Wenn in deutschen Medien, zumal in so genannten Leitmedien, darüber nachgedacht wird, wie ein besseres Wirtschafts- bzw. Gesellschaftsmodell aussehen könnte oder sollte, dann klingt das etwa so:
Mr. Spock in Raumschiff Enterprise: „Es ist Kapitalismus, Jim. Aber nicht so, wie wir ihn kennen.“
Denn Grundvoraussetzung für alles Weitere ist, dass ein zukünftiges System ein kapitalistisches sein muss. Alles andere ist undenkbar. Entsprechend kommt auch immer dasselbe bei solchen Überlegungen raus: Wachstum muss sein, wobei das dann wohl ein qualitativer sein muss, denn immerhin ist klar, dass es mit dem quantitativen Wachstum so nicht weiter gehen kann, weil die Ressourcen auf unserem Planeten nun einmal endlich sind. Und es ist auch klar, dass man den Indern und Chinesen nicht erst Appetit auf den westlichen Lebensstil machen kann, um ihnen dann zu sagen: „Ihr dürft das aber nicht, weil wir nur so weiter machen können wie bisher, wenn ihr darauf verzichtet!“
Die Lösung ist dann in der Regel die, dass es mehr vernünftig handelnden Staat braucht. Der Staat muss in nachhaltige Infrastruktur investieren, der Staat muss das an sich gute, aber leider immer wieder in unvernünftige Entgleisungen ausartende Gewinninteresse der Privatwirtschaft in vernünftige Bahnen lenken, der Staat muss umverteilen, so dass alle mit weniger Arbeit ein gutes Leben haben können und gleichzeitig dafür sorgen, dass jeder, der gefördert wird, auch gefordert wird und so weiter.
Die Vordenker des grünen Kapitalismus scheint dabei nicht im Geringsten zu irritieren, dass sie für die Heilung aller offensichtlichen Probleme die der Kapitalismus so mit sich bringt, genau den Apparat benutzen wollen, der bisher kein bisschen in der Lage ist, genau diese Probleme zu beherrschen: Den Staat. Der Staat soll einerseits sicherstellen, dass in seinem Wirkungsbereich ein funktionierender Kapitalismus statt finden kann – und das ist es, was der Staat tatsächlich hin bekommt, mit allen bekannten Nachteilen. Andererseits soll der Staat aber bittschön auch die Nachteile, die der Kapitalismus mit sich bringt, ausgleichen und reparieren. Denn, so viel ist immerhin klar, der Kapitalismus hat Nachteile: Er bevorzugt die Starken und benachteiligt die Schwachen, er fördert den Egoismus und nicht den Gemeinsinn, er zerstört Umwelt und verschleudert Ressourcen, er belohnt Irrsinn und Verschwendung und eben nicht Sparsamkeit und Umsicht. Genau deshalb stellen sich die grünen Revolutionäre von heute eine Art nachhaltigen Kapitalismus vor – sie wollen die Vorteile des Systems ohne seine Nachteile.
Aber warum muss es denn unbedingt ein neuer Kapitalismus ein? Nur weil der Kapitalismus alles andere jetzt um ein paar Jahrzehnte überlebt hat? Dabei ist inzwischen doch mehr als offensichtlich, dass es auf die kapitalistische Tour einfach nicht weiter gehen kann. Finanzkrisen, Umweltkatastrophen, soziale Unruhen – und nicht zuletzt eine unglaubliche Selbstzensur im Denken. Das hat unser freiheitliches System, das wirklich jeden als selbstbestimmtes Individuum definiert, in seiner Perfidie ganz hervorragend geschafft: Das System an sich ist das beste aller denkbaren. Es bindet alle ein und nimmt (fast) jeden mit. Und die Leute nehmen es dankbar an und belohnen es mit einer Konformität, die es so noch nie gegeben hat. Es wird nur noch über Nuancen gestritten: hier ein Umweltschutzgebiet mehr, da einer Steuererleichterung weniger oder umgekehrt. Eine Systemfrage darf nicht gestellt werden. Es geht nur darum, wie man den Kapitalismus dazu kriegt nicht ganz so roh und asozial daherzukommen, wie das derzeit der Fall ist. Und wer dafür zuständig ist, die Kollateralschäden zu reparieren. Ja, vielleicht auch noch, das ist dann richtig revolutionär, wie man mit möglichst wenig Kollateralschäden davon kommt. Ein menschlicher Kapitalismus geht ungefähr so gut wie ein Atomkraftwerk ohne strahlenden Atommüll. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist richtig und (überlebens)wichtig. Der Ausstieg aus dem Kapitalismus ist aber genauso existenziell notwendig.