"Der Islam will die Welteroberung"


Belagerung von Amorium durch die Araber 838.
In der Vorstellung einer byzantinischen Handschrift des 12. Jh.


Ich hatte vor vier Jahren mal einen Text eines Geschichtsprofessors der in der FAZ erschien auf seine Richtigkeit abgeklopft. Einiges mag heute anders zu sehen sein, oder einiges würde ich heute anders formulieren, doch trotzdem mag meine Analyse exemplarisch aufzeigen, wie Diskussionen über den Islam ablaufen und wie man ihnen begegnen kann. Dieser Text fand äußerst weite Verbreitung vor allem auf antiislamischen Hetzblogs und Internetforen. Er wurde immer und immer wieder rezipiert, und zeigt genau dieses Verhalten, welches ich schon in der Artikelserie Feindbild Islam, besonders in den Teilen 6 bis 8 angeschnitten hatte. Es werden eben auf diesen islamophoben Seiten nur diejenigen "Gewährsmänner" und "-frauen" zitiert, die ihrem Weltbild zupass kommen. Kein Wort aus der im obigen Reiter "Buchtipps" enthaltenen orientalistischer oder historischer Standardliteratur. Auch der Text selber begeht einige der in den "Feindbild Islam"-Posts enthaltenen Fehler.
So etwas passiert immer wieder, wenn Laien, selbst wenn sie in einem anderen historischen Forschungsschwerpunkt sehr bewandert sind, versuchen eine These, die sie offensichtlich schon zuvor im Kopf hatten, in einem Artikel oder einer Talkshow zu untermauern. Sie fallen auf die Nase, da sie vielleicht in wenigen Monaten, Wochen oder gar Tagen eine Weltregion, eine Weltreligion und 1400 Jahre erfassen und begreifen möchten. So wenig, wie man in nur wenigen Monaten Gehirnchirurg werden kann, so wenig kann man solch ein komplexes Themengebiet "Orient" in all seiner ganzen Tiefe erfassen. Es versuchen sich aber immer wieder selbst Professoren an dieser Thematik, obwohl sie besser in ihrem Forschungsgebiet, wie zum Beispiel der Weimarer Republik geblieben wären, statt in fachfremden Gefilden den "Islamexperten" zu mimen. Natürlich kann jeder Hans und Franz einen Artikel über den Orient verfassen, und dabei auch völlig korrekt bleiben. Dies bedarf aber der guten Recherche, auch in aktuellerer Sekundärliteratur und nicht nur in veralteten Propyläen-Weltgeschichtsbänden, die vielleicht in der Bibliothek eines Professors dahinstauben.
Mich würde es mal interessieren, was wohl die geschichtliche Zunft dazu sagen würde, wenn plötzlich Islamwissenschaftler oder Turkologen in Zeitungen mit Fehlern gespickte Essays dahinklatschen würden, z.B. über die Weimarer Republik oder den Hellenismus, etc....
Es handelt sich um diesen Artikel in der FAZ:
Der Islam will die Welteroberung
Die Kriegsregeln sind flexibel, das Kriegsziel bleibt: Der Greifswalder Althistoriker Egon Flaig über Mohammeds kämpferische Religion. 15. September 2006.
Am Anfang steht der reißerische Titel. Jede Religion hat letztlich das Ziel, dass am besten alle Menschen dieser Religion angehören mögen, um ihr Seelenheil zu finden. Doch hier bedeutet dieser Titel natürlich keine historische oder theologische nüchterne Betrachtung einer Banalität, sondern ein Schüren von Angst, was nach dem 11. September so verstärkt "Mode" geworden ist.
Erstmal fällt der Sprachstil auf, einige Beispiele:
"Wir pflegen uns darüber zu empören, was die Kreuzfahrer 1099 in Jerusalem anrichteten. Indes, die Kreuzfahrer handelten nach gängigem Kriegsrecht; muslimische Eroberer taten derlei unentwegt und überall" "Gewiß. Kreuzzüge „entgleisten“ und wurden „zweckentfremdet“, wie etwa jener, der 1204 zur Eroberung des christlichen Konstantinopel führte. Doch das passierte mit Dschihads weitaus häufiger."
