Der Großmufti von Jerusalem

Amin al-Husseini (1893 – 1974) war eine der Schlüsselfiguren des 20. Jahrhunderts im „Nahen Osten“. Für die Ausbreitung des modernen Antisemitismus im arabischen Raum und die Zusammenarbeit  mit dem NS Regime in Deutschland spielte er eine entscheidende Rolle. Der extreme Antisemit Amin el-Husseini war 30 Jahre der politische Führer und 16 Jahre das religiöse Oberhaupt der palästinensischen Muslime. Zeitweilig war er der wichtigste Repräsentant der arabischen Welt. Er war Mitglied der „SS“ und betrieb NS-Propaganda für Deutschland in arabischer Sprache. Während des 2. Weltkrieges half der „Großmufti“ auf dem Balkan bei der Mobilisierung von Moslems für die Waffen-SS. Nach dem Krieg wurde al-Husseini in mehreren europäischen Staaten als Kriegsverbrecher gesucht, fand aber in Ägypten Asyl, wo er seine Ideen weiterverfolgte.

Die türkische Herrschaft wurde durch die britische Herrschaft abgelöst. Laut Beschluss des Völkerbundsrates wurde Großbritannien 1922 zur Mandatsmacht über Palästina erklärt. Die faktische Übertragung des Mandats erfolgte bereits auf der Konferenz in San Remo 1920. Transjordanien (77% Palästinas) wurde am 15. Mai 1922 formal ein unabhängiger Staat unter britischer Kontrolle. Juden wurde nicht gestattet sich in Transjordanien aufzuhalten oder gar zu siedeln. Damit sahen viele Juden die Versprechungen der Briten an die Araber als erfüllt an. Amin el-Husseini gehörte zu denjenigen die eine völlig andere Position hatten und für eine Politik der Kompromisslosigkeit, der Unversöhnlichkeit und des „alles oder nichts“ stehen sollte. Amin al-Husseini wollte ein „judenreines“ Palästina.

Der Großmufti von Jerusalem

al-Husseini und Hitler

Amin al-Husseini stammte aus einer reichen einflussreichen Großgrundbesitzerfamilie Palästinas. Bis 1920 leitete er den radikalen Arabischen Club in Jerusalem, der zur Verteidigung der arabisch-palästinensischen Interessen gegründet wurde. Zielsetzung war die Vereinigung mit Feisals Haschemitenregime in Damaskus.  In dieser Zeit wurde der Konflikt zwischen den beiden mächtigsten palästinensischen Familien, den Husseinis und  Nashashibis offensichtlich. 1921 starb Kamil el-Husseini der Mufti von Jerusalem, sein Nachfolger wurde nach vielen Konflikten mit den  Nashashibis Amin al-Husseini, 1922 wurde er zum Präsidenten des Moslemischen Oberrats bestimmt. Dem neuen Mufti diente die Religion nicht nur als Instrument der Massenmobilisierung gegen Juden und gegen die „Moderne“, sondern auch als Mittel der Repression. „Ein Vorfall an der Klagemauer wurde vom muslimischen Oberrat unter al-Husseini dermaßen aufgebauscht, dass es 1929 zu heftigen Ausschreitungen kam, die ihren Höhepunkt in der Ermordung von mehr als 130 Juden in Hebron erreichten“. Derartige Ausschreitungen stärkten seine Position. Im April 1936 wurde der Mufti von allen arabischen Clan-Parteien zum Präsidenten des Obersten Arabischen Komitees (AHC) ernannt. Er benützte diesen Posten in erster Linie dazu seine arabischen Gegner während der Unruhen 1936-39 auszuschalten. 1937 nach Auflösung des AHC durch die Briten musste der Mufti aus dem Land fliehen.

