Auch wenn 2018 bereits Vergangenheit ist, möchte ich euch von meiner letzten Radtour des Jahres erzählen. Nichts anderes als ein Gran Fondo stand auf dem Programm. Wer nicht weiß, was das ist: da verbringst du einen Tag im Sattel um mindestens 100 Kilometer zu erradeln. Und wer bei STRAVA unterwegs ist, der bekommt für die erbrachte Leistung ein virtuelles Abzeichen. Genau das wollte ich mir zumindest für den Dezember noch verdienen. Und so sollte der Wecker eigentlich um kurz nach sieben in der Früh schellen, wach wurde ich allerdings erst eine Stunde später. „Verdammt", dachte ich mir. Irgendwie war da was schief gelaufen. So hinkte ich dieser verlorenen Stunde irgendwie hinterher, als ich mich relativ zügig auf das Rad schwang. Zum Glück hatte ich schon Abends zuvor alles notwendige für die Radtour am Fahrrad verstaut. So musste ich dann einfach nur noch losfahren.
Die Tour sollte mich von der Haustür weg quer durch den Pott bis zum Dortmunder Flughafen führen, mit kleinem Schlenker über Unna. So mein Plan. Die ersten 20-25 Kilometer wollte ich relativ schnell abspulen. Das Terrain kenne ich halt recht gut, erst auf Bochumer Stadtgebiet fing es richtig an interessant zu werden und für mich Neues zu entdecken. Und im Pott gibt es so viel davon! Das ist immer wieder sehr bemerkenswert! Das hindert mich dann manchmal auch daran ein paar Kilometer am Stück zu fahren. Einfach weil es so viel zu gucken gibt.
So fuhr ich also zunächst über die Rheinische Bahntrasse, einigen ruhigen Nebenstraßen und dem Radweg Krayer-Wanner-Bahn nach Wattenscheid. Die Wettervorhersage war eigentlich recht trüb gewesen, doch tatsächlich liess sich sogar zwischendurch die Sonne blicken, mit etwas blauen Himmel dazu. Das tat dem Gemüt recht gut und das Radfahren macht direkt noch mehr Spaß als es sonst eh schon macht.
Plötzlich sah ich links von mir ein merkwürdiges Areal, das irgendwie überwuchert war. Woran erinnerte mich die Form dieses Geländes? Und was waren das für hohe Masten? Da fiel es mir auf. Das war ein alter Fußballplatz mit Laufbahn drumherum und den alten Flutlichtmasten. Von Gestrüpp überwuchert, doch erkennbar. Da musste ich unbedingt drauf. Das war auch kein Problem, denn der alte Eingang war als Trampelpfad vorhanden. Hier fuhr ich durch bis zur völlig vergammelten Ersatzbank, die da noch stand. Auf dem „Sportplatz Berlinerstraße" wurden einst wahre Schlachten geschlagen und 22 Mann rannten dem Ball hinterher. Bei Sonne, bei Regen. Bei Kälte und bei Hitze. Heute kann man die alte Zeiten nur noch erahnen. Und das Gelände wartet sicherlich auf eine neue Nutzung.
Vorbei an der riesengroßen Halle des Kaltwalzwerk von Thyssen-Krupp ging es auf schmalen Pfaden und über den Radweg Parkband West nach Eppendorf. Hier musste erst mal der örtliche Bäcker für ein Frühstück herhalten. Glücklicherweise war sogar eine kleine Metzgerei eingebunden und so gab es für mich frisch belegte Brötchen. Perfekt.
Gut gestärkt traf ich bei Weitmar dann auf einen „Pump-Track", wo Mountainbiker gerne ihre Sprünge oder andere Tricks vollführen. Eine kleine Anlage in einem Park, wo jedermann seine Skills vollführen konnte. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen und mit meinem Crosser auch einmal über die kleinen Kuppen brettern. Vom Regen, der ein paar Stunden zuvor noch runtergekommen war, war die Bahn etwas matschig. So sah das Bike dann hinterher auch aus. Egal, Hauptsache es hat Spaß gemacht.
Direkt an diesem Park führt der Springorum-Radweg vorbei. Dieser Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse ist eine wichtige Nord-Süd-Verbindung der Stadt Bochum. Und natürlich ist er äußerst beliebt. Steigungsarm wie Bahntrassen nunmal sind, lässt es sich hier gut mit dem Rad fahren.Nach kurzer Zeit bog ich ab nach Altenbochum und kam zu einem unscheinbaren Highlight.