"Gewiß, winzige pazifistische Strömungen im Islam haben diese Interpretation nicht akzeptiert."

"Die Maßlosigkeit, die Regelmäßigkeit und der systematische Charakter der von den islamischen Theologen zur Norm erhobenen Verwüstungen unterscheiden den Dschihad von anderen Eroberungskriegen.“ Gewiß, die Massenversklavung blieb das beliebteste Kriegsziel. So entstand schon im achten Jahrhundert die größte Sklavenhaltergesellschaft der Weltgeschichte;""Ebenso „reinigten“ die Almohaden und Almoraviden ihr Spanien nach dem Zusammenbruch des Kalifats 1031: Zehntausende Juden wie Christen mußten entweder konvertieren oder ins christliche Nordspanien oder in die Levante fliehen. Gewißenglische und französische Könige und dann die Könige Spaniens selber taten später das gleiche; sie wandten dabei ein muslimisches Rezept an."
Dieser Text ist nicht zuletzt daher so "bedenklich", weil er nicht in einer historischen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, sondern in einem Massenmedium, wo viele Leser das Geschriebene nicht selber mangels Wissen einzuordnen wissen. Deshalb müsste man ihnen den Kontext, auch den ausserislamischen Kontext, wenigstens teilweise erläutern, ansonsten bekommt er eine ganz falsche oder schiefe Vorstellung von der historischen Gegebenheit.

Aber um Aufklärung geht es dem Autor ja auch gar nicht in diesem Artikel. Es geht um Angst, um Xenophobie, um Politik.
Dazu wildert er in fremden Gefilden rum, sprich, er tut so, als würde er ein "Experte für den Islam" sein, durch seine zahlreichen historischen Beispiele und Geschichtsdaten, durch scheinbar detailierte Kenntnisse, jedoch ist er wie ein Mediävist, der eine kernphysikalische Gleichung erklären will. Jedem Islamwissenschaftler sträuben sich die Haare, ob Flaigs faktischer Unkenntnis. Das weiß der Ottonormal-Leser ja oft beim Lesen leider nicht, was also nun stimmt, und was nicht.
Er nimmt 1400 Jahre Islam, und greift sich willkürlich irgendwelche Dinge heraus, rührt kräftig rum, und stellt das als Beleg seiner Thesen oder Gedanken hin.
Es kommt aber auch im Islam darauf an, zu unterscheiden zwischen Theorie und Praxis. Das gilt auch für andere Religionen, deren Heerführer oder Fürsten mal im Namen von Gott gehandelt haben, mal für die Geldbörse. Und dann muss man differenzieren zwischen Minderheiten- und Mehrheitsauffassungen.
Und nicht jeder Tyrann in der islamischen Geschichte ist eben ein typischer und zu verallgemeinender Fall, genausowenig wie bei christlichen Tyrannen man nicht verallgemeinern darf.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, die nichtislamischen Minderheiten waren in der Theorie durchaus zweitklassige Bürger. In der Praxis sieht die Sache aber wesentlich komplexer aus, zum Beispiel gingen im Osmanischen Reich zahlreiche christliche Frauen zu islamischen Gerichten, weil sie dort mehr "Frauenrechte" hatten (passt so gar nicht ins heutige Klischee, oder?
):
Zitat aus Donald Quataert, siehe die Artikelserie Muslime und Nichtmuslime:

"Christian widows frequently registered in the Islamic courts because these provided a greater share to the wife of the deceased than did ecclesiastical law. Or, take the case of dhimmi girls being forced into arranged marriages by fellow Christians or Jews. Since Islamic law required the female’s consent to the marriage contract, the young woman in question could go to the Muslim court that took her side, thus preventing the unwanted arranged marriage."
