Der "Arctic Sunrise"-Fall vor dem Internationalen Seegerichtshof

Blick in den Sitzungssal des Seegerichtshofes am 06.11.2013 (Foto: ISGH).
In Den Haag sah man sich offenbar durch die causa Arctic Sunrise unter Druck gesetzt, als Flaggenstaat des Greenpeaceschiffes reagieren zu müssen. Außerdem bot sich so die seltene Gelegenheit, gegen das wegen seiner Innenpolitik verhaßte Rußland, das die alten europäischen Werte verteidigt, vorzugehen. Also zog man mit großem Getöse vor den Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg. Dort fand am 6. November 2013 eine Anhörung statt. Die niederländische Klage dürfte jedoch kaum Aussicht auf Erfolg haben.
1. Fehlende Zuständigkeit des ISGH
Das Seerechtsübereinkommen hat in seinen Artikeln 279 ff. umfangreiche Mechanismen zur friedlichen Streitbeilegung eingeführt (darunter auch der neugeschaffene ISGH). Doch Artikel 298 SRÜ gibt den Unterzeichnerstaaten der Konvention das Recht, in den dort genannten Fällen einen Vorbehalt gegen Verfahren vor dem Seegerichtshof und anderen internationalen Gerichten zu erheben:
"(1) Ein Staat kann unbeschadet der Verpflichtungen aus Abschnitt 1, wenn er dieses Übereinkommen unterzeichnet, ratifiziert oder ihm beitritt, oder zu jedem späteren Zeitpunkt schriftlich erklären, dass er einem oder mehreren der in Abschnitt 2 vorgesehenen Verfahren in Bezug auf eine oder mehrere der folgenden Arten von Streitigkeiten nicht zustimmt: [...]
b) Streitigkeiten über militärische Handlungen, einschliesslich militärischer Handlungen von Staatsschiffen und staatlichen Luftfahrzeugen, die anderen als Handelszwecken dienen, und Streitigkeiten über Vollstreckungshandlungen in Ausübung souveräner Rechte oder von Hoheitsbefugnissen, die nach Artikel 297 Absatz 2 oder 3 von der Gerichtsbarkeit eines Gerichtshofs oder Gerichts ausgenommen sind; [...]"
Das bedeutet, daß der ISGH in den von einem solchen Vorbehalt erfaßten Konstellationen nicht zuständig ist und auch nicht tätig werden darf. Die Staaten, die das SRÜ ratifiziert haben, haben von den Möglichkeiten, die ihnen Art. 298 SRÜ bietet, umfänglich Gebrauch gemacht. So haben z.B. Dänemark und Norwegen nahezu gleichlautende Vorbehalte abgegeben, die Art. 298 vollständig ausschöpfen, allerdings nur, soweit es sich um Schiedsgerichte handelt:
"The Government of the Kingdom of Norway declares pursuant to article 298 of the Convention that it does not accept an arbitral tribunal constituted in accordance with Annex VII for any of the categories of disputes mentioned in Article 298."
Etwas weniger umfangreich, dafür tiefergehender sind die Vorbehalte von Frankreich und Großbritannien:
"With reference to the provisions of article 298, paragraph 1, France does not accept any of the procedures provided for in Part XV, section 2, with respect to the following disputes: [...]
Disputes concerning military activities, including military activities by government vessels and aircraft engaged in non-commercial service, and disputes concerning law enforcement activities in regard to the exercise of sovereign rights or jurisdiction excluded from the jurisdiction of a court or tribunal under article 297, paragraph 2 or 3;"
"The United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland does not accept any of the procedures provided for in section 2 of Part XV of the Convention with respect to the categories of disputes referred to in paragraph 1 (b) and (c) of article 298."
Beide Staaten verbitten sich also jegliche Einmischung eines internationalen Gerichts in Fälle, die militärische, polizeiliche und ähnliche Amtshandlungen betreffen. Die Rußländische Föderation hat zum Zeitpunkt der Ratifikation des Übereinkommens am 12.03.1997 eine ebensolche Vorbehaltserklärung abgegeben:
"The Russian Federation declares that, in accordance with article 298 of the United Nations Convention on the Law of the Sea, it does not accept the procedures, provided for in section 2 of Part XV of the Convention, entailing binding decisions with respect to disputes [...] concerning military activities, including military activities by government vessels and aircraft, and disputes concerning law-enforcement activities in regard to the exercise of sovereign rights or jurisdiction;"
Auf diese Erklärung hat die (örtlich zuständige) Botschaft der RF in Berlin ausdrücklich Bezug genommen, als sie am 22.10.2013 dem ISGH eine Verbalnote übersandte, in welcher sie erklärte, daß Rußland weder an dem von den Niederlanden angestrebten Schiedsverfahren mitwirken noch vorläufige Maßnahmen des ISGH gem. Art. 290 V SRÜ akzeptieren werde. Zugleich wurde zum wiederholten Male die Bereitschaft Moskaus bekundet, mit eine bilaterale Lösung mit Den Haag zu suchen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Selbstverständlich haben keine Vertreter der RF an der Anhörung von 06.11. teilgenommen.