Der Walter Lohmann-Ring, eine Trainingstrecke der Bochumer Radsportler, liegt etwas versteckthinter Büschen. Sie ist dem Mann aus Bochum gewidmet, der 1927 seine Karriere als Radsportler und Straßenfahrer startete. Er gewann als „Steher" unter anderem das Sechstagerennen in Berlin (1934) oder bei der Bahn-Weltmeisterschaft in Kopenhagen (1937) Gold. Außerdem stellte er 1955 auf der Bahn einen Weltrekord auf: über die Distanz von 100 km benötigte er nur 1:03,40 Stunden!
Die 10 Deutschen Meisterschaften als Steher sind nur ein Bruchteil seiner Erfolge. Weit über 500 Siege erlangte er in seiner Karriere! Also kein Wunder, das ihm da als Sohn der Stadt eine gewisse Ehre gebührt.
Die Trainingsstrecke steht jedermann offen, wenn der Radsportverein nicht trainiert. Ich befuhr den Parcours ganz alleine. Niemand war vor Ort. So bretterte ich ein, zwei Runden und genoss dieses kleine Tour-Highlight in vollen Zügen.
Kurze Zeit später erreichte ich die Werner Teiche und die hatten etwas von Sommer-Feeling. Wieso das? Weil es dort türkisfarbenes Wasser gibt! Und das kommt daher, das hier Grubenwasser aus fast 500 Metern Tiefe hochgepumpt wird! Durch die Freisetzung von natürlichen Inhaltsstoffen sieht das Wasser dann nach Südsee aus. Es kann allerdings auch etwas nach faulen Eiern riechen. Das kann ich bestätigen. Dafür ist wiederum die Wärme des Wassers neben der eingezäunten Pumpe deutlich spürbar!
Nach Bochum-Langendreer wurde es dann ländlicher. Über Oesterheide ging es durch leicht hügelige Felder und danach auf einen tollen Trail durch den Wald. Der machte mal so richtig Spaß mit dem Crossbike! Für meinen Geschmack hätte der ruhig länger sein können. Doch der weitere Weg war auch nicht schlecht und entschädigte doch sehr. In der Ferne, hinter den Hügelkuppen, musste der beliebte Hengsteysee liegen. Der lag allerdings nicht auf meinem Track. Stattdessen fuhr ich vorbei an einem großen Reiterhof. In der Ferne konnte ich den Dortmunder Florian erkennen. Der Turm ist ein Wahrzeichen der Stadt.
Doch zunächst hieß es Höhenmeter machen. Die Halde der Zeche Glückauf ( Halde Gotthelf ) wollte ich erklimmen. Die letzten Meter musste ich doch glatt schieben ( ich geb's zu ), da die Steigung echt fies war. Oben hätte man eine tolle Aussicht gehabt, wenn es nicht ganz so diesig gewesen wäre. Zumindest das Westfalenstadion des BVB konnte ich sehen. Immerhin. Und schon ging die muntere Abfahrt die Halde wieder hinunter.
Vorbei am Zoo Dortmund und durch den Geographischen Wald fuhr ich mit dem Rad auf das Gelände des alten Hochofenwerks Phoenix West mit seinem markanten HÖSCH-Gasometer. Gegründet wurde das Werk 1841 von Hermann Diedrich Piepenstock. Das Roheisen wurde hier gewonnen und im benachbarten Stahlwerk zu Stahl umgewandelt. 1998 war damit Schluss, das Land NRW erwarb 2001 das Gelände und seit 2002 steht das Gelände unter Denkmalschutz. Eine Wandlung in ein Naherholungsgebiet und Gewerbepark scheint zu gelingen. Es ist sehr interessant dort mit dem Rad einmal herumzufahren. Man kann am Wochenende anscheinend wunderbar auf den gut asphaltierten Straßen mit seinem Rennrad seine Runden drehen und trainieren. Autos waren so gut wie nicht vorhanden.
Außerdem gibt's die sehenswerte Phoenix-Halle, einen Skywalk und die Music Hall mit diversen Veranstaltungen. Das Gelände hat mir gut gefallen, bietet es doch eine tolle Kulisse für allerlei Fotos. Und ganz in der Nähe verläuft die Emscherpromenade, die dann zum Phoenixsee führt. Dieser künstlich angelegte See auf den ehemaligen Gelände des Stahlwerks ist heute ein äußerst beliebtes Ausflugsziel. Es gibt Bootsanleger und Hafen-Gastronomie. Und zahlreiche, sündhaft teure Mehrfamilienhäuser umzingeln den See. Man darf aber nicht vergessen, das der Boden dort durchaus mit Schadstoffen versetzt ist! Höhere Infektionen u.a. der oberen Atemwege als üblich sind nachweisbar! Das schadet aber nicht der Beliebtheit des seit 2010 gefluteten Sees!
