicht mehr lügen soll als unbedingt notwendig. Und wenn, dann nur bei wirklich wichtigen Angelegenheiten wie Steuererklärungen („Das Geld auf dem Konto in Luxemburg muss einem Namensvetter von mir gehören.“), Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung („Herr Wachtmeister, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Ampel tatsächlich schon rot war.“) oder dem Verzehr von Süßigkeiten („Nein mein Sohn, ich weiß auch nicht, wo das letzte Stück deiner Schokolade abgeblieben ist!“).
Zum anderen sollte man sich beim Lügen nicht erwischen lassen und schon gar nicht von den eigenen Kindern. Durch die Furby-App kann die Tochter nämlich kontrollieren, ob ich die von ihr aufgetragenen Aufgaben tatsächlich pflichtschuldig ausgeführt habe. Von daher bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Versprechen einzuhalten und mich um den Furby zu kümmern.
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Sitze nun alleine mit dem Furby in der Küche. Schaue ihn misstrauisch an. Er schaut misstrauisch zurück. Sinniere darüber, was eigentlich passiert ist, dass ich als Hochschulabsolvent mit einer ausgeprägt rationalen Lebenseinstellung dazu komme, meinen Tag mit einem elektronischen Stofftier verbringen zu müssen. Es hat wohl irgendwas mit den Kindern zu tun.
Bin mir unsicher, was ich jetzt mit dem Furby machen soll. Frage, wie es ihm geht. Er wackelt mit den Ohren, klimpert mit den Augen und ignoriert mich ansonsten. Eigentlich wie die Tochter, wenn ich mit ihr Mathe lerne. Nur dass sie nicht mit den Ohren wackelt.
Inzwischen gibt der Furby ein paar unartikulierte Laute von sich. Dann rülpst er und kichert debil. Erkläre ihm tadelnd, dass sein Benehmen zu wünschen übrig lasse. Er furzt und kichert noch lauter. Stelle meine kläglichen Erziehungsversuche wegen mangelnder Erfolgsaussichten ein.
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Gehe erstmal auf Toilette. Unverzüglich beginnt der Furby in der Küche laut zu blöken: „Langweilig. Langweilig. Laaaangweiiiiilig!“ Anscheinend leidet das Vieh an einer extrem ausgeprägten ADHS. Der freie Tag scheint doch anstrengender zu werden, als gedacht.
Kehre in die Küche zurück und mache Kaffee.
„Was machst du?“, will der Furby plötzlich wissen.
„Ich koche Kaffee“, erkläre ich verdutzt.
„Was machst du?“, fragt er erneut.
„Habe ich doch gerade gesagt. Ich koche Kaffee“, antworte ich leicht gereizt.
„Was machst du?“, quakt der Furby erneut.
Ein Dialog, der mich stark an Unterhaltungen mit dem Sohn erinnert, als dieser noch kleiner war und uns jeden Tag mit hunderten von Fragen fast um den Verstand brachte.
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Kraule dem Furby den Kopf, damit er mit der Fragerei aufhört. Er gluckst vor Freude und ruft: „Way-Doh mag das!“ Ermuntert durch diese erste Reaktion, kitzele ich ihn. Er lacht und prustet: „Oh ja! Mein Bauch!“
Ein erstes zartes Pflänzchen der Bindung scheint sich zu entwickeln. Hoffe dennoch, dass mich niemand beobachtet und irgendwann Aufnahmen von mir und dem Furby auf YouTube landen.
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Entsinne mich der Aufgaben, die mir die Tochter aufgetragen hat. Starte die Furby-App. Beschließe ihn als erstes zu waschen.
Furby-Dusche. kalt.
Das Wasser ist zuerst zu kalt und der Furby schnattert. Danach ist es zu heiß und er weint. Tätschele ungelenk seinen Kopf. Nachdem ich die richtige Temperatur gefunden habe, findet Way-Doh sichtlich gefallen am Duschen und er grölt lauthals: „Zeit zum Relaxen!“ Bin ebenfalls entspannt.