Dieser im Völkerrechtsverkehr ganz normale Vorgang wurde von der deutschen Presse wie üblich böswillig, geradezu haßerfüllt kommentiert. Etwa von Martina Powell in der ZEIT: "Vorab hatte Russland angekündigt, die Verhandlung zu boykottieren." Die relevanten Rechtsfragen werden von Powell leider nicht erörtert. Statt dessen wird die RF den deutschen Lesern (wieder einmal) als internationaler Bösewicht, der angeblich mit niemandem kooperieren wolle, verkauft. Polemik statt Erforschung der Rechtslage. Die ZEIT fordert mithin - ohne es so deutlich zu formulieren -, daß für Rußland ein anderes Völkerrecht gelten soll als für das Vereinigte Königreich, für Frankreich, Dänemark oder Norwegen (s.o.). Sehen deutsche Journalisten die RF als minderwertiges Völkerrechtssubjekt an?
Mit welchen juristischen "Kapazitäten" das niederländische Außenministerium bei der Anhörung am 06.11.2013 in Hamburg aufgetreten ist, zeigt hinsichtlich der Zuständigkeit auch das folgende Begehren:
"The Kingdom of the Netherlands requests the International Tribunal for the Law of the Sea with respect to the dispute concerning the Arctic Sunrise, to declare that: [...]
b) the arbitral tribunal to which the dispute is being submitted has prima facie jurisdiction;"
Der Terminus "prima facie" bedeutet in der Juristensprache "nach dem ersten Anschein". D.h. die Niederlande behaupten, das von ihnen für den Fall "Arctic Sunrise" angestrebte Schiedsgericht sei auf den ersten Blick zuständig, obwohl die beklagte Partei seit 1997 ebendiese Zuständigkeit explizit ausschließt, indem sie sich einem solchen Gerichtsverfahren ausnahmsweise nicht unterwirft. Letzteres steht zudem in völligem Einklang mit Artikel 309 SRÜ, weshalb nicht einmal der "Notnagel" angewandt werden kann, den gem. Art. 298 SRÜ erklärten Vorbehalt der RF für unbeachtlich oder nichtig zu erklären.
Wie erkrankt müssen die Augen der holländischen Regierung also sein, um angesichts dieser Lage den von ihr behaupteten "ersten Blick" wahrzunehmen?
Ergebnis: Der Internationale Seegerichtshof muß Klage der Niederlande abweisen, denn er hat (um in der englischen Rechtssprache zu bleiben) keine Jurisdiktion über den Fall.
2. Materielle Mängel des niederländischen Antrages
Neben der fehlenden Zuständigkeit, die zur Klageabweisung führen muß, ist der niederländische Antrag auch insofern bemerkenswert, als er vom ISGH etwas fordert, was das Gericht laut Seerechtsübereinkommen nicht darf.
"The Kingdom of the Netherlands requests the International Tribunal for the Law of the Sea with respect to the dispute concerning the Arctic Sunrise, [...] to order, by means of provisional measures, the Russian Federation:
d) to immediately enable the Arctic Sunrise to be resupplied, to leave its place of detention and the maritime areas under the jurisdiction of the Russian Federation and to exercise the freedom of navigation;
e) to immediately release the crew members of the Arctic Sunrise, and allow them to leave the territory and maritime areas under the jurisdiction of the Russian Federation;
f) to suspend all judicial and administrative proceedings, and refrain from initiating any further proceedings, in connection with the incidents leading to the dispute concerning the Arctic Sunrise, and refrain from taking or enforcing any judicial or administrative measures against the Arctic Sunrise, its crew members, its owners and its operators; and
to ensure that no other action is taken which might aggravate or extend the dispute."
Das Königreich der Niederlande verlangt also vom ISGH eine weitreichende Anordnung, die darauf abzielt, das an die Kette gelegte Greenpeace-Schiff "Arctic Sunrise" unverzüglich freizugeben (lit. d)), seine Besatzung unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen (lit. e)) und auf alle jetzigen und zukünftigen juristischen und administrativen Maßnahmen gegen Besatzungsmitglieder, Eigner und Reeder zu verzichten (lit. e)).
a) Vorläufige Maßnahmen
Dabei soll es sich laut Antrag allerdings nur um vorläufige Maßnahmen gem. Art. 290 SRÜ handeln. Doch schon aufgrund dieser von den Niederlanden genannten Rechtsnorm ist zweifelhaft, ob derart weitreichende Entscheidungen noch dem Charakter vorläufiger Maßnahmen entsprechen. Denn die geforderten Maßnahmen tragen doch sehr endgültigen Charakter. Nach Art. 290 V Satz 2 SRÜ kann das noch zu bildende Schiedsgericht, dem Holland die Streitigkeit unterbreiten will, nach seiner Bildung diese vorläufigen Maßnahmen ändern, widerrufen oder bestätigen.
