„Gottesstaat Iran“ : Regime Change statt Dialog!

Gastbeitrag von Manfred Breitenberger:

Auf Mahmud Ahmadinedschad soll am 4.8.2010 ein Attentat per Handgranate verübt worden sein. Staatliche iranische Medien weisen entsprechende Berichte zurück. Eventuell ist der Widerstand gegen den Gottesstaat noch nicht völlig zum Erliegen gekommen. Andererseits hätte der Tod Ahmadinedschads die Politik des Irans nicht wirklich verändert. Die größte Macht im Staate liegt wohl in den Händen von Ali Chameini. In der Geschichte Irans gab es durchaus Möglichkeiten für eine menschenwürdigere Politik.  Irans Beziehungen zu Deutschland und dem „Westen“ standen diesem Weg oft entgegen. Eine große Hürde für einen „besseren Weg“ ist die iranische Staatsreligion. Fazlollah Nuris Sätze,“ Der Islam verlangt Gehorsam und nicht Freiheit, Ungleichheit und nicht Egalität“ und „Was ich will ist ein islamisches Parlament, das kein Gesetz verabschiedet, dessen Inhalt mit den Gesetzen des Koran nicht übereinstimmt.“ bestimmen bis heute die Politik. Gibt es aktuell politische Alternativen im Iran? Hatte Mossadegh 1953 eine Chance?  Ist der „Kritische Dialog“ Deutschlands mit dem Iran gescheitert? Würden die angeblichen Reformer  Hashemi Rafsandschani oder Hossein Mussawi das iranische Atomprogramm stoppen oder für eine menschenwürdige Innenpolitik eintreten? Diese Fragen versuche ich „anzureißen“.

Hashemi Rafsandschani, von 1989 bis 1997 iranischer Präsident, gilt in Deutschland als gemäßigt. Am „Al-Quds-Tag“ 2009  sagte er: “Hitler sei dazu gezwungen gewesen, die europäischen Juden zu ermorden, da sie ein „Schmerz im Nacken“ gewesen seien und den europäischen Regierungen nur Probleme bereitet hätten, weil sie „viel Besitz“ und ein „Propagandaimperium“ besessen hätten. […] der Nationalsozialismus habe Europa vom Schrecken des Zionismus befreit.“ Wie er sich die Befreiung vom Zionismus heute vorstellt, hat er 2003 erklärt, als er sagte, eine einzige in Israel gezündete Atombombe würde „alles zerstören“.  Auch der vermeintliche Reformer Mussawi gehörte stets zur herrschenden islamischen Kaste im Iran. Mussawi war ein treuer Anhänger Khomeinis, war im Revolutionsrat, dem Vorgänger des Wächterrats. 1981 wurde Mussawi für knapp vier Monate iranischer Außenminister und verteidigte die Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran durch regimetreue Studenten. In seine Amtszeit als Premierminister fielen zum einen der iranisch-irakische Krieg mit hunderttausenden Toten – darunter zahllose Kinder und Jugendliche, die als Minenräumer bei den Bassidschi-Milizen missbraucht wurden und zum anderen die Ermordung Zehntausender Oppositioneller und Regimekritiker. Mussawi begrüßte den Terror der Hisbollah im Libanon und lehnte jegliche Verhandlungen mit den USA ab. Die Entwicklung des Irans zu einem islamfaschistischen Gottesstaat war nicht „gottgegeben“. Es gab in der Geschichte Irans des Öfteren die Möglichkeit die vorhandenen Potentiale zu nutzen. Die wohl fortschrittlichste Regierung die der Iran in der Neuzeit hatte, war die Regierung von Mohammad Mossadegh in der Zeit von 1951 bis 1953.