An diesem Sonntag war es sehr voll an der Promenade, die am See herumführt. Eigentlich gibt es einen deutlich getrennten Fußgänger- und Radweg. Und ohne zu übertreiben: wer kann sich nicht daran halten? Genau. Unfassbar, aber wahr. Da habe ich mich schon gefragt, wie blöd so manch einer eigentlich sein muss. Ein ewiges, leidiges Thema. Trotzdem ging's weiter.
Hinter dem See nahm der Trubel schnell ab, das Gelände war da nicht mehr attraktiv genug für Fußgänger. Mir als Radfahrer war das egal, ich fuhr über schmale Wege und auf den Bahntrassenweg zwischen Hörde und Asseln, bog dann ab, kam zur bekannten Stau-Straße B1, stolperte dort am ADFC-Gebäude durch eine Foto-Shooting, fuhr über eine Brücke und war kurz darauf an der nostalgisch wirkenden Galopprennbahn. Uff. Doch die Pferdchen blieben an dem Tag im Stall, nur meins rollte an dem 1913 errichteten Gelände vorbei. Die imposanten Tribühnengebäude stehen sogar unter Denkmalschutz.
Direkt hinter der Galopprennbahn verläuft ein schmaler, unscheinbarer Weg entlang der Bahnlinie. Dort gibt es die Graffiti Wall Of Fame. Auf über einen Kilometer alter, bröckelnder Betonmauer, die circa zwei Meter hoch ist, wird gesprayt was das Zeug hält. Tolle Tags und Bilder gibt es dort zu sehen. Manche sind echt kreativ. Und da diese Wall legal zu besprühen ist, waren dort auch zwei Gruppen an verschiedenen Stellen aktiv. Sehr sehenswert.
Im Grunde fuhr ich jetzt sogar auf einem kommenden Teilstück des zukünftigen Radschnellweg RS1 der ja bekanntlich von Duisburg bis Hamm verlaufen soll. Leider immer noch viel Zukunftsmusik, aber so bekam ich mal einen Eindruck vom möglichen Verlauf. Hier wurde es jetzt wieder ländlicher, die Großstadt lag hinter mir. Und auch das Tageslicht wurde weniger. Die Tage sind halt kurz so Ende Dezember. Andere Radfahrer waren keine unterwegs. Wer ist denn auch so blöd bei dem kalten Wetter mit dem Fahrrad zu fahren?...Hüstel, hüstel...
So kam ich in der Dämmerung nach Unna. Ich radelte durch den Kurpark und kam zur Altstadt. An einem Kiosk musste eine kurze Pause her. Ein leichtes Hungergefühl schien im Anflug zu sein. Und so ein Kiosk hat meistens immer das passende Futter-Material für Möchtegern-Radsportler. Danach ging es mir besser, verfranzte mich aber irgendwie in den kleinen, sich windenden Straßen. Doch irgendwann war ich wieder in der Spur. Und Gas geben musste ich jetzt auch mal langsam. Denn es wurde nun rasch Dunkel. Sich etwas anschauen war da nicht mehr möglich. Durch eine hügelige Landschaft mit einsetzenden Nieselregen in der Dunkelheit zu fahren ist jetzt nicht unbedingt der Hit. Von einer Hügelkuppe konnte ich mein Ziel aber trotzdem jetzt schon sehen. Die Lichter des Flughafen Dortmunds konnte man gut erkennen. Es war also nicht mehr weit. Doch als ich meinen Radcomputer betrachtete, sah ich, das ich doch tatsächlich nicht auf 100 Kilometer kam, wenn ich die Restdistanz zur bereits gefahrenen Strecke addierte. Wenige Meter müssten am Ende fehlen. So musste ich doch tatsächlich noch einen kleinen Umweg von rund 1,5 Kilometern fahren. Dumm gelaufen, aber ohne die volle Distanz für den Gran Fondo wollte ich nicht nach Hause. Am Ende stand somit also mein verdientes, virtuelles Abzeichen auf STRAVA und ich hatte viele, neue und tolle Eindrücke im Ruhrpott gesammelt. Mit dieser Radtour beendetet ich auch gleichzeitig mein wunderbares Radfahr-Jahr 2018.
Alle Touren ( Deutschland-West ) findet ihr hier!