Doch die geforderten Maßnahmen würden den Fall bereits endgültig endscheiden, das Schiedsgericht hätte gar nichts mehr zu verhandeln. Insbesondere könnte es die "vorläufige Entscheidung" nicht mehr abändern im Sinne von rückgängig machen, da die faktischen Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben wären. Das gilt insbesondere für die unter geforderte Freilassung der Untersuchungshäftlinge, die sich, nach ihrer Ausreise aus der RF, wohl nie wieder freiwillig zu einer Gerichtsverhandlung nach Rußland begeben werden.
Daher würde der ISGH, sollte er dem vorgebrachten Ansinnen folgen, seine Kompetenzen hinsichtlich vorläufiger Maßnahmen überschreiten. Denn diese müssen nach Art. 290 I SRÜ so ausgestaltet sein, daß sie die Rechte jeder Streitpartei bis zu einer endgültigen Entscheidung des Schiedsgerichts sichern. Das wäre vorliegend offensichtlich nicht der Fall.
Mithin darf der Seegerichtshof die geforderten vorläufigen Maßnahmen nicht anordnen.
b) Sachliche Unzulässigkeit der geforderten Maßnahmen
Insbesondere die von der königlichen Regierung geforderte Anordnung der Beendigung aller gerichtlichen und behördlichen Untersuchungen und sonstigen Maßnahmen gegen Besatzungsmitglieder der "Arctic Sunrise" durch Rußland (s.o. 2. unter lit. f) des Antrags) liegt außerhalb der Befugnisse des ISGH. In ihrem Vortrag berufen sich die niederländischen Vertreter auf Artikel 292 SRÜ, der die vorläufige Freigabe von festgesetzten Schiffen und Besatzungen regelt. Doch das weitreichend holländische Ansinnen, mit dem ein umfassendes Strafverfolgungsverbot erwirkt werden soll, ist mit dem Absatz 3 von Art. 292 unvereinbar. Darin heißt es:
"Der Antrag auf Freigabe wird von dem Gerichtshof oder Gericht unverzüglich behandelt, wobei nur die Frage der Freigabe behandelt wird; die Sache selbst, deren Gegenstand das Schiff, sein Eigentümer oder seine Besatzung ist, wird dadurch bezüglich des Verfahrens vor der zuständigen innerstaatlichen Instanz nicht berührt."
Das ist eindeutig. Ein zuständiges internationales Gericht dürfte folglich nur über die Freigabe als solche entscheiden - also über die Punkte d) und e) des oben zitierten niederländischen Antrages. Über Punkt e) allerdings nur insofern, als damit nicht faktisch laufende Verfahren vor der zuständigen innerstaatlichen Instanz Rußlands unmöglich gemacht würden.
Die Niederlande fordern somit vom Internationalen Seegerichtshof unter Verweis auf Art. 292 SRÜ eine Entscheidung, die das Gericht nach dem Wortlaut dieser Norm gar nicht treffen darf.
Dabei ist das holländische Ansinnen offensichtlich: Unter dem Deckmantel vorläufiger Maßnahmen soll der ISGH im Vorgriff auf ein noch gar nicht existierendes Schiedsgericht (das überdies gar nicht zuständig ist - s.o. 1.) den Fall Arctic Sunrise praktisch endgültig entscheiden. Anscheinend versuchen die Machthaber in Den Haag, in die souveräne Rechtsprechungsgewalt der Rußländischen Föderation einzudringen, um an dem Land ein Exempel zu statuieren.
Dabei bestehen weitere Zweifel dahingehend, ob das von den Niederlanden angedachte Verfahren des Artikels 292 SRÜ auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist. Denn bei der Ausarbeitung der Norm hat man an andere Konstellationen als im Fall der "Arctic Sunrise" gedacht. Typische Anwendungsfälle sind z.B. Fischereifahrzeuge, die ohne Lizenz Fischfang betreiben oder trotz Lizenz die Fischereischutzbestimmungen mißachten. Oder aber Handelsschiffe, die illegalerweise während der Fahrt Abfälle in Meer entsorgen.
Für derartige Fälle ist im Seerechtsübereinkommen der ungeschriebene Grundsatz verankert, daß die Schiffe nicht länger als unbedingt nötig von den Behörden im Hafen festgehalten werden sollen, denn festliegende Schiffe sind bekanntlich totes Kapital. Der verursachte Schaden wird i.d.R. durch Bußgelder oder andere Geldzahlungen abgegolten. Die Daten des Schiffseigners sind bekannt und dieser muß eine Kaution hinterlegen, um sein Schiff wieder freizubekommen. Zudem sind Verstöße dieser Art i.d.R. nur einer Person anzulasten: dem Kapitän, dem die übrigen Besatzungsmitglieder unterstellt sind. Daher sind auch Fälle bekannt, in denen der verantwortliche Schiffsführer in Haft blieb, obwohl das Schiff und seine Besatzung bereits freigegeben waren. Soweit die typischen Fallgestaltungen.   
