Der Konflikt in Mali: Kein Fall für schlichte Urteile

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Am 14. Oktober hatten wir Ihnen unter dem Titel “Mali und Mauretanien: Was passiert da in Westafrika?” versprochen dranzubleiben an der Entwicklung dieses Konflikts. Seitdem ist kein weiterer Artikel erschienen, obwohl andere Blogs voll davon sind. Das hat einen einfachen Grund: Während Blogger aus Recklinghausen-Süd, Brandenburg-West oder Fürstenfeldbruck-Mitte Ihnen ebenso im Brustton die “Wahrheit über Mali” verkaufen wollen wie sie alle Hintergründe des Syrien-Konflikts komplett erklären können, ohne jemals von irgendeinem Selbstzweifel geplagt zu werden, empfinden wir die Situation in Westafrika als ungeheuer komplex und nehmen uns deswegen viel Zeit zur Materialsammlung. Ehrlich gesagt erschrecken uns die Monologe der Ahnungslosen mit ihren absolut sicheren Urteilen, die wir jeden Tag in Blogs und bei Facebook vorgesetzt bekommen, nicht wenig. Deswegen beschränken wir uns auf den vorsichtigen Versuch der ausleuchtenden Analyse und halten uns mit Urteilen eher zurück.

Mali galt in Afrika in den vergangenen zwei Jahrzehnten eher als Musterland, wenn man afrikanische Masstäbe zugrunde legt.  Die demokratischen Strukturen verbesserten sich zusehends, wurden in den Medien auch breit diskutiert. Viele Spannungen zwischen Ethnien und Stammeskonflikte konnten überwunden werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die in Mali auch heute noch praktizierte Polygamie dafür sorgte, dass um ein paar Ecken jeder mit jedem verwandt ist und für Konflikte friedliche Lösungen gesucht wurden. Die Bambara, das mit über 3,4 Millionen Menschen zahlenmäßig stärkste Volk, verstand sich immer besser  mit den Bozo, Peul, den Senufo, Sarakolle, Songhai, Malinke  und anderen Stämmen. Korruption und Wahlfälschungen gingen deutlich zurück. Die Menschen fühlen sich zusehends mehr als Malier denn als Angehörige dieser oder jener Volksgruppe.

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Eine gewisse Sonderrolle nehmen die Tuareg ein. Seit vielen Jahren fordern bestimmte Einflussgruppen dieses weltweit bekannten Stamms einen eigenen Staat mit Zentrum im Norden von Mali, der auch Bereiche von Algerien, Libyen, Niger und Algerien umfassen soll. Das hatte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts und zuletzt 2009 zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt. Man behauptete, ohne besondere Begründung, unterdrückt zu werden, pochte auf das “Selbstbestimmungsrecht” und verlangte pauschal “Autonomie”. Der weltweite Bekanntheitsgrad der Tuareg, der “stolzen Wüstenkrieger”, sorgte dafür, dass solche Bestrebungen stets internationale Beachtung und Sympathie fanden. Ganz anders überall in Afrika: Man wollte die von den Kolonialisten auf dem Kontinent willkürlich gezogenen Grenzen, die auf Ethnien keine Rücksicht nahmen, trotzdem respektieren. Alles andere sei nicht dazu geeignet, eine Einigung Afrikas zu befördern, heisst es. Weitere Zersplitterung und damit mehr Grenzkriege will man um jeden Preis vermeiden.

Die Tatsache, dass die Forderung der Tuareg nach einem eigenen Staat durch geschickte Lobby-Arbeit international so viel Unterstützung findet, löst in Afrika nur Kopfschütteln aus. Was die Tuareg und deren Unterstützer wirklich wollen, darüber kann man nur spekulieren. Die Kontrolle der riesigen Landebahn bei Kidal könnte ein Grund sein. Die dient als international wichtiger Umschlagpunkt für Drogen, die aus Südamerika eingeflogen kommen. Aber auch die Uran- und Ölvorkommen sind natürlich lockende Motive.

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Ghaddafi war lange so etwas wie der inoffizielle Präsident Malis. Nach seinem Fall kehrten die vielen Tuaregs schwerbewaffnet  nach Mali zurück, die er als letztes Aufgebot mit Geld und Drogen in Libyen angeworben hatte. Nachbarländer wie Mauretanien, Burkina oder Niger hatten die Grenzen geschlossen, doch der malische Präsident Amadou Toumani Touré liess die vielen Waffen und ihre Träger ins Land. Schon kurz danach gab es Angriffe im Norden des Landes, während die in Frankreich und Marokko lebenden nationalistischen Tuaregführer Lobby-Arbeit machten und die baldige Gründung des Tuareg-Staates „AZAWAD“ ankündigten. Malis Präsident setzte auf Verhandlungen. Er lehnte es vorerst ab, das Militär im Norden, das traditionell äusserst schlecht ausgerüstet ist, besser zu bewaffnen. So hatten die Tuareg-Kämpfer im Nordteil leichtes Spiel.