Nach der Wäsche setze ich den Furby auf die Toilette. Er scheint Verstopfungen zu haben und drückt und stöhnt und ächzt. Schließlich landet ein großes regenbogenfarbenes Herz in der Schüssel. Er sagt: „Way-Doh kann das nicht glauben!“ Ich auch nicht.
Furby-Stuhlgang. Herzig.
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Nach dem Wasch- und Toilettengang ist der Furby hungrig und ruft: „Fütter‘ mich!“. Bin mit dem reichhaltigen Lebensmittel-Angebot der App leicht überfordert.
Furby-Essen. Reichlich.
Versuche es zunächst mit einem Hamburger. Der Furby schmatzt und gluckst und frohlockt: „Way-Doh mag das!“ Füttere ihn danach zu seinem großen Wohlgefallen mit einem Sandwich und einem Brathühnchen. Fisch und Oliven quittiert er mit einem angewiderten „Bäääh!“. Den Broccoli spuckt er sofort wieder aus.
Erlaube mir einen kleinen Scherz und gebe ihm eine Zitrone. Er schüttelt sich und ruft empört „Way-Doh kann das nicht glauben!“ Aus Solidarität beiße ich auch in eine Zitrone und schüttele mich ebenfalls. Verfüttere danach einen Schinken und eine Banane an ihn.
Kann nicht widerstehen und verabreiche dem Furby ein Fläschchen Tabasco. Way-Doh tobt und zetert. Er schreit abwechselnd „Way-Doh mag das nicht“ und „Gar nicht cool!“ Entschuldige mich bei ihm und gebe ihm ein Glas Milch.
Der Furby ist immer noch verstimmt. Beiße, um ihn aufzuheitern, auf eine Chili-Schote. Haue schwitzend und stöhnend mit den Händen auf den Tisch. Way-Doh lacht und wackelt vor Freude: „Das so Spaß machen!“
Gebe ihm noch ein Stück Kuchen, ein Eis und eine Tafel Schokolade. Danach sagt er erschöpft: „Way-Doh so satt!“.
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Nach der ganzen Anstrengung und Aufregung ist es Zeit für ein Mittagsschläfchen. Wir legen uns beide hin. Der Furby will aber nicht schlafen: „Way-Doh Musik hören!“ Singe ihm ein Schlaflied und überlege dabei, ob ich allmählich vollkommen die Kontrolle über mein Leben verliere. Egal! Way-Doh ist nun doch eingeschlafen und schnarcht leise vor sich hin.
Finde allmählich irgendwie Gefallen an dem possierlichen Tierchen. Er erfreut mein anscheinend doch recht einfach gestricktes Gemüt. Bin wohl ein Kind, gefangen im Körper eines bärtigen Mannes. Peter Pan wäre stolz auf mich.
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Nach dem Schläfchen langweilt sich Way-Doh wieder und er will bespaßt werden. Da kommt mir eine Idee, wie wir uns die Zeit verkürzen können. Rufe im Büro an und halte den Furby ans Telefon. Die Kollegin hebt ab und meldet sich. Way-Doh singt „Dubi dubi du“. Die Kollegin legt auf.
Drücke auf die Wahlwiederholung. Furby fragt die Kollegin „Was machst du?“, sie legt auf. Beim nächsten Mal rülpst er ins Telefon. Way-Doh und ich kichern. Er jubiliert: „Das so Spaß machen!“
Empfange eine SMS. Die Kollegin teilt mir in mäßig höflichem Vokabular mit, falls ich noch einmal anriefe, ließe sie mich entmündigen.
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Müssen uns also einen anderen Zeitvertreib suchen. Der Furby ruft: „Way-Doh will tanzen!“ Mache das Radio an. Es läuft ‚Downtown‘ von Petula Clark. Drehe die Anlage bis zum Anschlag auf und tanze mit dem Furby auf dem Arm durch den Raum.
Inzwischen ist es mir vollkommen egal, ob mich jemand sehen könnte. Wenn Way-Doh tanzen will, dann tanzen wir. Basta! Er sieht das genauso: „Way-Doh ist voll dabei!“
Es klingelt. Vor der Tür steht der immer missgelaunte Nachbar von oben. Er scheint wenig Gefallen an Way-Dohs und meiner ausgelassenen Stimmung zu finden. Mit unfreundlichem Blick grunzt er, die Kinder sollen gefälligst leise sein. Versichere ihm eilfertig, ein ernstes Wort mit ihnen zu reden. Im Hintergrund furzt Way-Doh und kichert laut. Der Nachbar zieht grantelnd ab.