Bei der "Arctic Sunrise" ist die Lage jedoch anders. Das Schiff wird von Greenpeace International betrieben, einer "Nichtregierungsorganisation", die in Holland in der Rechtsform einer Stiftung organisiert ist. Schon daher besteht seitens Greenpeace kein anerkennenswertes wirtschaftliches Interesse daran, das Schiff unbedingt in Fahrt halten zu müssen. Zweitens war der von der Schiffsbesatzung begangene Rechtsbruch keine kleine Nebenhandlung während einer ansonsten ordnungsgemäßen Reise, sondern der Hauptzweck der Fahrt (s.u. 3. a)).
Und drittens hat wohl die gesamte Schiffsbesatzung enthusiastisch am Angriff auf die Bohrplattform "Priraslomnaja" teilgenommen. Somit dürfte es schwerfallen, die Verantwortung nur auf eine einzelne Person wie den Kapitän zu begrenzen. Beim Festhalten der "Arctic Sunrise" geht es nicht nur um das "Eintreiben" eines Bußgeldes vom Schiffseigner, sondern um die gerichtliche Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit aller Besatzungsmitglieder.
Ergebnis: Der Internationale Seegerichtshof dürfte, selbst wenn er im vorliegenden Fall zuständig wäre (s.o. 1.), die vom Königreich der Niederlande geforderten Maßnahmen nicht anordnen, denn diese lägen großteils außerhalb seiner Kompetenzen.
Jetzt noch ein kurzer Schwenk zum bereits erwähnten Artikel von Martina Powell in der ZEIT. Sie behauptet:
"Entscheidet der Gerichtshof zu Gunsten der Niederlande, könnten die Inhaftierten vorläufig freikommen und im Ausland darauf warten, bis die Verhandlungen wegen "Rowdytums" vor russischen Gerichten beginnt."
Offenkundig ist Frau Powell mit dem Lesen und Verstehen der in englischer Sprache publizierten Gerichtsdokumente überfordert. Denn würde der ISGH zugunsten Den Haags entscheiden, dann dürfte es bezüglich der "Arctic Sunrise" überhaupt keine Gerichtsverfahren in Rußland mehr geben. So wollen es die Holländer (s.o. 2.). Warum unterstellt Powell ihnen etwas anderes?
Die "Arctic Sunrise" neben dem Küstenwachschiff "Ladoga" kurz nach
dem Einlaufen beider Schiffe in Murmansk (Foto: RIA Nowostij).

3. Weitere interessante Aspekte
a) Zweck der Fahrt der "Arctic Sunrise"
Während der Anhörung in Hamburg hat das Gericht die niederländischen Vertreter gefragt, ob die Entscheidung, in die Sicherheitszone der Bohrinsel einzudringen, vom Kapitän gefällt wurde oder ob Greenpeace als Organisation dafür verantwortlich ist. In ihrer Antwort zitieren die Niederlande aus einer Erklärung von Greenpeace. Darin gibt Greenpeace unumwunden zu, daß der Plan, in die Sicherheitszone einzudringen und einige "Aktivisten" die Bohrinsel entern zu lassen, bereits vor der Abfahrt des Schiffes aus seinem Heimathafen von Greenpeace selbst ausgearbeitet worden ist.
Das heißt, die Begehung illegaler Handlungen war der Hauptzweck der Reise der "Arctic Sunrise" und die während der Aktion an der "Priraslomnaja" begangenen Rechtsbrüche waren seitens der "Umweltschützer" von vornherein geplant.
b) Demonstrationsrecht in der Sicherheitszone und auf der Bohrinsel?
Die königliche Regierung in Den Haag vertritt die eigenartige Rechtsauffassung, daß es sich bei der Greenpeace-Aktion - also dem Eindringen in die Sicherheitszone der Bohrplattform und dem Entern derselben - um einen "friedlichen Protest" gehandelt hätte, der von den Freiheiten auf Meinungsäußerung und Demonstration geschützt gewesen sei. Außerdem sei von der Greenpeace-Aktion keine Gefahr ausgegangen, denn es seien Festrumpfschlauchboote verwendet worden. Auch das Entern der Bohrinsel hätte die Sicherheit nicht beeinträchtigt.
Diese Meinung steht allerdings im Widerspruch sowohl zum geltenden Recht als auch zur Staatenpraxis einschließlich der Rechtsprechung niederländischer Gerichte.
Eine Sicherheitszone dient nach Art. 60 IV SRÜ der Sicherheit der in ihr befindlichen künstlichen Anlage. Der Begriff Sicherheit ist hier nicht nur in einem engen Sinne von technischer Sicherheit oder Arbeits- bzw. Umweltschutz zu verstehen. Vielmehr sollen alle von außen kommenden  Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Betriebes der Anlage ausgeschlossen werden.
