Der heilige Tsipras

Aller Augen ruhen auf ihm und auch alle Hoffnung. Wird der neue Mann an Griechenlands Spitze es auf sich nehmen, sein Volk aus der Schuldsklaverei zu führen, hinein in eine lichtvolle Zukunft?

bindende Sachzwänge für Tsipras

bindende Sachzwänge für Tsipras

Die Zeit des Welpenschutzes ist vorrüber. Gegen Alexis Tsipras, den politischen Querschläger der EU, bringt sich das Sturmgeschütz der Demokratie in Stellung. Ein politischer Geisterfahrer sei er, so wird in dem ehemaligen Nachrichtenmagazin gemunkelt. Wenn zuvor jedoch der gesamte Autobahnverkehr um 180° umgelenkt wurde, dann wird jeder, der auf den richtigen Zubringer abbiegt, automatisch zum Geisterfahrer. Und wer Tsipras als Rattenfänger tituliert, insistiert dabei zugleich, dass die ihn unterstützenden Griechen zur Gattung Rattus norwegicus zählen, was diese nicht verdienen. Wechseln wir also die Ebene, um einer Antwort näher zu kommen.

Wir wären nicht, was wir sind, ohne Ackerbau und Viehzucht. Schenken wir uns jetzt mal den Ackerbau und betrachten stattdessen die Viehzucht. Bei jeder Form der Nutztierhaltung geht es darum, die Kontrolle über das liebe Vieh zu wahren. Vorgebene Gehstrecken und Aufenthaltsorte zwingen die Tiere dazu, sich uns zu unterwerfen. Gelegentlich bricht eine Herde aus. Ob in der Mongolei, in Arizona oder Lappland, jedesmal ist die Reaktion gleich. Die Herde wird wieder eingefangen. Das machen wir schon seit Jahrtausenden so und sobald wird sich daran auch nichts ändern. Schließlich sind wir selber nicht mehr, als eine Herde. Griechenland wird daher nicht aus der EU austreten, Europa wird weiterhin in der Schuldenfalle stecken und nach einigen Turbulenzen wird das hellenische Schiff wieder in die altgewohnten Fahrwässer einlaufen. Der arme Mensch ist des reichen Menschen größter Besitz. Den lässt er nicht einfach so davonlaufen.

Als Ende 2014 die Schotten über ihre Unabhängigkeit abstimmten, da war die Nervosität groß unter den europäischen Eliten. Befürchtet wurde ein Dominoeffekt, der andere Länder und Regionen zur Nachahmung anregen könnte. Es begann im Vorfeld des Referendums eine ungeheuerliche Medienkampagne unter der Überschrift: „Scotland stay with us.“ Ansteckbuttons wurde verteilt mit der Aufschrift: „No Thanks!“ Politiker aus ganz Europa und insbesondere aus Großbritanien ließen lauthals ihre Kassandrarufe erschallen, sogar die Queen persönlich sah sich zu einer Stippvisite im schottischen Hochland veranlasst. Schottland würde verarmen, es würde zu einem europäischen Kuba herabgestuft werden. Die Börsen hätten mit Turbulenzen zu rechnen, Banken und Versicherungen würden von Schottland weg nach Großbritanien flüchten. “Wenn Sie das Land zweiteilen, bedeutet das zwei Märkte, zwei Aufsichten, zwei Steuersysteme”, so unkte beispielsweise der Chef des Branchenverbands Scottish Financial Enterprise, Owen Kelly. “Das ist schlecht fürs Geschäft”. Die US-Investmentfirma Black Rock warnte vor einer Aufspaltung der Pensionsfonds und dem daraus resultierenden Kapitalabfluss. Kurzum, die Schotten wurden solange bearbeitet, bis ihre Verunsicherung groß genug war, um gegen ihre Unabhängigkeit zu stimmen.

Als die Katalanen ein Referendum über ihre Unabhängigkeit forderten, wurde dieses Ansinnen vom spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy Brey für illegal erklärt und postwendend per Gerichtsbeschluss verboten. Daraufhin veranstaltete der katalanische Regierungschef Artur Mas ein Testreferendum ohne bindende Wirkung, um zumindestens einen ersten Überblick über die katalanische Stimmungslage zu diesem Thema zu erhalten. Das hätte er besser nicht getan. Umgehend beantragte der Madrider Generalstaatsanwalt Eduardo Torres- Dulce die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Artur Mas, seine Stellvertreterin Joana Ortega und die katalanische Bildungsministerin Irene Rigau vor dem katalanischen Oberlandesgericht, dem Tribunal Superior de Justícia de Catalunya. Der Vorwurf lautet auf Amtsmissbrauch, Amtsanmaßung, Rechtsbeugung, Unterschlagung öffentlicher Gelder und Ungehorsam. Seither ist es still geworden in Katalonien. Nicht besser geht es den Basken. Obwohl ihnen 1979 von Spanien über das Autonomiestatut zentrale Autonomierechte zugesichert worden waren, warten die Basken bis heute auf deren Übertragung. Papier ist eben geduldig. Die Basken offenbar auch.

Ob in Katalonien, dem Baskenland, dem andalusischen Marinaleda, in Schottland, Flandern oder Venetien; Unabhängigkeit ist verboten. Jeder, der ausschert, wird verfolgt, egal ob Spanier, Schotte, Italiener oder Grieche. Dies gilt in besonderem Umfang für die Krim, für die Lugansker Volksrepublik sowie die Donezker Volksrepublik, wo von westlichen Politgangstern Sanktionen und sogar die Todesstrafe verhängt wurden. Es gilt der Leitsatz: „Wer sich nicht ausbeuten lässt, wird bekämpft”, und ich müsste mich gründlich irren, wenn dies im Falle Griechenlands anders wäre.



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