Dann wurde im 19. Jahrhundert bekanntlich das "europäische" Recht im Osmanischen Reich eingeführt (Stichwort: Tanzimat), und nun waren alle Bürger gleich, alle mussten zum Militärdienst, und was passierte? Viele Nichtmuslime weigerten sich, oder wollten keinen Militärdienst leisten, und bezahlten lieber eine "Befreiungsgebühr", um z. B. weiterhin ihre Äcker bestellen zu können, was dann im Endeffekt die Situation der Kopfsteuer früherer Jahrhunderte bedeutete; die nichtmuslimischen Frauen versuchten oft noch sich nach islamischem Recht scheiden zu lassen, weil sie dort mehr Rechte hatten, aber es wurde nach und nach eingeschränkt, weil nun das europäische Recht galt, und das hieß im Endeffekt, die "Frauenrechte" sanken (höchstwahrscheinlich) im Niveau während des 19. Jahrhunderts - und das aufgrund des "europäischen" Rechts, paradox...
Dies nur mal als kleines Beispiel der historischen Komplexität. Wer mal eine aktuelle Übersicht über die letzten 500 Jahre (islamisch-) osmanischer Zeit haben möchte, dem empfehle ich die beiden englischen Bücher im obigen Reiter "Buchtipps", von Donald Quataert und Daniel Goffman wärmstens. Viele geschichtliche "Mythen" werden dort entzaubert, auch z. B. die angebliche pauschale Ghettoisierung in muslimische Stadtviertel und christliche und jüdische Stadtviertel. Es zeigten sich nach Auswertung von Registern in den letzten 20 Jahren, dass die Durchmischung in vielen Städten viel stärker als angenommen war, und das Einkommen der bestimmende Faktor der Nachbarschaft war. Einige Stadtviertel, wie das kurdische in Aleppo hatten gar keine Kurden mehr, nur die Bezeichnung. usw. So kam es zu voreiligen oder pauschalen Schlüssen über die städtische Struktur einer islamischen Stadt. Oder das es kaum oder keine muslimischen (Groß-)Händler gab ist auch ein "Urban Myth"...
Ich hatte schon einmal hier im Blog eine Diskussion vorgestellt, wo es um sehr viele der Dinge ging, die in dem Essay von Flaig behandelt wurden. Islam eine Missionsreligion.
Unten werde ich ein oft kolportiertes Stück näher anschauen, um die Argumentationslinien und Denkfehler aufzuzeigen.
Aber erst einmal willkürlich einige Dinge aus dem FAZ-Artikel herausgegriffen, auch in den historischen Kontext gestellt, um mal einen Faktencheck durchzuführen:
1. " finden sich im Programm, das der Gründer der Muslim-Brüderschaft Hassan Al Banna ..." Hassan al-Banna hat diese Worte in den dreissiger Jahren des 20. Jh. gesprochen. Ich brauche nicht erinnern, wer noch alles in diesem Jahrzehnt bei uns hierzulande Schwachsinniges gesagt hat. Aber es ist auch egal, was er sagt, denn es ist eine extremistische Äußerung eines Islamisten. Also eines Teils des Islam, der heute in aller Munde ist, aber wie die Rechtsextremen bei uns nicht mehr als maximal 15% der Muslime ausmachen. Und von diesen Islamisten sind auch nicht alle gewaltbereit, was auch oftmals vergessen wird - es gibt da durchaus Schattierungen, z.B. die apolitischen Islamisten, die gemäßigten Islamisten, usw. Es gibt auch Sympathisanten, Globalisierungsverlierer, diese gibt es aber überall, ohne dass sich irgendeine konkrete Gefahr (für uns) ergibt. Weiteres zu der Entstehung der Muslimbrüder Anfang des 20. Jh. unten.
2. "sie [die Muslimbrüder] gelten als ,moderat“Falsch. Was soll das denn? Das ist Quatsch, sie gelten bei uns und in Ägypten (vor der arabischen Revolution und in den Augen der Theologen der Al-Azhar Universität) als Extremisten und werden vom Verfassungsschutz überwacht. Er weiß das sicherlich auch, da er dieses aber nun schreibt, wird seine eigentliche Absicht mit dem Artikel nunmehr deutlich.