Zur Gewährleistung der Sicherheit gehört ferner der Schutz der Anlage vor Angriffen, wie sie in Artikel 3 des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt (ÜBWHSS) aufgeführt sind (siehe dazu auch hier). Greenpeace hat bereits bei der ersten Besetzung der "Priraslomnaja" in Jahr 2012 eine Straftat im Sinne von Art. 3 I lit. a9 ÜBWHSS begangen, indem sie durch Einschüchterung die Herrschaft über die Bohrinsel übernommen haben. Bei ihrem zweiten Angriff im September diesen Jahres sollte dies wiederholt werden, wurde aber abgewehrt. Doch bereits der Versuch stellt gem. Art. 3 II lit. a) ÜBWHSS eine Straftat dar.
(Leider geht die holländische Regierung in ihren Einlassungen nicht auf die Bedeutung dieses Vertrages für den Fall "Arctic Sunrise" ein.)
Des weiteren darf nicht vergessen werden, daß es sich bei der "Priraslomnaja" um Privateigentum eines Unternehmens handelt. Der Eigentümer und Betreiber hatte Greenpeace das Entern seiner Plattform explizit verboten. Trotzdem taten sie es - und konnten sich dabei nicht auf die Demonstrationsfreiheit berufen. Denn diese gewährt nicht das Recht, Privatgelände ohne Zustimmung des Eigentümers zu betreten und zu nutzen. So heißt es z.B. in Artikel 11 II der Europäischen Menschenrechtskonvention (der sowohl die Niederlande als auch Rußland beigetreten sind), daß die Versammlungsfreiheit einegschränkt werden darf, um die Rechte und Freiheiten anderer - hier: des Eigners der "Priraslomnaja" - zu schützen. Denn der Eigner kann sich ebenfalls auf die Menschenrechte berufen (vgl. Artikel 1 I 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK).
Außerdem ist zweifelhaft, ob die Versammlungsfreiheit im Sinne der EMRK im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist, denn die sog. "Aktivisten" waren ja bereits zuvor an Bord der "Arctic Sunrise" versammelt gewesen, mußten sich also in der Sicherheitszone nicht erneut "versammeln". Vielmehr haben sie diese an Bord ihres Schiffes bzw. dessen Beibooten auch gemeinsam betreten.
Noch absurder ist der niederländische Vortrag, die Greenpeace-Aktion sei vom Recht der freien Meinungsäußerung besonders geschützt gewesen. Dieses Recht ist allerdings nicht an einen bestimmten Ort gebunden, es hätte auch am Rande der Sicherheitszone wirksam ausgeübt werden können. Und daß es sich bei den Greenpeace-Aktionen in der Arktis keineswegs um "friedlichen Protest handelt, wurde in diesem Blog bereits hinreichend nachgewiesen (vgl. hier und hier).
Im übrigen gelten hinsichtlich dieses Komplexes die Gesetze der Rußländischen Föderation (StGB, Versammlungsrecht, Gesetz über die AWZ etc.). Dies ergibt sich unzweifelhaft aus Artikel 60 II SRÜ, wonach der Küstenstaat über die künstlichen Anlagen ausschließliche Hoheitsbefugnisse ausübt, einschließlich der Sicherheits- und Einreisegesetze sowie sonstiger diesbezüglicher Vorschriften.
Wie stehen nun andere Staaten zu diesem Thema? Die Rechtsauffassung der USA ist insofern eindeutig und in den entsprechenden Verfügungen der Küstenwache niedergelegt:
"Lawful demonstrations may be conducted outside of the safety zone."
Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland ist das unerlaubte Einfahren in eine Sicherheitszone verboten und kann mit Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Ausnahmen für Demonstrationen sind auch hier nicht vorgesehen. Die dänischen bzw. grönländischen Behörden betrachten das Eindringen in eine Sicherheitszone und das Entern einer Bohrinsel ebenfalls als rechtswidrig. Und in Neuseeland ist man derzeit damit beschäftigt, die eigene Rechtsordnung anzupassen, "to protect offshore petroleum and mineral activity from unlawful interference". Gemeint sind damit die üblichen Handlungen von Greenpeace und ähnlichen Gruppierungen.
Ferner setzt sich die Haager Regierung mit ihrer Meinung, das Entern der Bohrinsel "Priraslomnaja" sei vom Meinungs- und Demonstrationsfreiheit geschützt, in Widerspruch zur Justiz ihres eigenen Landes. Im Juni 2011 hatte ein niederländisches Gericht Greenpeace dazu verurteilt, keine Bohrplattformen der Fa. Cairn Energy mehr anzugreifen. Bei Zuwiderhandlung drohen den "Umweltaktivisten" Strafzahlungen in Höhe von 50.000 € pro Tag. Offenkundig sahen in diesem Fall die Richter - zu Recht - keinen besonderen Schutz der Greenpeaceattacken aufgrund irgendwelcher Grund- oder Menschenrechte.