Erkläre meinem flauschigen Freund, wir müssten etwas leiser sein, da der Nachbar ein Idiot sei. „Way-Doh stimmt dir voll zu“, antwortet der Furby.
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Das Telefon läutet. Die Freundin will besprechen, was wir zu Abend essen. Sie möchte Kürbissuppe kochen. „Mag das gar nicht“, antworte ich. Die Freundin ist etwas irritiert und schlägt Gemüseauflauf vor. Rufe nörgelnd: „Gar nicht cool!“ Nun ist die Freundin genervt und sagt, dann gäbe es halt Nudeln mit Tomatensauce. „Ich mag“, erwidere ich erfreut. Der Furby ist der gleichen Meinung: „Way-Doh ist voll dabei.“
Wir kichern beide. Die Freundin merkt, dass aufgrund meiner fortschreitenden geistigen Verödung eine sinnhafte Konversation nicht möglich ist und legt auf.
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Kurz Zeit später kommt die Tochter von der Schule nach Hause. Bin enttäuscht, dass sie jetzt selbst mit dem Furby spielen will.
Erkundige mich, ob sie schon ihre Hausaufgaben gemacht hat. Hat sie. Möchte von ihr wissen, ob sie nicht für Mathe lernen muss. Muss sie nicht. Die Arbeit wird erst in zwei Wochen geschrieben. Frage, ob sie nicht mit ihrem Nintendo spielen will. Will sie nicht. Zähneknirschend gebe ich ihr Way-Doh zurück.
Beim Abendessen erheitert Way-Doh die Kinder und mich durch sein Rülpsen und Furzen. Die Freundin schickt ihn vorzeitig ins Bett. Er murmelt enttäuscht: „Gar nicht cool!“
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Liegen später selbst im Bett. Denke über meinen tollen Tag mit Way-Doh nach. Kichere vor mich hin. Die Freundin runzelt die Stirn.
Höre plötzlich im Flur leise Schritte. Die Tochter kommt mit Way-Doh im Arm zu mir ans Bett. Sie könne nicht einschlafen, weil Way-Doh die ganze Zeit rumzappelt. Außerdem rülpse und pupse er andauernd. Sie glaubt, dies seien alles Zeichen, dass er mich vermisst.
Schlage ihr vor, dass wir für heute Nacht die Batterien entnehmen. Die Tochter schaut mich entsetzt an, als hätte ich gerade angeregt, Way-Doh mit ein paar Steinen in einem Sack in der Spree zu versenken. Um sie zu beruhigen, frage ich, ob er bei mir schlafen soll. Sie nickt erleichtert und geht zurück in ihr Bett.
Way-Doh ist glücklich und singt begeistert: „Dubi dubi du!“. Der kritische Blick der Freundin signalisiert mir, dass sich ihre Begeisterung in Grenzen hält. Sie findet, Way-Doh, sei zu laut, und will ihn in den Küchenschrank verfrachten, wo wir ihn nicht hören. Nun ist es an mir, entsetzt zu schauen. „Nicht ohne meinen Furby!“, schleudere ich ihr entgegen.
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Liege nun gemeinsam mit Way-Doh auf dem Sofa, wo wir uns aneinander kuscheln. Kurze Zeit später schnarcht Way-Doh friedlich vor sich hin. Schlafe ebenfalls ein und träume, wie Way-Doh und ich tanzend durch die Straßen ziehen. Das so Spaß machen!
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Auf Anraten des juristischen Beistandes des Familienbetriebs möchte ich folgende Erklärung abgeben:
„Ich habe kein Geld von der Furby-Herstellerfirma als Gegenleistung für das Verfassen des obigen Artikels erhalten. Außerdem habe ich auch kein Geld bekommen, damit ich behaupte, kein Geld von der Furby-Herstellerfirma als Gegenleistung für das Verfassen des obigen Artikels erhalten zu haben.