3. "Gewiß, winzige pazifistische Strömungen im Islam haben diese Interpretation nicht akzeptiertFalsch. Das Haus des Islam und des Krieges ist Theorie. Wie bei vielen Ideologien und Religionen. Entstanden in der Auseinandersetzung und in Abgrenzung zum Christentum lange nach Muhammads Tod. Die Praxis war:
"... lassen bereits in den Anfängen eine Verhaltensweise der Eroberer erkennen, die außerordentlich weitreichende Konsequenzen haben sollte : ihre Bereitschaft (und Fähigkeit) zum Kompromiß und Arrangement. Eine muslimische Ökumene – so läßt sich hier schon generalisierend feststellen – ist wesentlich durch Vereinbarungen und Verträge zustandegekommen und nicht durch eine praktizierte Missionskriegs-Mentalität."
aus: Prof. Albrecht Noth. in: Rainer Beck (Hrsg.): Streifzüge durch das Mittelalter - ein historisches Lesebuch. München 1991.
Abgesehen davon, dass es nicht winzige Strömungen sind oder waren. Da muss er mal aufdröseln, welches Jahrhundert er meint, welche Region, welche Gruppen.
4. "andere Strömungen, etwa die sogenannten charidschitischenFalsch. Hier bringt er den Dschihad durcheinander und das vereinfachend auf die Formel "Heiliger Krieg". Heute machen übrigens die Charidschiten weniger als 1 Promille der islamischen Strömungen aus.
Damals (7. Jh.!) wollten sie nach den ersten Kalifen den geeignesten Muslim zum Kalifen wählen lassen, egal woher er kam, nicht wie die Mehrzahl der Muslime es wollte, in direkter Linie vom Geschlecht des Propheten (Sunniten) oder vom Schwiegersohn Ali (Schiiten). Mehr zu den Charidschiten, zum Dschihad, zum Haus des Islam und dem Haus des Krieges hier: Dynastien, Namen und Begriffe der isl. Welt
Besonders Punkt 3, 4, 7 und 8 aus der "Einführung in die Geschichte der islamischen Länder I".
5. "eine Fatwa des Großmufti der Al-Azhar-Universität in Kairo von 1948" Al-Azhar ist eine bedeutende Uni, aber Fatwas gibt es wie Sand am Meer, und man findet zu jedem kleinem "Pups" eine Fatwa, heute, wie in der Historie. Verbindlich sind sie nicht. (Zur Erinnerung: Im Islam gibt es keine kirchliche Hierarchie, die den Zugang zu Gott reglementiert, jeder hat einen direkten Draht, also keine kirchliche autoritäre Strukturen im Islam)
Damals (1948) war zudem die Zeit der Entkolonialisierung und ich möchte mal wissen, welche Völker damals die (europäische) Haager Landkriegsordnung interessierte? So ein Schwachsinn.
6. "deshalb wurden sie in der Regel für höchstens zehn Jahre abgeschlossenFalsch, im osmanischen Reich schon mal nicht. Will nun nicht jedes Jahrhundert durchgehen.
7. "den militärisch überlegenen Muslimen, die Gegenseite unentwegt zu erpressen; auf diese Weise sind im Laufe der Jahrhunderte riesige Mengen an Geldern und Menschen an die muslimische Seite geflossen" Falsch. Verträge wurden auch geschlossen, weil die muslimische Seite schwächer wie die Gegenseite war. "Erpressen" ist der falsche Ausdruck, er verwechselt das mit dem "Vasallentum", welches schon die Römer nutzten, um ihr Weltreich stabil zu halten, so z. B. auch die Osmanen. Das war intelligent, und teilweise auch zum Vorteil für beide Seiten (Pax Romana, Pax Osmanica), sofern die Vassallenfürsten intelligent genug waren, loyal zu sein, und nicht in ihre eigenen Taschen über das Maß zu wirtschaften. Siehe das gestaffelte osmanische Herrschaftssystem auch hier im Blog. Dieses war ja auch (!) ein Grund für eines der langlebigsten Reiche der Weltgeschichte.
Und wo sollen "riesige Mengen an Menschen" in die islamischen Gebiete geflossen sein? Mir sind keine größeren Völkerwanderungen ausser den türkischen und mongolischen bekannt. Vielleicht noch die Juden Spaniens ins Osmanische Reich. Und dazu noch ein paar Protestanen ins osmanische Ungarn und Moldau (Luthers Polemiken folgten daraufhin). Aber deren Wanderungen haben weiß Gott nichts mit einer "Erpressung" zu tun.