Auch der Machtkampf zwischen den „Husseinis“ und  „Nashashibis“ erreichte zwischen 1936 und 1939 seinen Höhepunkt. Unter der Leitung des „Großmufti“ versuchten die nicht-jüdischen Araber mit einem Generalstreik die jüdische Einwanderung zu stoppen. Schrittweise wurde der Streik durch „institutionalisiertes Bandentum“ ersetzt. Der Mufti ging mit äußerster Härte gegen seine Gegner innerhalb des palästinensischen Lagers vor. Die „Muftibanden“ setzten mit Mord und Totschlag die neue Kleiderordnung durch. Unislamische Abweichler wurden massenhaft liquidiert. Unterstützt wurde Amin al-Husseini und seine Bewegung finanziell, politisch und mit Waffenlieferungen vom nationalsozialistischen Deutschland. Nach dem arabischen Aufstand wurde die Familie der Nashashibi, die den Ausgleich mit den jüdischen Nachbarn suchten,  mit ihren Gleichgesinnten entweder ermordet oder vertrieben.  So verließen in diesen Jahren zahllose christlichen Araber sowie fast der gesamte palästinensische Mittelstand das Land. Von diesem Exodus hat sich die palästinensische Gesellschaft bis heute nicht erholt. Der Mufti hat den Islam also auf dreierlei Weise instrumentalisiert: erstens als Basis für einen islamisch motivierten Judenhass, zweitens als Waffe gegen die Moderne und drittens als Vorwand für Terrorismus und Gewalt. Am Beispiel der Schlüsseljahre 1937 und 1947 lässt sich zeigen, wie sehr diese Instrumentalisierung die Geschichte des Nahost-Konflikts geprägt hatte und bis heute prägt.
Es dauerte einige Jahrzehnte, bis sich der frühislamische Judenhass mit der antisemitischen Weltverschwörungstheorie verband. Erst zwischen 1937 und 1945 wurde diese Fusion besiegelt und die Ideologie des islamischen Antisemitismus massenhaft verankert. Das entscheidende Instrument hierfür war die nationalsozialistische Propaganda in der islamischen Welt. Diese Propaganda war  religiös orientiert. Der Nationalsozialismus öffnete sich für bestimmte Aspekte des Islam. Die Nazis versuchten ab 1937 mit ihrem Antisemitismus deutsche Überzeugungsarbeit in Palästina zu leisten. Es war jetzt aber ein Antisemitismus besonderer Art, welcher den antijüdischen Kampf Mohammeds aus dem siebten Jahrhundert mit der vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung des 20. Jahrhunderts unmittelbar verknüpfte.
Den Auftakt machte das 31-seitige Pamphlet „Islam-Judentum. Aufruf des Großmufti an die islamische Welt im Jahre 1937.“ Es wurde mit deutscher Hilfe erstellt, 1937 erstmals verbreitet und anschließend in der ganzen arabischen Welt wie auch unter den bosnischen Teilnehmern der muslimischen SS-Division verteilt. Himmler schwärmte von der „weltanschaulicher Verbundenheit“ zwischen dem Nationalsozialismus und dem Islam. „Aus den Muselmanen wurden „Muselgermanen“. Die „weltanschaulich geistige Erziehung“ der muselmanischen SS-Division wurde mit dem Mufti besprochen, und es wurde mit ihm vereinbart, dass der Nationalsozialismus als völkisch bedingte deutsche Weltanschauung und der Islam als völkisch bedingte arabische Weltanschauung unter Herausstellung der gemeinsamen Feinde (Judentum, Anglo-Amerikanismus, Kommunismus, Freimaurerei, Katholizismus) gelehrt werden sollten.

