Der Gipfel war der Gipfel und ein drittklassiges Schmierentheater

Den folgenden Beitrag habe ich heute für den Ohrfunk geschrieben.

Es sollte, wie immer, wenn Donald Trump dabei ist, ein historischer Gipfel sein, das Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki. Die Medien drehten in diesen Stunden wieder einmal durch. Überall konnte man Liveticker verfolgen, während es eigentlich nichts zu erzählen gab, weil die Delegationen sich in ganz kleinem Kreise in den Räumen des finnischen Präsidenten Niinistö trafen. Man konnte von journalistischer Seite über dieses absolut besondere Treffen schwadronieren, man konnte über die Präsidentengattinnen sprechen, die ebenfalls über Themen sprachen, die für ihre Länder von Bedeutung waren, was immer das auch heißen sollte.

Manchmal frage ich mich wirklich, was sich die Medien von solchen spektakeln versprechen. Vor zwei Monaten, als sich Trump mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong un traf, hörte es sich nach dem Gespräch so an, als würden noch am selben Tag alle Atomwaffen abgebaut und die Länder wären fortan die dicksten Freunde. Nach Trumps Worten war das Treffen einfach nur großartig, wie alles erst einmal immer großartig ist, und natürlich hat er auch immer mit allem Erfolg und wird von allen geliebt. Das weiß man doch inzwischen. Was also sollte bei diesem Treffen anders sein?

Mit einiger Verspätung gab es am Montag gegen 17 Uhr die erwartete Pressekonferenz, und Wladimir Putin sprach in den Bahnen altbekannter Gipfeldiplomatie. Von ihm konnten wir erfahren, was das Treffen wirklich gebracht hat. Man habe sich in offener und konzentrierter Atmosphäre unterhalten, sagte der Präsident der russischen Föderation, und es seien viele Themen angesprochen worden, die er dann auch alle aufzählt. Themen, so fügt der Herr des Kreml hinzu, über die weiterhin verhandelt werden muss. Im Klartext: Es gibt keine konkreten Ergebnisse des Gipfels. Die Länder bleiben Antipoden, auch wenn beide Präsidenten das gern anders sähen, aber es liegt eben nicht nur an ihnen. Natürlich kommen sich auch die beiden Männer mit ihren gegenseitigen Interessen in die Quere: Trump will eine harte Hand gegen den iran, der von Russland unterstützt wird, die Ukraine und Syrien sind weitere Problemfelder.

Einig waren sich beide aber in einem Punkt: Es habe, so sagten sie übereinstimmend, nie eine Einmischung russischer Trolle in den US-Wahlkampf gegeben. Die US-Geheimdienste sehen das anders, und nachdem Trump öffentlich Wladimir Putin mehr glaubte als den eigenen Diensten, schwappt nun eine Welle der empörung durch die republikanische Partei der USA. Natürlich wird es nur ein Sturm im Wasserglas bleiben, denn ihre Macht, die sie dank ihres Präsidenten haben, wollen die Republikaner natürlich nicht aufs Spiel setzen.

Der Gipfel war, trotz und teilweise wegen seiner pompösen Rethorik von Seiten Trumps, der es offenbar eine Nummer kleiner nicht hinbekommt, ein reines Theater. Am Verhältnis der beiden Superatommächte hat sich nichts geändert, an den gegenseitigen aggressiven Interessen auch nicht. Es ist wie bei Kim: Wenige Tage nach dem Gipfel in Singapur beschuldigte Trump ihn bereits wieder des Wortbruchs. Es ist seine Natur, man kann nichts dagegen machen, auf Donald Trump kann man sich nicht verlassen, auf keines seiner Worte.

Turbo-Ichs nennt die Autorin Juli Zeh die Menschen, die das heutige zeitalter prägen: Von jeglichen Bindungen befreit suchen sie nach Bedürfnisbefriedigung, Aufmerksamkeit und Zugehörigkeit, projizieren ihre persönlichen Ängste auf die Welt, schotten sich hinter selbst gezogenen Grenzen ab und können in ihrer narzisstischen natur nur Ja-Sager ertragen. Donald Trump ist ein solches Turbo-Ich. Sein Umgang mit der Presse ist dafür exemplarisch: Kritische Medien qualifiziert er als Fake News ab und beantwortet ihnen keine Fragen, missliebige Journalisten werden direkt vor der Pressekonferenz in Helsinki und vor den Augen der Welt vom Secret Service aus dem Saal geführt. Und was machen die Medien? Sie erliegen dem Faszinosum Trump, hängen an seinen Lippen, erahnen weltgeschichtliche Augenblicke in einem drittklassigen Schmierentheater.

Es hätte eine kurze Nachricht genügt, etwa so:

“Helsinki: Zu einem ersten offiziellen treffen sind heute in der finnischen Hauptstadt US-Präsident Trump und sein russischer Amtskollege Putin zusammengekommen. Beide betonten nach dem Gespräch, sie hätten über alle wichtigen Themen der bilateralen Beziehungen gesprochen und eine künftige mögliche engere Zusammenarbeit erörtert. Beide Staatsmänner widersprachen der von amerikanischen Geheimdiensten vehement geäußerten Verdächtigung, russische Stellen hätten sich über das Internet in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 zugunsten Trumps eingemischt. Die entsprechenden Ermittlungen nannte Trump eine Schande für das Land.”

Damit hätten die Medien sich, uns und dem Weltfrieden, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und ihrem Auftrag zur möglichst objektiven und sachlichen Berichterstattung einen großen Dienst erwiesen. Es hätte aber weniger Aufregung erzeugt und damit weniger Quote gebracht.

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