Zu den "Erpressungen" siehe auch die Tribute im Film unten in Punkt 8, interessanterweise meist auch von kirchlichen Vertretern eingetrieben, komisch, ne? 
8. "Ibn Chaldun. [...] gezwungen zur Religion des Islam zu bekehren.
Höchstwahrscheinlich Falsch. Zuerst, er sollte mal langsam anfangen, zu erwähnen, WANN jemand was gesagt hat, Chaldun lebte im 14. Jh. und letzteren Teil des Satzes halte ich für eine Fälschung. (Zur Erinnerung: Im Islam gibt/gab es bis auf wenige Ausnahmen keine Zwangsislamisierung). Ich denke mindestens an einen Übersetzungsfehler und wiederum die ungenaue Wiedergabe des kleinen und großen Dschihads. (kleiner Dschihad = militärischer Kampf, großer Dschihad = geistiger Kampf gegen seine eigenen Schwächen, seinen inneren "Schweinehund")
Siehe hier für weitere Infos:
Ibn Chaldun 601. Todestag - Vorläufer von Huntington, Toynbee, P. Kennedy und Marx?
Wer mal wissen will, wie die ersten Jahrhunderte des Islam abliefen, wieso so viele Massen konvertierten, wie sich die Steuern entwickelten (z.B. waren alle Konvertierten erst von der Steuer befreit, was bedeutete, dass die Nichtkonvertierten die Last aller tragen mussten und die Steuerlast durch immer mehr Konversionen immer stärker wurde, bis man sich dann ein anderes Steuersystem ausdachte) der kann oben im Link den "Noth" lesen, oder sich mal das Vorlesungsskript, und sich die Vorlesungsfilme anschauen:
Vorlesung: Geschichte und Geographie der islamischen Welt (WS 2004/05)
z.B. Film 11a Tribute, Entstehung von Kopfsteuer, usw.
Um das Word-Script (1. Link) lesen zu können, braucht ihr den Transkriptions-Font Beyrut:
(Tipp: Man kann das Skript auch nutzen, um zu ermitteln, was in welchem Film behandelt wird, quasi als Inhaltsverzeichnis)
9. " Indes, die Kreuzfahrer handelten nach gängigem Kriegsrecht;" Sie handelten nach gängigen Kriegsrecht, indem sie ihre Glaubensbrüder, die orientalischen Christen bei der Erstürmung abschlachteten? Handelten die Kreuzfahrer bei der Plünderung von Konstantinopel auch nach gängigem Kriegsrecht? Nach der "Haager Landkriegsordnung"? 
10. "führte in siebenundzwanzig Jahren fünfundzwanzig Feldzüge" Und was tat Napoleon? Cäsar? Spaziergänge?  Und zu den Massakern zuvor, habe ich keine Lust alles zu untersuchen, es gab Massaker, immer und überall, auf allen Seiten, mal mehr, mal weniger blutig, wer hätte z. B. gedacht, dass Ende des 20. Jh. immer noch all das in Jugoslawien passieren konnte? Scheint im Menschen drin zu stecken, egal welcher Couleur. Abgesehen davon wiederspricht er sich auch, denn er betont doch immer das Sklaventum? Wenn die immer alles massakrieren, wieso dann nicht besser Versklaven und Profit schlagen? Entweder oder?  (Vielleicht komme ich nochmals zum Sklaventum...)
11. "Amorium (838) ist lange ein Fanal geblieben; die städtische Kultur Anatoliens hat sich davon nie wieder erholt.Falsch. Man kann heute teilweise noch die Ruinen oder auch stehende Gebäude aus Zeiten danach sehen, die ein eindrucksvolles Zeugnis von hoher städtischer Kultur sind. Abgesehen von der Literatur, die man konsultieren kann. Der Ikonoklasmus (Bildersturm) des Byzantinischen Reiches hat im Übrigen ebenfalls verheerende Wirkungen auf die Kunst und Kultur gehabt. Aber das behandelt er natürlich in keiner Weise...