Ergebnis: Die Gesetzgebung, Behördenpraxis und Rechtsprechung zahlreicher Staaten (einschließlich Hollands) bestätigen die Rechtsauffassung Rußlands, wonach es sich beim Eindringen in die Sicherheitszone und beim Entern der "Priraslomnaja" am 19.09.2013 um illegale Akte handelte, die nicht von der Demonstrations- oder Meinungsfreiheit geschützt waren.
c) Droht die "Arctic Sunrise" zu sinken?
Für besonderes Amusement sorgt bei sachkundigen Zuhörern die Behauptung der niederländischen Regierung, der aktuell im Hafen von Murmansk liegenden "Arctic Sunrise" drohe die akute Gefahr des Untergangs. Deswegen wird im Gerichtssaal sogar Gott angerufen:
"The events giving rise to this dispute took place in the Barents Sea. The Barents Sea was named after Willem Barentsz. In 1596, he sailed from Amsterdam to explore the North East Passage. His ship became stranded in ice and Captain Barentsz and his crew were forced to hibernate on Novaya Zemlya. It was a long and severe winter for the sailors. They built themselves, from the wreckage of the ship, a house. It was called 'Het Behouden Huys', the Safe House. After the winter, the survivors, with the assistance of Russian coastal communities, returned to Amsterdam, where they arrived at the beginning of November of the following year. Their account is part of our national cultural heritage.
Mr President, winter is coming. My government prays that the Arctic Sunrise and its crew may safely return to Amsterdam before the Arctic sun sets and winter comes."
Mangels durchgreifender Argumente wird von der Haager Regierung sogar die tragische Geschichte der Barents-Expedition im 16. Jahrhundert ausgeschlachtet und suggeriert, der "Arctic Sunrise" würde dasselbe Schicksal drohen. Dabei unterschlägt man allerdings, daß Barents zur Überwinterung auf der bekanntermaßen unwirtlichen Inselgruppe von Nowaja Semlja gezwungen war.
Demgegenüber befindet sich die "Arctic Sunrise" nicht in einem von Eisgang bedrohten Seegebiet, sondern im ganzjährig eisfreien Hafen von Murmansk. Die Entstehung dieses Hafens ist überhaupt nur der Tatsache zu verdanken, daß er und die vorgelagerten Seewasserstraßen vom Golfstrom erwärmt werden, weshalb sie auch im Winter nicht zufrieren. Anders sind die Gegebenheiten im traditionellen russischen Arktishafen Archangelsk, der, in der Bucht des Weißen Meeres gelegen, im Winter zufrieren kann.
Nach diesen pathetischen Worten legen die Holländer am 07.11. noch einmal nach und schreiben dem Gericht:
"Second, the Kingdom of the Netherlands has demonstrated [...] that the 'Arctic Sunrise' is at risk of perishing due to lack of servicing."
Das englische Verb "perishing" bedeutet "sinken", "untergehen". Man muß sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Niederlande behaupten - gestützt auf Informationen von Greenpeace -, daß sich die "Arctic Sunrise" in einem schlechten Allgemeinzustand befinde, so daß sie bereits anderthalb Monate nach ihrer Verbringung in den eisfreien Murmansker Hafen vom "Untergang" bedroht sei.
Damit bestätigt die königliche Regierung unbeabsichtigt die Vorbehalte, die in diesem Blog bereits vor wenigen Tagen formuliert worden waren: Die "Umweltschützer" von Greenpeace sind verantwortungslos mit einem fast vierzig Jahre alten Pott, der nicht hinreichend seetüchtig war, in das sensible Ökosystem der Arktis gefahren und haben dadurch die Umwelt, die zu schützen sie vorgeben, gefährdet. Wäre die "Arctic Sunrise" kein verrotteter Kahn, sondern ein ordentlich gewartetes Schiff, dann würde sie nicht schon nach wenigen Wochen wartungsfreier Liegezeit im Hafen zu sinken drohen.
Somit haben die Niederlande dem ISGH und der Öffentlichkeit ein weiteres, gegen Greenpeace wirkendes Argument frei Haus geliefert.
Die zuerst zitierte längere Passage aus den Einlassungen vor Gericht deutet auf zwei weitere Aspekte hin. Greenpeace behauptet bekanntlich (ebenso wie andere Umweltschutzorganisationen), daß der Welt akut eine Kilmakatastrophe drohe. In diesen Szenarien spielt das weitgehende Abschmelzen des Eises im Nordpolargebiet und, damit verbunden, der Anstieg des Meeresspiegels, eine zentrale Rolle. Wenn aber das Eis in der Arktis - so wie behauptet - schmelzen würde, wieso wäre dann die im sicheren Hafen liegende "Arctic Sunrise" von diesem Eis bedroht? Kommt die Klimakatastrophe vielleicht doch nicht?