Der Großmufti von Jerusalem

al-Husseini beim Abschreiten seiner „Handschar“ Waffen-SS

Der Mufti flüchtete 1937 in den Irak, wo er die Pro-Achsenpolitik unterstützte und auch dabei finanziell von Deutschland unterstützt wurde. Hitler machte intern im Sommer 1939 aus seinem Rassismus kein Geheimnis: „Wir werden weiterhin die Unruhe in Fernost und in Arabien schüren. Denken wir als Herren und sehen wir in diesen Völkern bestenfalls lackierte Halbaffen, die die Knute spüren wollen.“ Zur Politik der Unruhestiftung im Irak trug der Mufti erheblich bei. Im Irak kam es im Frühjahr 1941 zu einer Auseinandersetzung mit den Briten, die am 1. und 2. Juni mit einem Pogrom endete, dem 179 Juden zum Opfer fielen. Eine irakische Regierungskommission verurteilte den Mufti als einen der Mitschuldigen. Über Teheran, Istanbul und Rom gelangte der Mufti im November 1941 nach Berlin, wo er bis 1945 blieb. Der Antisemitismus des „Großmufti“ war ungebrochen. Im November 1943 sagte er im Berliner islamischen Zentralinstitut, wo er das nationalsozialistische Deutschland als Beispiel nahm: “…wusste, wie es sich von dem Unheil der Juden erretten konnte [...] Es hat die Juden genau erkannt und sich entschlossen für die jüdische Gefahr eine endgültige Lösung zu finden, die ihr Unheil in der Welt beilegen wird.“
Zwischen 1939 und 1945 strahlte der deutsche Kurzwellensender Radio Zeesen allabendlich seine Programme mit  islamischen Antisemitismus, in arabisch, türkisch und persisch, aus. Ein Medium, dass auch die analphabetischen Massen in den Teehäusern und Basaren erreichte. Josef Goebbels zufolge waren 1943 etwa 80 Prozent der orientalischen Wortbeiträge von Radio Zeesen antijüdisch orientiert. Im April 1945 wurde Radio Zeesen stillgelegt, doch der Antisemitismus wirkte im Nahen und Mittleren Osten weiter nach.
Nach dem Krieg wurde bekannt, dass, durch die Interventionen von Amin el-Husseini gegen die Ausreise von jüdischen Kindern aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien nach Palästina, tausende Kinder in den deutschen Vernichtungslagern und deren „Gaskammern“ den Tod fanden. Zum Beispiel schlug er dem bulgarischen Außenminister vor: „Ich möchte mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass es sehr angebracht und zweckmäßiger wäre, die Juden an der Auswanderung aus Ihrem Land zu verhindern, und sie dorthin zu schicken, wo sie unter starker Kontrolle stehen, z.B. nach Polen. Damit entgeht man ihrer Gefahr und vollbringt eine gute, dankbare Tat dem arabischen Volke gegenüber.“

Doch erst 1947 erhielt der unerhörte Umstand, dass der in Europa als Nazi-Kriegsverbrecher gesuchte al-Husseini erneut als Sprecher aller Palästinenser reüssieren konnte, historisches Gewicht: Sein Antisemitismus, der zuvor tausenden Menschen das Leben gekostet hatte, richtete sich Jahre später gegen Israel. Obwohl dieser Mann spätestens 1947 – nicht zuletzt wegen seines Judenhasses – auch in der Arabischen Liga isoliert war, fand kein arabischer Staatschef den Mut, dem populären Führer der Palästinenser zu widersprechen. 1947 bestand die Möglichkeit eines Palästinenserstaates. Diese Möglichkeit hat der „Großmufti von Jerusalem“ , Amin al-Husseini durch seine Intransigenz verspielt.

Klaus Gensicke zeigt die Verbindung zur Charta der Hamas auf und resümiert: „Dieser zur Tradition gewordene fanatische Extremismus bleibt so virulent wie zur Zeit des „great uprising“ (1936-1939) und stellt eine gescheiterte Politik der Kompromisslosigkeit, der Unversöhnlichkeit und des „alles oder nichts“ dar. Indem diese Politik unnachgiebig weitergeführt wird, lässt sie auch das Schicksal der Palästinenser hoffnungslos erscheinen.“

Quellen:
Matthias Küntzel – Djihad und Judenhaß
Matthias Küntzel – Islamischer Antisemitismus und deutsche Politik
Klaus Gensicke – Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten
K.M Mallmann/Martin Cüppers – Halbmond und Hakenkreuz


Tagged: Amin el-Husseini, Gensicke, Küntzel, Mallmann Cüppers, Mufti von Jerusalem

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