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Ich habe erst 25% durchgesehen, und schon so viele Sachfehler, abgesehen von den Verkürzungen und dem Herauspicken einzelner Aspekte, um die Argumentation des großen Ganzen zu unterfüttern. Ich erspare mir mal den Rest.
Wer schon so viele sachliche faktische Fehler in einen Text einbaut, den kann ich als seriöse Quelle nicht mehr ernst nehmen, selbst wenn einzelne Punkte durchaus zutreffend sind, jedoch so aus dem Kontext gerissen, und so einseitig oder so pauschalisierend dargestellt wird, dass die Analyse insgesamt unbrauchbar wird, es sei denn ein Feindbild Islam zu zementieren. 
(Achja, was mir ad hoc noch einfällt: theoretische Kleiderordnungen für die "Schutzbefohlenen", also Christen, Juden, gab es tatsächlich, manchmal auch mehr oder minder durchgesetzt, ABER, Kleiderordnungen galten auch für Muslime, und auch für die Leute in christlichen Reichen, was z. B. das Tragen bestimmter Farben anbelangt. Nicht so wie heute, wo jeder tragen kann, was er will. Das ist also Geschichtsklitterung von Egon Flaig, weil er nur eine Seite betrachtet. Damals hatten bestimmte Zünfte im muslimischen Gebietem bestimmte Farben, Kleidungsstücke, einige Farben waren reserviert für den Sultan, die Wesire, usw. Also wenn denn mal ein Sultan oder ein Gouverneur besonders mal auf die Kleiderordnungen seiner Untertanen achtete, oder ein Kadi oder ein Zunftaufseher, dann galt es nicht nur für die Christen und Juden, sondern auch für die Muslime. Dieses sollte man wissen, sonst denkt man noch: "Ach, wie schade, die durften nicht alles tragen, was sie wollten.... Das ist ja so gemein von den bösen, bösen Muslimen...")
Ansonsten geht auch Flaig in die Denkfalle, wie viele andere, die meinen "der Islam" sei Staat und Kirche im einem. Ich möchte daher auch auf einen Blogpost verweisen, in dem ich einen Aufsatz exzerpierte, der sich mit den gängigen Thesen in der Islamdebatte auseinandersetzte und sie zerpflückte oder zumindest ins rechte Licht rückte:
Wo Helmut Schmidt sich irrt - Huntington sowie: Islam und Demokratie vereinbar?
Letztlich zeigt sich, dass Egon Flaig hier Demagogie betreibt, oft ahistorisch heute Wertvorstellungen auf die Vergangenheit projiziert, was ihn als Historiker eigentlich bewusst sein sollte. Das er es trotzdem tut, zeigt seine eigentliche Gesinnung und Absicht.
Die islamische Geschichte wie einen Steinbruch zu verwenden, und genau die Stücke herauszuschlagen, die einem gerade so passen, ist eine übliche Unart. Dieses wird auch beim Koran immer wieder getan. Navid Kermani hatte dazu einen interessanten Artikel in der SZ geschrieben:
4. Februar 2003, Süddeutsche Zeitung
Predigt der Koran Gewalt? – Einführung für Laienexegeten
Eine Szene aus dem Alltag des deutsch-muslimischen Dialogs: Zwei deutsche Islam-Experten diskutieren mit einem Muslim die sogenannte "Islamische Charta", in der sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland zu den Grundsätzen der deutschen Verfassung bekennt, so zur Demokratie, zu den Menschenrechten und einem säkularen Rechtssystem. Auf dem Podium belehren die beiden Experten den Muslim, daß seine Charta überhaupt nicht mit dem Islam zu vereinbar sei. Der Islam, so sagte einer der beiden Experten, kenne keine Trennung von Staat und Religion. Deshalb müßten Muslime wesentliche Teile ihres Glaubens aufgeben, wollten sie tatsächlich das Grundgesetz anerkennen. Zum Kernbestand des Islam gehöre, ergänzte der zweite Experte, daß jeder Muslim verpflichtet sei, den Islam gewaltsam zu verbreiten. Der Muslim widerspricht heftig. Verherrlicht der Koran die Gewalt? Die beiden Experten