Am 22. März 2012 kam es zu einem Putsch gegen Touré, ausgeführt vom bis dahin vollkommen unbekannten Capitain Amadou Haya Sanogo. Das wirkte zunächst wie die wütende Reaktion frustrierter Soldaten, die sich dagegen wehrten, den Norden des Landes zu opfern, doch die Ziele der Putschisten gingen viel weiter.  “CRNRDE – Wiederherstellung der Demokratie und des Staates“  lautet ihr Name. Das allerdings steht in krassem Widerspruch dazu, dass auf diese Weise die für Ende April angesetzten Wahlen verhindert und alle demokratischen Institutionen ausser Kraft gesetzt wurden.

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Putschist Sanogo, der drei Jahre lang in den USA ausgebildet worden war, ist auch heute noch der starke Mann, obwohl eine Übergangsregierung eingesetzt wurde. Seine Gruppe hat die fünf wichtigsten Ministerien inne, Sanogo teilt Lob und Tadel in den Medien aus und lässt ab und zu mal einen missliebigen politischen Gegner verschwinden. Die Abspaltung des Nordens soll verhindert werden, das wird überall propagiert. Dieser Norden ist zu einer Ansammlung von islamistischen Gruppen geworden, die keineswegs identische Ziele und Weltanschauungen haben. Marodierende Grupen sind es eher, die jetzt jedes gesellschaftliche Leben abwürgen, Hände und Füsse unter Scharia-”Recht” abhacken, Frauen vergewaltigen und auspeitschen. Je weiter diese Gruppen nach Süden vorstossen, desto mehr steigt die Angst dort.

 Amadou Toumani Touré ist längst abgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, den militärischen Einsatz gegen die Tuareg verhindert zu haben durch seine ewigen langwierigen Verhandlungen. Doch das ist schon deswegen widersprüchlich, weil dessen Nachfolger und Sanogo jetzt genau das ebenfalls tun. Sie verhandeln mit den Tuareg ebenso wie mit den Scharia-Gruppen und sorgen somit indirekt dafür, dass die Islamisten ihre Terrorherrschaft im Norden ungerührt etablieren und sich immer weiter nach Süden vorschieben können. Dazu hat man ausgerechnet den unsäglichen Diktator Blaise Campoare von Burkina als Vermittler eingesetzt, der seine Tätigkeit allein zu Ego-Zwecken nutzt. Schon  deswegen keine Aussichten auf Erfolg.

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Der überaus liberale islamische Süden des Landes steht jetzt dem ungebremst diktatorisch strengen Islam des Nordens gegenüber. Die zweite Übergangsregierung besteht aus 32 Ministerien, die das Staatsvermögen nach Kräften plündern. Das Land ist derzeit politisch komplett handlungsunfähig, während die Bevölkerung laut und unmissverständlich Krieg fordert, um den Norden zu säubern. Den Menschen in Mali wurden von der Politik eine Menge sozialer Wohltaten versprochen nach dem Putsch. Davon übrig geblieben sind Preiserhöhungen von 100 und mehr Prozent bei Grundnahrungsmitteln und Treibstoff.

Jetzt werden “dem Westen” Vorwürfe gemacht, vor allem Frankreich, die angeblich den Tuareg ihren eigenen Staat beschaffen und dafür Zugang zum Uran bekommen sollen, aber auch den USA. Das ist jedoch  längst nicht die Hälfte der Wahrheit. In Wirklichkeit ist die Situation völlig chaotisch. Und innerhalb dieses Chaos versuchen sich ausnahmslos alle zu bereichern. Diejenigen, die immer schon an den Futternäpfen sitzen; die Mittelschicht, die sich an die Putschisten hängte, die Tuareg, die islamistischen Gruppen, die Franzosen, die USA und jeder, der sonst noch kann. Einfach alle.

Wenn Sie also in irgendeinem Blog aus Recklinghausen-Süd eine empörte, komplett ideologiegesteuerte Dreisatzanalyse lesen, wer in Mali (oder in Syrien) der Gute und der Böse ist und wer die Schuld an dem Dilemma hat, dann fassen Sie solche Texte bitte mit spitzen Fingern an, so schlicht, wie es sich manche Leute machen, weil sie so schlicht sind, ist die Sache in Wirklichkeit nicht.


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