Am 29. April 1951 ernannte der Schah Mossadegh zum Premierminister, nachdem am 7. März 1951 ein tödliches Attentat auf Premierminister Haj Ali Razmara begangen worden war. Bereits am 15. März 1951, hatte das Parlament das Gesetz zur Verstaatlichung der Ölförder- und Raffinerieanlagen verabschiedet. In den folgenden zwei Jahren der Amtszeit Mossadeghs tobte diplomatischer Kampf zwischen den Briten, die die Verstaatlichung rückgängig machen wollten. Mossadegh ließ erfolgreich das Parlament über ein Referendum auflösen um weitreichende Befugnisse als Ministerpräsident zu erhalten. Damit schien der Schah die Kontrolle über den Iran zu verlieren. Mossadeghs wichtigste Stütze war der damals populärste Geistliche, Ayatolla Abdul-Quasem Kashani. Der 1882 geborene Kashani gehörte zu den schillerndsten Figuren im Iran. Im 2. Weltkieg war er Naziagent und von den Briten inhaftiert. Er unterstützte Fadayan-i Islam. Er war antiwestlich orientiert und propagierte die Rückkehr zur Sharia. Durch seine wiederholten Verhaftungen kam er zu großer Popularität in den Armenvierteln Teherans. Mit Mossadegh und Kashani war erstmals ein antiimperialistisches Bündnis an der Macht. Das Bündnis zwischen Navvab Safawi und Abdul-Kasim Kashani zerbrach. Kashani hatte Navvab Safawi als Religionsminister abgelehnt und damit die Fadayan gegen die Regierung aufgebracht. Als Mossadegh die Teheraner Verkehrsbetriebe verstaatlichen und das Frauenwahlrecht einführen wollte, zerbrach das Bündnis zwischen Kashani und Mossadegh. Die Religionsführer des Iran schlossen sich Kashani an und organisierten Demonstrationen gegen das Frauenwahlrecht. Aus Quom rief auch Khomeni zum Widerstand gegen Mossadegh auf. Am 19.8.1953 wurde Mossadegh gestürzt. Dafür gab es drei Gründe: Der innenpolitisch organisierte Aufstand, geführt von den religösen Kräften des Landes, Kashani, Navvab Safawi und Khomeini. Das Zentralorgan der Fayayan rühmte die Bewegung gegen Mossadegh als islamische  Revolution. Zum zweiten hatten die USA und England (Operation Ajax) einen Putsch gegen Mossadegh politisch, moralisch und finanziell unterstützt. Ohne diese Rückendeckung hätte General Zahedi die gewaltsame Absetzung Mossadeghs nicht riskiert. Der dritte Grund war das zögerliche Verhalten der Tudeh-Partei. Sie allein hätte den Ansturm der konservativen Geistlichkeit verhindern können. Dazu kam, dass Mossadegh sich eine Unterstützung der Tudeh-Partei ausdrücklich verbeten hat. Nach dem Putsch stand Mossadegh bis zu seinem Tod unter Hausarrest. Auf die Ermahnung des Schahs nicht mehr in die Politik einzugreifen, soll Mossadegh geantwortet haben: „Ich wäre ganz schön verrückt, mich um ein Volk zu kümmern, dass mich in der Not im Stich gelassen hat!“