belegten ihre These mit Versen aus dem Heiligen Buch der Muslime, so wie es deutsche Diskutanten stets tun: Kaum eine öffentliche Veranstaltung zum Islam, bei der die deutschen Dialogpartner und, wenn nicht sie, dann zwei, drei Zuhörer aufspringen und den muslimischen Rednern aggressive Verse aus dem Koran entgegenhalten. Gerade im Internet sind Dutzende von beängstigenden Äußerungen im Umlauf. Viele davon sind schlicht erfunden oder tendenziös übersetzt. Aber die korrekten Zitate genügen, um die islamische Gefahr zu beschwören, so der Verweis auf Sure 4:81 "Kämpfe nun um Gottes Willen! Und feuere die Gläubigen an." Ein anderer Vers, der im „Dialog mit den Muslimen“ selten fehlt, ist Sure 2:191: „Und tötet sie (die Heiden), wo immer ihr sie findet." Noch häufiger zitiert, ja wahrscheinlich der im Westen bekannteste Vers des Korans ist Sure 8:12, gewöhnlich als einfaches „Schlagt sie tot“ übersetzt: „Haut ihnen (den Heiden, Ungläubigen) auf den Nacken und schlagt zu auf jeden Finger von ihnen.“ Solche Zitate werden von Muslimen am liebsten mit anderen Zitaten beantwortet. Um im interreligiösen Dialog zu bestehen, verweisen sie auf die Barmherzigkeit Gottes, die der Koran am Anfang jeder Sure hervorhebt, oder auf das Wort „Islam“, das sich von der Wurzel „salama“ ableitet, mithin vom Wort Frieden. Unter den Versen, die Muslimen zum Nachweis ihrer eigenen Friedfertigkeit dienen, ist der beliebteste gewiß Sure 2:256: „Kein Zwang in der Religion“. Auch Sure 5:32 scheint den Humanismus des Islams zu unterstreichen: "Tötet man einen Menschen tötet, ist es, als tötete man die ganze Menschheit."
Man kann ein solches Surenpingpong beliebig fortsetzen. Nur über den Koran selbst erfährt man dabei nichts. Einzelne Verse, aus ihrem textuellen und historischen Kontext gerissen und von ihrer Rezeptionsgeschichte abgetrennt, sagen nichts aus, weder über die Friedfertigkeit noch über die Gewalt des Korans. Den Koran als Steinbruch zu behandeln, aus dem man sich schlägt, was einem gerade paßt, widerspricht seiner sprachlich und kompositorisch hochdiffizilen Struktur, es steht aber auch den wichtigsten Deutungstradition des Islams entgegen.
Bitte hier weiter lesen.
Es gibt noch mehr Artikel des Egon Flaig, zum Beispiel diesen hier, wohl auf einem der zahllosen Hassblogs:
Essay: Djihad und Dhimmitude
"Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht
Sklaverei und Menschenrechte"
Obiger Text zeigt deutlich die Gesinnung des Egon Flaig, und ich muss die Medien kritisieren, dass sie so einem eine Plattform bieten, unter dem Deckmantel des angeblich so "seriösen Professors".
Auf obiges Pamphlet gehe ich nun nicht auch noch ein, sondern verweise auf eine Antwort eines Journalisten, er versucht ein wenig Contra zu geben. Ich habe den Artikel nur überflogen, doch bezweifele ich, dass er zum Beispiel jeden historischen Fehler von Flaig auch genau nachrecherchierte:
Kritische Antwort auf „Djihad und Dhimmitude. Warum der Scharia-Islam gegen die Menschenrechte steht“
Festzuhalten bleibt, durch Pauschalisierungen, durch schiefe Betrachtungen der Historie, durch Beugung von Fakten, kommt man weder der Aufklärung über die Vergangenheit näher, noch erwirbt man sich damit den Ruf ein seriöser Ratgeber in Sachen Islam zu werden. Man liefert nur Munition all jenen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten, denen der Intellekt zur Differenzierung fehlt, denen historisches Wissen fehlt, die meistens auch gar nicht so genau hinschauen, um nicht ihr vorgefasstes Feindbild Islam infrage stellen zu müssen.
(Bildquelle: Wikimedia Commons)

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