Zweitens: Greenpeace und seine Unterstützer behaupten, Rußland und die Russen wären unfähig, mit der Arktis umzugehen, weshalb sie als Ausländer dazu berufen wären, zum Schutz dieses Gebietes einzugreifen. Diese These stellt eine ungeheure Anmaßung dar, werden doch die herausragenden Leistungen rußländischer Entdecker, Seeleute und Wissenschaftler bei der Erforschung der Polargebiete und der Nutzbarmachung der Arktis negiert.
Zudem wird sie von der Haager Regierung selbst in Zweifel gezogen, denn sie sagt - zutreffenderweise -, daß Willem Barents und seine Kameraden auf die Hilfe der im Polargebiet ansässigen russischen Bevölkerung angewiesen waren, um in ihre Heimat zurückkehren zu können. Allein hätten es die Holländer also nicht geschafft. Folglich können die Russen in Arktisbelangen nicht so unfähig sein wie hier in Westeuropa gern behauptet wird.
4. Prognose für den Ausgang des Verfahrens vor dem ISGH
Es fällt nicht schwer, die für den kommenden Freitag, den 22. November, erwartete Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs vorauszusehen. Die niederländische Klage dürfte abgewiesen werden. Schon aufgrund der fehlenden Zuständigkeit des ISGH, ferner wegen der Unzulässigkeit eines Teils der von den Niederlanden begehrten Maßnahmen. Möglicherweise läßt das Gericht den Antrag schon am ersten Punkt scheitern und verzichtet damit auf weitere Ausführungen in der Sache. (Dies gäbe unseren Medien dann Gelegenheit, die Niederlage von Holland - und damit von Greenpeace - kleinzureden, etwa indem behauptet würde, Rußland hätte nur aus formalen Gründen gewonnen, in der Sache jedoch hätten die Klage Recht gehabt.)
Meines Erachtens ist man sich in Den Haag dessen durchaus bewußt. Die sieben Vertreter der Regierung, die am 06.11. in Hamburg waren, sind ja nicht dumm. Sie wissen oder ahnen zumindest, daß es für ihre Position kaum juristische Argumente gibt. Deshalb auch die Emotionalisierung mit der Angst vor dem schlimmen Winter (trotz Erderwärmung).
Bei der Lektüre der niederländischen Schriftsätze fällt auf, daß die Regierung offenbar über keine eigenen Informationen über die Vorgänge in der Petschorasee verfügt. Statt dessen wird immer wieder nur auf die Verlautbarungen von Greenpeace verwiesen - eine erwiesenermaßen nicht vertrauenswürdige Informationsquelle. In einem Schriftsatz gibt das Außenministerium sogar Links zu Youtube-Videos an, statt dieselben herunterzuladen, auf eine CD zu brennen und dem Brief an das Gericht beizufügen. Nicht sehr professionell. Das Königreich der Niederlande hat sich also zum Sprachrohr von Greenpeace gemacht und sich dieser bekannten kriminellen Organisation auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
5. Und wenn der ISGH wider Erwarten doch anders entscheidet?
Natürlich ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß der Seegerichtshof den Niederlanden doch irgendwie entgegenkommt. Dem läge dann aber nicht die (nicht vorhandene) saubere juristische Argumentation Den Haags zu Grunde, sondern außerrechtliche Aspekte.
Zum einen könnten die Richter von ihrem Ego getrieben sein und wollen durch diesen Fall ihre eigene Wichtigkeit unter Beweis stellen. Zweitens stehen sie schon jetzt unter einem erheblichen Druck, insbesondere seitens der deutschen Medien, die den ISGH insgesamt infrage stellen. Dieser Druck geht auch an formal unabhängigen Gerichten nicht spurlos vorüber. Und drittens könnten die Richter schlicht Angst um ihre eigene Sicherheit haben. Sie wohnen in Hamburg und diese Stadt verfügt bekanntermaßen über eine virulente und gewaltbereite linksradikale Szene. Angesichts dessen ist die Furcht vor angezündeten Richterautos und ähnlichen Racheakten nicht von der Hand zu weisen. Daneben könnte Greenpeace sich auch direkt am Gerichtshof rächen und dessen Dienstgebäude in gewohnter Manier stürmen und besetzen.
Sollte der ISGH also wider Erwarten der Klage stattgeben, so müßte er in der Begründung seiner Entscheidung in etwa folgendes ausführen:
  • Die in Art. 298 SRÜ vorgesehenen und von vielen Staaten eingelegten Vorbehalte hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit wären nichtig.
  • Sicherheitszonen um Bohrinseln wären entgegen Art. 60 SRÜ unbeachtlich und dürften nach Lust und Laune befahren werden.
  • Es gäbe ein Recht auf das Entern anderer Seefahrzeuge, auch entgegen dem Willen des Eigners. Damit wäre das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschiffahrt ebenso wie die Rechte des Eigentümers weitgehend ausgehebelt, von der Bekämpfung der Piraterie, namentlich vor der afrikanischen Küste, ganz zu schweigen.
