„der bürgersteig muss weg!“

ich war heute beim ersten musikvideo-dreh meines lebens. was eigentlich nach spaß klingt, war wirklich bitterer ernst. in kanada dreht man nämlich nicht einfach mal so gute-laune-musikvideos, hier hat das ganze einen politischen hintergrund – und zwar nicht zu knapp. aber der reihe nach.

in montréal gibt es die beiden stadtteile montréal west und lachine. ok, zwei stadtteile ist zuviel gesagt: lachine gehört zur stadt montréal, montréal west ist hingegen eine eigene gemeinde. sie gehörte mal zu montréal, ist seit einigen jahren aber eigenständig. ein bürgervotum hat das entschieden. problem an der geschichte: seit ihrer unabhängigkeit müssen die bewohner von montréal west die höchsten steuern in ganz québec zahlen, weil sie sich sonst solche späße wie müllabfuhr oder räumdienst nicht leisten können. das mal vorab.

möchte man mit dem auto aus dem zentrum von montréal nach lachine fahren, dann gibt es zwei möglichkeiten: entweder man nimmt die eine existierende verbindungsstraße, die durch montréal west führt, oder man fährt den längeren weg um montréal west herum.

für die einwohner von montréal west war die sachlage klar: wer nicht nach montréal west sondern nach lachine will, der soll gefälligst um ihr städtchen herum fahren. also haben sie sich überlegt, dass sie etwas unternehmen müssen. die lösung des problems: sie haben kurzerhand die verkehrsführung durch ihre gemeinde geändert. aus der durchgangsstraße nach lachine wurde eine einbahnstraße in die entgegengesetzte richtung. wer fortan nach lachine wollte, der musste kreuz und quer durch montréal west fahren, um in den angrenzenden stadtteil zu kommen.

das hat die menschen von lachine zwar geärgert, sie haben aber weiterhin die route durch montréal west genommen, um in ihr viertel zu fahren. das wiederum hat die einwohner von montréal west gestört – schließlich sollte ja niemand mehr durch ihr städtchen fahren. also haben sie überlegt und überlegt.

irgendwann hatten sie dann die idee: lasst uns die straße nach lachine durch einen bürgersteig blockieren. aber nicht durch irgendeinen kleinen bürgersteig, der den verkehr nur verlangsamt – nein, durch ein richtiges monster von einem bürgersteig. mit plastikstangen drauf. damit auch wirklich keiner mehr auf die idee kommt, diese route zu benutzen.

gedacht, getan.

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mittlerweile trennt also ein mächtiger bürgersteig mitten auf der straße montréal west von lachine – zur freude der bewohner von montréal west, zum ärger der menschen in lachine.

diese müssen jetzt montréal west umfahren, um nach hause zu kommen. das ist zwar im normalfall lediglich ein umweg von ein paar minuten, in der rushhour kann daraus aber mal schnell eine viertelstunde werden. und nicht nur das. die lachiner haben weitere kritikpunkte:

  • die feuerwehr hat keinen einfachen zugang mehr zu ihrem viertel,
  • krankenwagen müssen auch einen umweg nehmen,
  • die polizei-patrouillen werden erschwert,
  • die einzige straße, die jetzt in ihren stadtteil führt, verläuft in der nähe einer bahnstrecke, auf der regelmäßig mit benzin und chemikalien beladene züge verkehren – was tun, sollte einer der züge verunglücken und die evakuierung des stadtteils lachine notwendig machen?

fragen über fragen aus denen in lachine inzwischen lautstarker protest geworden ist. die gerichtsprozesse und bürgerinitiativen laufen und die einwohner von lachine sprechen von „der neuen berliner mauer“ – und holen jetzt zum gegenschlag aus.

wie es sich für jede gute protestbewegung gehört, gibt es auch ein protestlied. und weil bürgerinitiativen in kanada mit ganzem herzen für ihre sache kämpfen, wird da richtig groß aufgefahren: der eigens getextete protestsong wird am kommenden wochenende im tonstudio aufgenommen und bekommt sein eigenes musikvideo.

da die chefin der filmproduktionsfirma, in der meine mitstipendiaten fabienne arbeitet, in lachine wohnt, ist sie natürlich am projekt beteiligt und dreht das musikvideo. so sind wir heute für die ersten aufnahmen durch lachine gezogen und haben bürger während ihrer sonntäglichen arbeit gefilmt – die kommen dann mit ins video.

am kommenden sonntag rückt dann schließlich die bürger-band mit ihrem aufgenommenen protestsong an und der musikalische part des videos wird gedreht. ich habe noch keine ahnung wie sich das tatsächlich anhören wird oder wie es letztlich ausschauen soll – aber spannend und ungemein amüsant finde ich das ganze ohnehin.

ich bin mal gespannt, ob es dann während des nächsten drehs auch zu spontanen protestkundgebungen kommen wird. falls nicht, muss ich wohl einspringen: „mister mayor, tear down that sidewalk!“ wir deutschen haben ja erfahrungen im einreißen von mauern – wieso sollte das nicht auch mit einem bürgersteig funktionieren…?



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