Der Schah wollte mit seiner „Weißen Revolution“ aus dem feudal geprägten Agrarstaat Iran einen modernen Industriestaat machen. Es gab ein 1963 Referendum über das Reformprogramm gegen den Widerstand der Geistlichkeit. Trotz einer Fatwa gegen das Programm (u.a. aktives und passives Frauenwahlrecht) wurde es mit überwältigender Mehrheit angenommen. Am 3. Juni 1963 griff Khomeini während der Aschura-Feierlichkeiten den Schah in einer Rede in Qom persönlich an, indem er eine Rede gegen den Tyrannen unserer Zeit hielt: „Diese Regierung ist gegen den Islam gerichtet. Israel ist dagegen, dass im Iran die Gesetze des Korans gelten. Israel ist gegen die erleuchtete Geistlichkeit … Israel benutzt seine Agenten in diesem Land, um den gegen Israel gerichteten Widerstand zu beseitigen … der Koran, die Geistlichkeit … Oh Mr. Schah, oh erhabener Schah, ich gebe Ihnen den guten Rat nachzugeben und (von diesen Reformen) abzulassen. Ich will keine Freudentänze der Bevölkerung sehen, an dem Tag, an dem Sie das Land auf Befehl Eurer Meister verlassen werden, so wie alle jubelten, als Ihr Vater das Land einst verlassen hat.“ Nach dieser Rede wurde Khomeini am 5. Juni 1963 verhaftet. Der iranische Geheimdienst  des Schahs, SAVAK schreckte nicht vor Mordanschlägen und Folterungen zurück. So war der Schah unfähig, das autoritäre System im Gleichschritt mit der Modernisierung zu lockern und in freiere politische Formen zu überführen. Khomeini hatte vor der islamischen Revolution von hunderttausenden Toten gesprochen, die das Regime des Schahs zu verantworten habe. Während der Nationalist Mossadegh zumindest im Ansatz republikanische Forderungen verfocht, wollte Khomeini stets das Gegenteil: Er wollte die Herrschaft des Schah durch die Herrschaft der Scharia zu ersetzen.
Khomeini hat sich bei der Entwicklung seiner politischen Konzepte  auf Fazlollah Nuri berufen. Khomeini hat Fazlollah Nuri Ziel, einen iranischen Staat zu gründen, dessen Parlament kein Gesetz verabschiedet, dessen Inhalt nicht mit dem Koran übereinstimmt, in die Realität umgesetzt. Eine der zentralen Themen Khomeinis war es, das die Revolte und besonders der Kampf des Märtyrers gegen Ungerechtigkeit und Tyrannei zentraler Bestandteil Teil des schiitischen Islam sei, und dass Muslime dem Islam und nicht dem Weg des westlichen Liberalismus und Kapitalismus noch dem des östlichen Kommunismus folgen sollten. Am 4. November 1979 begann der „Aufstand aus dem Geist der Religion“. Am Vormittag dieses Tages brechen 400 mit Schlagstöcken und Ketten bewaffnete Khomeini-Anhänger das Tor zur amerikanischen Botschaft in Teheran auf, stürmen das Gelände und nehmen die 66 anwesenden Botschaftsmitarbeiter als Geiseln. Die 444 tägige Geiselhaft, mit Scheinerschießungen und Schlägen, dauert bis Januar 1981. Man habe die Amerikaner „schon oft erniedrigt“, rief Ahmadinejad im Januar 2007 seinen Anhängern zu „und wir werden euch auch in Zukunft erniedrigen.“ Freies Geleit des Gesandten war schon immer die erste Form von Zivilisation. Khomeinis Iran zeigte von Anfang an, diese Zivilisation aufkündigen zu wollen. Die weitere Entwicklung des Irans  ist bekannt.