  • Im Namen der Demonstrationsfreiheit dürfte man ein fremdes Seefahrzeug auch besetzen und an ihm Veränderungen vornehmen. Insofern bestände eine Duldungspflicht des Eigners.
  • Es gäbe entgegen der Artikel 60 und 111 SRÜ sowie Art. 5 f. ÜBWHSS kein Recht des Küstenstaates, derartige Angriffe auf Bohrinseln abzuwehren und die Angreifer strafrechtlich zu verfolgen.
Wie man sieht, müßte der Seegerichtshof in seiner Begründung erhebliche Kunststücke vollbringen, um sich mit einer Entscheidung zugunsten der Niederlande nicht komplett unmöglich zu machen und damit seine Autorität zu untergraben. Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich.
6. Weiterer Gang der Verfahren in Rußland
Nach der wahrscheinlichen holländischen Niederlage vor dem ISGH in Hamburg wird man in Den Haag mit dem Umdenken beginnen, seine bisherige unkooperative Haltung aufgeben und bilaterale Verhandlungen mit Rußland aufnehmen. Bei diesen dürfte es vor allem um zwei Themen gehen: Wie garantieren die Niederlande, daß Greenpeace nicht weitere illegale Aktionen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und im Küstenmeer der RF mit einem Schiff, das unter der Flagge des Königreiches fährt, durchführt. Und wie werden der Eigner der "Priraslomnaja" und die Küstenwache für jene Unkosten entschädigt, die ihnen im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Greenpeaceaktion im September (und der ersten Besetzung 2012) entstanden sind.
Relativ unabhängig davon wird sich die strafrechtliche Aufarbeitung des Falles vollziehen, denn keiner der beteiligten "Aktivisten" ist niederländischer Staatsbürger. Im Ergebnis wird es bei den meisten wohl zu Verurteilungen wegen Rowdytums gemäß Artikel 213 StGB-RF kommen. Am Vorliegen dieses Tatbestandes zweifelt, soweit ersichtlich, keiner der von Journalisten dazu befragten Juristen. Dabei wird das Strafmaß vom Grad der individuellen Tatbeteiligung abhängen und sich vermutlich in einem Spektrum zwischen Geldstrafen und Haftstrafen von bis zu zwei Jahren bewegen. (Die selbe Zeitdauer ist übrigens auch im britischen Recht vorgesehen, s.o.)
Davon, daß die Ermittlungen gut vorangehen, zeugt, daß gestern und heute einige der Untersuchungshäftlinge vom Kalininskij- und vom Primorskij-Gericht in Sankt Petersburg gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden sind - entgegen dem Antrag des Ermittlungskomitees. Bei anderen hingegen sind die Gerichte dem Ansinnen der Ankläger gefolgt und haben die U-Haft verlängert, was mit der offensichtlichen Fluchtgefahr begründet wird. Die vorerst freigelassenen ausländischen Beschuldigten müssen bis zur Gerichtsverhandlung im Lande bleiben und werden derweil in Petersburger Hotels wohnen. Mit dem Beginn der Hauptverhandlung ist wohl spätestens im Januar oder Februar zu rechnen.
Sofern einige der Beschuldigten zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, müssen sie vermutlich nur einen Teil davon tatsächlich absitzen. Wahrscheinlich werden sie nach einigen Monaten entlassen, in ihre Heimatländer abgeschoben und mit einem lebenslangen Einreiseverbot belegt. Diese Verfahrensweise ist in der RF bei ausländischen Straftätern üblich.
Dann bliebe noch die Frage, was mit dem Schiff, der "Arctic Sunrise", passieren wird. Wie im deutschen Recht, so ist es auch im rußländischen Strafrecht möglich, Gegenstände, die zur Begehung von Straftaten verwendet wurden, einzuziehen (Artikel 104.1 I lit. g) StGB-RF). Somit könnte das Gericht das Schiff und seine Beiboote als Tatmittel konfiszieren. Ein solcher Schritt wäre wohl vor allem unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention geboten, also um die Begehung neuer Straftaten mit denselben Wasserfahrzeugen zu vermeiden. Dies um so mehr, als die "Arctic Sunrise" schon an zahlreichen kriminellen Handlungen, auch außerhalb Rußlands, beteiligt war (z.B. in Grönland und Großbritannien).
Insoweit wird es darauf ankommen, ob die Niederlande Rußland davon überzeugen können, daß es keine weiteren rechtswidrigen Aktionen mit der "Arctic Sunrise" und ihren Beibooten geben wird. Wenn die Haager Regierung dazu nicht willens oder fähig ist - wovon man angesichts ihrer demonstrativen Unterordnung unter Greenpeace ausgehen muß -, dürfte das Schiff wohl nicht so schnell nach Amsterdam zurückkehren.
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