Der glücklose Therapeut

Der glücklose Therapeut

 

Titel:  Der glücklose Therapeut
Originaltitel: The Measure of Mercy
Autor: Noam Shpancer
Genre: Belletristik
Seiten: 256 Seiten
Verlag:Albrecht Knaus Verlag ISBN-10: 3813505073
ISBN-13: 978-3813505078

Erste Sätze:
Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann mir klar wurde, dass Barry Long log. Ich weiß, dass man Begriffe wie Präzision nicht auf das Gedächtnis anwenden sollte. Auch vom Lügen sollte man so nicht sprechen. Dennoch belastet mich, wie die Sache ausging, dass es mir nicht gelang, zwei und zwei zusammenzuzählen.

Klappentext:
Zum Psychologen David Winter kommen Menschen, die nicht mehr weiter wissen. Meist gelingt es ihm auch, seinen Patienten den Weg zu einem zufriedeneren Leben zu weisen. Doch dann übernimmt er den Fall des depressiven Versicherungsangestellten  Barry Long und ist zum ersten Mal in seinem Berufsleben überfordert. Als auch seine Familie ihm immer mehr entgleitet, ringt er verzweifelt um Kontrolle – und begeht eine therapeutische Todsünde.

Inhalt:
Der Psychotherapeut David Winter ist auf Depressionen spezialisiert, seine Arbeit bedeutet ihn sehr viel, Menschen aus einer Krise zu helfen, ist seine selbsternannte Aufgabe. Schwierig wird der Arbeitsalltag jedoch, wenn das eigene Privatleben ein wenig Kopf steht und die Gedanken gerne mal woanders hängen. Sein neuer Patient Barry Long, er stellt eine Herausforderung dar, seine Depression ist schwer und hartnäckig, der Wunsch nach dem Tod alles umfassend. Die Therapie ist für beide Seiten sehr kräftezehrend und eine Herausforderung für beide Parteien, während nämlich David Winters Leben selbst einen Abwärtstrend aufnimmt, hängt Barry Long weiterhin seiner Todesfantasie nach. Gibt es eine Chance für die beiden? In wie weit kann man jemanden helfen, wenn man selbst gerade Hilfe bitter notwendig hätte?

Meine Meinung:
Noam Shpancers erster Roman „Der gute Psychologe“ hat mir wahnsinnig gut gefallen, so dass es keine Frage war, auch sein neues Buch zu lesen, jedoch konnte es meiner Erwartungshaltung nicht ganz erfüllen.
David Winter, der Therapeut, er wird einem das ganze Buch über nicht sympathisch, man erkennt seinen Willen zur Hilfe und erkennt auch seine privaten Probleme, doch irgendwie wirkt er auf einen sehr unterkühlt, nahezu distanziert von der Welt. Man möchte Interesse für sein Handeln entwickeln, da er aber selbst nicht viel davon zeigt, entsteht auch beim Leser ein gewisses Desinteresse. Es ist jedoch nicht nur David Winter, der farblos durch die Geschichte marschiert, auch Barry Long bleibt viel zu kantenlos. Man hat seine Depression und Selbstmordversuche, doch da ist kein Draht zu ihm vorhanden, seine Gedanken, man erfährt sie einfach nicht, nicht einmal schemenhaft, es herrscht Leere, nur eine tiefe Leere und so ist es schwer, so etwas wie Mitgefühl für den Patienten zu entwickeln und es ist traurig, in einem solchen Buch, eben nicht dieses Gefühl entwickeln zu können, weil es doch so zentral und wichtig wäre.

Ich glaube auch, wer sich hier einen Roman erwartet, der wird ein wenig enttäuscht sein. Es gab Abschnitte, die erinnerten mehr an ein Fachbuch und wer dann nicht an Psychologie interessiert ist, der wird sich schwer tun, an der Geschichte festzuhalten, weil sie doch irgendwie trocken wirken könnte. Mir gefiel diese Aufteilung,  keine Frage, weil eben Interesse vorhanden ist, aber auch wenn es spannend gemacht ist, so wird es nicht bei jedermann Anklang finden, so bin ich mir sicher.

David Winter hat selbst Probleme, was ich eine gute Idee fand, weil man ja gerne der Annahme verfällt, ein Psychologe würde die Welt verstehen und sie immer durch die richtige Brille betrachten. Eine fatale Fehlannahme, Psychologen stolpern über ähnliche Dinge, wie ein Mensch in jeder anderen Berufsgruppe auch. Die Ehe von David Winter ist kaputt, schon lange, aber wie es ist, wenn die Liebe langsam verschwindet, die meisten tragen dabei Scheuklappen und erst wenn es zu spät wird, dann beginnt man darüber nachzudenken – hier fehlt es mir jedoch gänzlich, dass der Therapeut irgendwas macht. Er ist vielleicht in einer Schockstarre gefangen, weiß nicht wie handeln, das könnte man daraus ableiten, allerdings vergisst er darüber auch seinen Patienten Barry Long und verstrickt sich mehr in fachliche Gedanken, macht alles irgendwie halbherzig, wobei man doch merkt, wie sehr er versucht zu funktionieren, aber es kommt vielen vermutlich bekannt vor, wenn die eigene Welt verrücktspielt, dann gelingt es nicht unbedingt, immer 100% zu geben, doch genau das müssen Psychologen tun, weil sie eine riesige Verantwortung tragen und letztlich, egal was auch geschieht, man kann keinen Vorwurf machen, weil es unangebracht wäre, aber es wird aufgezeigt, was für ein verantwortungsbeladender Beruf es ist, für andere Menschen da zu sein.

Fazit:
Der Rahmen ist gut gewählt, er würde Platz für eine wunderbare Geschichte bieten, nur leider sind die Charaktere so weit entfernt, nicht fassbar, dass es dem Leser einfach nicht gelingen mag, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen und kann man nicht mit ihnen mitfühlen, dann stellt sich leider auch eine seltsame Kälte ein, in Bezug auf Dingen, die ihnen widerfahren. Meine Erwartungen konnte das Buch leider nicht erfüllen.

3 Sterne



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