Der Castor rollt – um jeden Preis

Der Castor rollt, jedenfalls immer mal wieder, und Zehntausende Atomkraftgegner haben sich ins Wendland begeben, um mehr oder weniger handfest dagegen zu protestieren. Wie in der Neuen Osnabrücker Zeitung zu lesen ist, rechnet der niedersächsische Verfassungsschutz dieses Mal mit einer hohen Zahl an gewaltbereiten Linksextremisten, auch wenn diese nur einige Prozent der friedlichen Demonstranten ausmache (Warum werden die friedlichen Atomkraftgegner plötzlich so gehätschelt? Ist das schon der Mitleidsbonus, weil die Wendländer ja nun auf dem Zeug sitzenbleiben werden?) Für enormen Zulauf an Menschen im einstigen Niemandsland zwischen Ost- und Westdeutschland sorgt daher auch das gigantische Polizeiaufgebot: 16.500 Polizisten werden eingesetzt, um den Atommüll-Transport durchzusetzen.

Die Kosten allein für diesen Polizei-Einsatz werden auf 50 Millionen geschätzt – die nicht die Atomkonzerne, sondern die Steuerzahler aufbringen müssen.

Schon daran wird ersichtlich, wie die Mär vom billigen Atomstrom zustande kommt. Denn anders als immer wieder behauptet wird, geht es bei der staatlichen Unterstützung der Atomindustrie gar nicht darum, möglichst billigen Strom zu produzieren. Das ist ein genauso dummer Irrglaube wie der, dass der Markt alles regeln würde. Allein eine halbwegs adäquate Versicherung der Atomkraftwerke gegen Unfälle würde die Kosten für Atomstrom dermaßen in die Höhe treiben, dass er nicht bezahlbar wäre. Also lässt man die Versicherung gleich weg und nicht die Betreiber haften, wenn was schief gehen sollte, sondern der Staat, also die Allgemeinheit. Und alle machen die Augen zu und hoffen, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Denn wie teuer ein GAU kommen kann, zeigt die Katastrophe von Tschernobyl, die ganz entscheidend zum Niedergang der UdSSR beigetragen hat.

Worum geht es also bei diesem hochgefährlichen Milliarden-Spiel? Darum, dass deutsche Konzerne bei der Atomtechnik in der weltweiten Konkurrenz mithalten können. Es geht um Wirtschaftsmacht, ja, auch um Energiesicherheit, denn bekanntlich hat Deutschland keine nennenwerten Öl- oder Gasvorkommen, was aber auch wieder mit der Sicherstellung der Wirtschaftsmacht zu tun hat, und es geht überhaupt und immer wieder um Macht: Wer ein großer Spieler in der Atombranche ist, entscheidet darüber mit, welche anderen Staaten Atomtechnologie haben dürfen und welche nicht. Die deutsche Regierung will, dass deutsche Konzerne in Sachen Atomtechnologie ganz vorn mit dabei sind. Da muss man den Bürgern halt auch ein bisschen Atommüll im eigenen Land zumuten. Egal, was es kostet.

Deshalb ist auch die auf den ersten Blick ganz sympathische Forderung des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, völlig nutzlos. „Wir fordern eine Sicherheitsgebühr von 50 Millionen Euro von den Atomkonzernen“, sagte er gegenüber der NOZ. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Atomindustrie jedes Jahr Milliardengewinne einstreiche, die Kosten für die Sicherheit beim Transport von Atommüll aber beim Steuerzahler ablade. Nein, das klingt irgendwie total ungerecht. Aber um Gerechtigkeit oder eine gerechte Verteilung der Kosten ist es bei der Atomkraft noch nie gegangen.

„Die Entsorgung von Brennstäben ist ein Teil des Betriebs von Atomkraftwerken, für den die Konzerne verantwortlich sind“, begründete Wendt. Der Transport der Castor-Behälter sei nichts anderes „als ein Schwertransport, wie er täglich auf deutschen Autobahnen stattfindet“. Für dessen polizeiliche Sicherung müssten Unternehmen aber ebenfalls bezahlen.

Nun ist das offenbar in diesem Fall nicht so, weil die Politik das anders entschieden hat. Und selbst wenn die Atomkonzerne ihre Kaffeekasse plündern und den Polizeieinsatz bezahlen würden (was sie sicherlich bei der Steuererklärung geltend machen könnten) – wäre es damit dann okay, dass der strahlende Müll in Gorleben abgeladen wird?



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