Der futurologische Kongress – Stanisław Lem

Ich wage mich selten genug ins Sci-Fi-Genre vor – wobei ich bei diesem Buch gar nicht mal so sicher bin, ob man es überhaupt in diese Richtung kategorisieren sollte. Wie dem auch sei: Fantastisches und irgendwie Irreales finden bei mir eher selten den Platz ins Regal. Und des Öfteren – wie auch nach dem Lesen dieses Buches – denke ich mir, dass sich das mal zumindest ein wenig ändern dürfte.

Gemeinsam mit dem Ich-Erzähler Ijon Tichy – seines Zeichens Weltraumfahrer – nehmen wir am namensgebenden Futurologischen Kongress teil. Dieser findet in Costricana statt, das der Beschreibung nach am ehesten einem mittelamerikanischen Polizeistaat gleicht. Tichy weiß auf seine humorige, vielleicht etwas naive Art von allerlei eigenartigen Vorkommnissen zu berichten. Seien es die seltsam anmutenden Parallelveranstaltungen im großen Tagungshotel, seien es die Schutzausrüstung in seinem Zimmer oder die Kämpfe, die irgendwo draußen zwischen der Regierung und verfeindeten Kräften toben. Auch der Kongress selbst ist nicht so, wie wir ihn uns vorstellen: Zu Beginn werden umfangreiche Tagungsunterlagen ausgegeben und die einzelnen Redner verweisen nur noch auf Seiten- und Zeilenzahlen, um ihre Meinungen zu unterstreichen.

Doch schnell werden die Kämpfe heftiger, das Hotel wird bombardiert und Tichy ist gezwungen, mit einigen anderen Teilnehmern Zuflucht in der Kanalisation unter dem Hotel zu suchen. Doch nicht nur herkömmliche Munition wird verwendet – die Regierung wirft so gegannte Bemben ab, die statt Sprengstoff bestimmte psychoaktive Substanzen enthalten. Wenn Lebewesen damit in Berührung kommen, sind sie nicht mehr in der Lage, einander Gewalt anzutun, sie werden im Gegenteil selbstlos und harmoniebedürftig.

Trotz aller Schutzmaßnahmen sind auch die Geflüchteten in der Kanalisation den Stoffen ausgesetzt und in der Folge durchlebt Tichy einige etwas abgedrehte Visionen, in denen er wahlweise durch die Luft fliegt oder zu ganz anderen Personen wird. Doch nach kurzer Zeit erwacht er wieder in den Eingeweiden des Hotels, bis er schließlich bei einem Angriff so schwer verletzt wird, dass für ihn in seinem alten Körper kaum eine Überlebenschance besteht. Es ist jedoch möglich, Menschen einzufrieren und in der Zukunft wieder auftauen – dann, wenn eine Heilung für die Krankheit oder die Verletzung gefunden worden ist. So wird Tichy mehrere Jahrzehnte später aufgetaut und ist tatsächlich auch wieder hergestellt. Er findet eine schöne und friedliche Welt vor, in der alle gut gelaunt zu sein scheinen. Doch nach und nach entdeckt Tichy, was dahintersteckt: Die Wirklichkeit wird verdeckt und vernebelt durch die zahlreichen Substanzen, die die Menschen zu sich nehmen und mit denen sie im Handumdrehen jede denkbare Stimmung erzeugen können. Das, was sie um sich herum wahrnehmen, ist also nichts anderes als eine Illusion. Doch kann man sich dann überhaupt noch auf irgendetwas verlassen?

Ein höchst spannendes Thema hat sich Lem als Hintergrund für diese Geschichte ausgedacht. Wenn euch diese Beschreibung an Matrix erinnert oder an solche Innovationen wie Oculus Rift, mit denen wir ebenfalls in virtuelle Umgebungen abtauchen können, liegt ihr nicht ganz falsch. Hier ist diese Entwicklung bereits um einiges weiter gedacht – und das bereits in den 1970er Jahren und verpackt in allerhand Sprach- und Aberwitz. Wer bereit ist, sich auch mal auf ein Experiment einzulassen, liegt mit diesem Buch auf keinen Fall verkehrt.


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