Der Exfreund und das Pflaster. Eine Kurzgeschichte – Leseprobe

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Exfreund_Pflaster
Der Exfreund und das Pflaster (Arbeitstitel)  Anfang der Kurzgeschichte

1.

Wo käme man denn da hin, wenn man jeden freundlichen Exfreund mir nichts dir nichts mit dem Auto überrollt? Nein, das ist ein moralisches No Go. Zudem strafrechtlich bedenklich. Da musste es andere Wege geben, sein Missfallen auszudrücken. Zumal ich noch nicht einmal ein Auto besitze. Er natürlich schon… „Ein Mann braucht ein Auto!“, dozierte er einmal und legte mir, wie es seine Angewohnheit war, eine Hand auf die Schulter, geradeso als würde diese Geste seinen Worten ein q.e.d. verleihen. „Ein Mann hat immer etwas zu transportieren!“ Sollte heißen: Ein richtiger Mann, also einer mit einem richtigen Job, ein Mann wie er. Quod erat demonstrandum. Nun, ich war ein Student und verdiente mir meinen Lebensunterhalt abends in einer Kneipe. Ich hatte so gut wie nie etwas Größeres als ein paar Bücher und meinen Laptop zu transportieren. Ich brauchte kein Auto. Ich hatte ein Fahrrad. Er drückte mit seiner Hand fest meine Schulter, damit ich auch ja gewahr wurde, dass er in diesem Moment Sätze in Stein meißelte. Eine Feuerwolke erschien, Blitze schrieben die Zehn Gebote in den Fels. „Frauen suchen in jedem Mann einen Cowboy, verwegen, stark, sie beschützend – und was ist ein Cowboy ohne Pferd…“ Respektive Auto natürlich. Er schaute mich mit einer gewissen Skepsis im Blick an, so als zweifle er an meiner geistigen Aufnahmefähigkeit und wolle ergründen, ob ich diesen logischen Schritt mit ihm würde gehen können. Vielleicht hatte er in meinen Augen gesehen, dass ich ihn verstanden hatte. Vielleicht freute er sich auch nur an seiner eigenen Weisheit. Jedenfalls lächelte er, schlug mir zum Abschied kräftig mannhaft auf die Schulter und machte sich auf, in den Sonnenuntergang zu reiten.

Schon zu diesem Zeitpunkt mochte ich ihn nicht. Ich fand ihn eingebildet, sich selbst intellektuell weit überschätzend. Zu laut. Zu oft anwesend. Zudem sah er für meine Begriffe zu gut aus. Das heißt, er war ein Typ Mann, von dem ich annahm, Frauen fänden ihn sehr attraktiv. Groß. Breitschultrig. Sportlich. Verwegen dunkler Blick aus braunen Augen. Und die Hand, die er einem auf die Schulter legte, war groß und kräftig. Aber nun gut, er war der Exfreund meiner Freundin – und nicht nur das, sie kannten sich seit der Jugend, also seit Ewigkeiten, und waren immer noch beste Freunde. Also Kumpels. Oder – wie sie es einmal ausdrückte – Seelenverwandte. Also hatte ich nichts gegen ihn, wenigstens offiziell. Man will sich ja keine Blöße geben. Ist schließlich ein moderner Kerl. Weltoffen. Nähe gegenüber aufgeschlossen, sich selbst – und vor allem seiner Freundin – vertrauend. Kurz: Ich war ahnungslos, welches Pferdchen dieser Cowboy bereits zu diesem Zeitpunkt ritt.

Wie gesagt, wo käme man denn hin, wenn man jeden freundlichen Exfreund mir nichts dir nichts mit dem Auto überrollt? Da muss man schon locker bleiben, sagte ich mir. Wobei ich gestehen muss, dass ich im Internet ein, zweimal auf die Seiten hiesiger Autoverleiher surfte, um mir einen Überblick über die Preise zu verschaffen. War ich auch noch ahnungslos, wie nah sich die beiden Seelenverwandten mittlerweile wieder gekommen waren, so setzen mir ihre langen, herzlichen Umarmungen dennoch zu. Küsschen hier, Küsschen dort. Die kleinen Vertraulichkeiten, zum Beispiel wenn wir zusammen kochten und er am Herd nah hinter sie trat, ihr über die Schulter sah um darüber fachzusimpeln, in welche Richtung man die Soße zu rühren hat, um ihr die richtige Konsistenz zu verleihen…

Nun gut. All das zählt nicht, sagte ich mir in meiner ahnungslosen, vertrauensvollen Aufgeschlossenheit. Gesten, die ihnen über die Jahre so sehr in Fleisch und Blut übergegangen waren, so dass ich mir keine Gedanken zu machen brauchte. Schließlich war ich ihr Freund, und das nicht erst seit gestern. Was vorgestern gewesen war, zählte nicht mehr. Zählte nur noch in aller Freundschaft. Und dennoch: Wenn mich zu jener Zeit, von der ich hier erzählen möchte, an einem gemütlichen Abend mit Rotwein etwa vom Rauchen abhielt, dann seine Anwesenheit. Denn zum Rauchen musste ich das Zimmer verlassen, in dem die beiden sich aufhielten, angeregt unterhielten, Soßen rührten oder alte Geschichten aufkochten. War ja auch gemütlicher, in meinem Zimmer zu sitzen, leise Musik zu hören und dem Rauch zuzusehen, wie er durch das geöffnete Fenster entschwindet. Eigentlich. Wenn ich die beiden nicht hätte alleine lassen müssen, dann wäre es gemütlich gewesen.

[...]

Der Anfang der Kurzgeschichte “Der Exfreund und das Pflaster”, an der ich gerade arbeite.


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