Der Extremismus der Mitte


Immer wieder wird von Verteidigern der antiislamischen und fremdenfeindlichen PEGIDA-Bewegung vorgebracht, die Demonstranten seien in ihrer Mehrzahl „keine Nazis“, sondern „ganz normale Leute“, die der „Mitte der Gesellschaft“ entstammten. Als könnte man nicht der Mitte der Gesellschaft entstammen und Nazi sein! Von Götz Eisenberg.

Wenn man mir mit dem Verweis auf die „Mitte der Gesellschaft“ kommt, als wäre das ein demokratisches Gütesiegel, bin ich deswegen stets versucht zu sagen: „Genau, das ist es ja gerade. Da stammt er ja her, der Nationalsozialismus. Dass man der Mitte der Gesellschaft entstammt, heißt doch noch lange nicht, dass man kein Nazi sein kann.“ Ein Mitarbeiter der Berliner taz erhält auf die Frage, ob unter den Demonstranten in Dresden Nazis seien, die Antwort: „Hier sind keine Nazis. Ich bin Maler, hier gibt es Professoren, Polizisten, Hausfrauen – alles.“ Die einen halten das Nazi-Sein offenbar für einen Beruf, andere für eine Eigenheit gewisser Randgruppen der Gesellschaft, die an bestimmten körperlichen Stigmata zu erkennen sind. Das Nazitum ist aber kein Klassen- oder Schichtenmerkmal, sondern eine Frage des Bewusstseins und vor allem des Unbewusst-Seins, des Umgangs mit dem Unbewussten. Als Produkte dieser Gesellschaft sind wir alle nicht frei von der „bürgerlichen Kälte“, die sich Adorno zufolge mit dem sich verallgemeinernden Tauschverhältnis wie ein Alb auf die Gesellschaft und ihre Bewohner legt und deren Fähigkeit zur Identifikation mit fremden Leiden systematisch beschädigt und einschränkt. Es gibt jenseits des politischen Begriffs einen Faschismus der Gefühle, einen Faschismus weit unterhalb des Kopfes. Manche Leute leiden unter einer Art braunen Juckens beim Anblick von Menschen, die nicht sichtlich Ihresgleichen sind, bei der Wahrnehmung von kleinsten Zeichen der Differenz und Fremdartigkeit.

Der durchschnittliche Erwachsene dieser Kultur ist ein Produkt von Wunschvernichtung und verinnerlichter Repression. Immer, wenn ihm außerhalb seiner etwas begegnet, das auf ein Mehr an Freiheit und Glück hindeutet oder das einfach nur anders ist, „geht ihm das Messer in der Tasche auf“. Der autoritär erzogene Mensch wird eine Neigung davontragen, das, was er selbst unter Schmerzen in sich abtöten und begraben musste, aus sich herauszusetzen und dort am Anderen zu bekämpfen und zu vernichten. Auf der Basis eines an seiner Entfaltung gehinderten, durch pädagogische Dressur partiell getöteten Lebens entwickelt sich eine konformistische Bösartigkeit, ein Zugleich von Anpassung und Aggression. Ihr wohnt eine Tendenz inne, sich am Anderen schadlos zu halten und zu verfolgen, was einem lebendiger vorkommt: „Der da, der reißt sich nicht so zusammen wie ich!“ Ressentiments und Feindseligkeit schlagen dem um sein Glück Betrogenem aus allen Poren. „Gleiches Unrecht für alle!“, avanciert zur unausgesprochenen Maxime seines ungelebten Lebens. Dieser Faschismus der Gefühle oder der Gefühllosigkeit ist zu verstehen als eine Parteinahme für das Abgestorbene und Tote in der eigenen Person. Faschismus oder Nicht-Faschismus sind also in erster Linie eine Frage der Achtung und Verachtung des Lebendigen und erst dann eine im engeren Sinn politische Entscheidung für Links oder Rechts. Dass ein Mensch soziologisch der Mittelschicht angehört, sagt nichts darüber aus, ob er Faschist und Nazi ist oder auf der Seite derer steht, die für Freiheit und die Entfaltung des Lebendigen kämpfen. Er kann sich entscheiden, und auch, wenn er sich nicht entscheidet, hat er sich entschieden.

Man kann aus dieser Erkenntnis die Konsequenz ziehen: Es gibt keine harmlose bürgerliche Normalität, der „Normale“ ist schon auf dem Weg zum Handlungshilfen. Der loyale Bürger tut seine Pflicht und gehorcht – egal unter welcher Regierung. Peter Brückner zog daraus den radikalen Schluss: „Nur wer zu nichts Bürgerlichem taugt, taugt auch nicht zum Faschisten“.

Quelle und gesamter Text: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24465


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