Von Anfang an war sich der Westen in der Behandlung des „Gottesstaates Iran“ uneinig. Seit 1890 hat Deutschland die besten Beziehungen zu Persien oder später zum Iran. Besonders eng waren die Beziehungen zwischen 1933 und 1945. Im Jahr 1940/41 stammten 80% aller nach Iran gelieferten Maschinen aus Nazideutschland. Im August 1941 mussten britische und sowjetische Truppen mit Waffengewalt den lebensnotwendigen „persischen Korridor“ durch den, mit NS-Deutschland „verbündeten“ Iran durchsetzen. Die iranische Regierung unterstützte Angriffe und Sabotageakte auf die britischen Waffen- und Warenlieferungen, die  durch den Iran an die kurz zuvor von NS-Deutschland angegriffene Sowjetunion geleitet wurden. Der ideologische Kitt zwischen Nazideutschland und dem damaligen Iran, war das gemeinsame „Ariertum“. Bereits im ersten Weltkrieg hatten einige schiitische Kleriker den deutschen Kaiser als Schutzpatron verehrt. Viele iranische „Geistliche“ sahen in Adolf Hitler die Gestalt, die von Gott als „Zwölfter Imam“ gesandt worden ist. Die guten Beziehungen blieben auch nach dem zweiten Weltkrieg bestehen.1984 hatte Hans-Dietrich Genscher als erster westlicher Außenminister dem Mullah-Regime seine Aufwartung gemacht. Seither sind die deutsche und die amerikanische Iranpolitik getrennte Wege gegangen. Während Washington sein nationales Embargo gegen die Sponsoren des Terrors immer weiter verschärfte, heizte Deutschland, dessen Diplomaten und Soldaten weder gekidnappt noch in die Luft gesprengt wurden, den Iranhandel mit immer großzügigeren Hermes-Bürgschaften an. Die rot-grüne Regierung setzte diese Politik nahtlos fort, steigerte sie sogar. In Deutschland wollte und will man den sogenannten kritischen Dialog mit Teheran nicht in Frage stellen. Denn der Exportweltmeister ist immer noch der wichtigste Handelspartner des Iran. Allein im Jahr 2008 betrug das Handelsvolumen annähernd vier Milliarden Euro. Rund 1.700 deutsche Firmen sind im Iran aktiv, 75 Prozent aller kleinen und mittelständischen Betriebe sind mit deutscher Technologie ausgestattet. Heute sind fünftausend deutsche Unternehmen im Iran-Geschäft engagiert, ein Drittel von ihnen mit eigenen Vertretern oder Niederlassungen im Land.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Regierung unter dem „republikanischen Nationalisten“ Mossadegh scheiterte  am religiösen Widerstand gegen notwendige Reformen, an der beiderseitigen mangelnden Kooperation von Mossagegh und der kommunistischen Tudeh-Partei und an der britisch-amerikanischen Unterstützung des Schahs durch die „Operation Ajax“. Ähnlich war es bei der  Machtübernahme des islamischen Gottesstaates. Die Tudeh-Partei kooperierte mit den islamischen Geistlichen um das verbrecherische Schah-Regime abzulösen. Für den „Westen“  war Khomeini fälschlicherweise das kleinere Übel. Die Angst vor dem sowjetischen Kommunismus „vernebelte“ die Wahrnehmung. Die islamische Revolution liegt nun über 30 Jahre zurück. Seitdem wurden und werden (linke) Oppositionelle tausendfach gefoltert und hingerichtet. Durch die islamische „Sharia“ wird die eigene Bevölkerung terrorisiert. Im Iran werden (minderjährige) „Ehebrecherinnen“  gesteinigt und erhängt, (minderjährige) Homosexuelle werden an Baukränen erhängt, beispielsweise bei Diebstählen werden Finger oder Hände amputiert usw. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad will Israel von der Landkarte ausradieren. Im Iran werden sogenannte Holocaust – Konferenzen abgehalten mit „Referenten“ (Holocaustleugnern) aus der ganzen Welt. Bezeichnend ist, dass in der Zeit um 1980 große Teile der Grünen und der Linken Deutschlands die „islamische Revolution“ begrüßten und Teile dieser Gruppen dies nach über 30 Jahren Terrorherrschaft immer noch tun. Jürgen Elsässer bezeichnete 2009 die iranischen, demonstrierenden Frauen und Männer als „Discomiezen“, „Drogenjunkies“ und „Strichjungen des Finanzkapitals“, und gratulierte Ahmadinejad zu seiner Wiederwahl:“ Glückwunsch Ahmadinedschad! … „Gut, dass Ahmadinedschads Leute aufpassen und den einen oder anderen in einen Darkroom verfrachtet haben.“ Jürgen Elsässer ist leider nicht alleine mit seiner Meinung. Die „linke“ Publizistin Katajun Amirpur nahm  2008 wegen, vermeintlicher Übersetzungsfehler, eine berüchtigte Anti-Israel- Rede Ahmadinejads in Schutz. Im Jahre 2004 „bejubelte“ Amirpur die angekündigte Ablösung der Steinigung im Iran durch den Tod am Strang „als einen Schritt in die richtige Richtung„. Viele angeblich aufgeklärte Menschen, sehen trotz Rushdie-Affäre, Mykonos-Attentat, Terrorförderung, Disidentenverfolgung, Sharia-Gesetzgebung,  Holocaustleugnung und Israelhetze im Iran absurderweise ein Bollwerk gegen den Kapitalismus.  Obwohl die „grüne Bewegung“  heterogen zusammengesetzt ist, alle fortschrittlichen Kräfte im Iran dürften dort zu finden sein,  braucht die iranische Opposition die Unterstützung des Westens. Ein „kritischer Dialog“ mit dem islamfaschistischen iranischen Regime, der ausschließlich von wirtschaftlichen deutschen Interessen geleitet wird, ist  unmoralisch und reaktionär. Die frühmittelalterlichen Konzepte des Islams sind nicht emanzipatorisch. Die „Ahmadinedschad-Fans“ hierzulande sollten umdenken: Regime Change statt Dialog!

Quellen:
- Mathias Küntzel – Die Deutschen und der Iran
- Wikipedia


Tagged: Abdul-Kasim Kashani, afsandschani, Iran, Israel, Manfred Breitenberger, Mossadegh, Tudeh

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