Den Worten ein Gewissen

Von Frank Benedikt
Eine Rezension von Roberto De Lapuentes Buch “Auf die faule Haut”
Den Worten ein GewissenUnbequem! Das ist der erste Gedanke, der dem Leser wohl unwillkürlich in den Sinn kommt, wenn er De Lapuentes Buch erstmalig zur Hand nimmt. So erging es jedenfalls dem Rezensenten, der das Büchlein (es sind ja nur 157 Seiten) zwei Mal – mit einem halben Jahr Abstand – gelesen hat. Und mit “unbequem” ist beileibe nicht nur gemeint, daß die darin enthaltenen Texte dies nun für bestimmte Gruppen dieser Gesellschaft wären. Wer nur das darin zu erkennen vermag, hat weit gefehlt, beschäftigt sich der Autor doch mit unserer ganzen Gesellschaft und ihrer Sprache – also auch mit uns, den Lesern.
In 19 “Skizzen und Essays” (so der Untertitel) setzt sich De Lapuente mit so unterschiedlichen Themen wie Entfremdung und Geworfenheit, den Problemen eines Migrantensohns, dem Antagonismus in der deutschen Kultur oder auch dem Konsumismus als dem “wahren Sieger” der konkurrierenden Systeme Kapitalismus und Kommunismus auseinander. Den eigentlichen Mittel- wie Höhepunkt des Buches bildet ein über 40 Seiten langes Essay zum Thema Sprache, das sich zwischen allgemeiner Linguistik, Sprachphilosophie und Sprachkritik bewegt. Dabei kritisiert der Autor auch deutlich  zunehmende Verschleierung oder Beschönigung von Tatsachen und Sachzusammenhängen durch Worthülsen und inhaltsleere ‘Neoliberal Speech’. Eine von ihm erwünschte Präzision des Ausdrucks, wie sie in früheren Zeiten noch möglich und üblich war, ist einer Art Orwellschem “Neusprech” gewichen, das ein differenziertes und kritisches Betrachten gesellschaftlicher Zustände kaum noch gestattet.
Sprache ist, wie schon in seinem ersten Buch “Unzugehörig”, für De Lapuente ein zentrales Thema und ohne ein gewisses Sprachverständnis wird sich der Leser auch mit den vorliegenden Texten eher hart tun, da sie nicht nur streckenweise poetisch, sondern auch anspruchsvoll sind. Vom Blogger mehr und mehr zum Literaten, das ist die Entwicklung, die sich beim Autor abzeichnet, und einige der vorliegenden “Skizzen und Essays” sind bereits auch nicht mehr in seinem Blog ad sinistram, sondern nur noch im Druck erschienen.  In manchen Momenten nähern sich De Lapuentes Gedanken und Sätze – unbewußt oder nicht – Elias Canetti an, der mit “Das Gewissen der Worte” einst einen großen deutschsprachigen Essayband veröffentlichte. Kein geringer Maßstab, an dem sich ein einstiger “Blogger” da wohl künftig messen lassen muss.
Das Essay als Stil- und Kunstform hat in Deutschland wenig Tradition und noch weniger Exponenten, aber De Lapuente hätte als Vertreter der jungen Generation wohl das Zeug dazu, dieses Genre zu bereichern und zu beleben. “Auf die faule Haut” hat sich der noch junge Ibero-Ingolstädter mit seinem zweiten Buch jedenfalls nicht gelegt und dies ist auch dem Leser nicht anzuraten, falls er maximalen Gewinn aus diesem Bändchen ziehen will.
Roberto J. De Lapuente: Auf die faule Haut. Skizzen & Essays. Renneritz, Sandersdorf 2011. 157 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-940684-13-4. Erhältlich beim Verlag oder bei Amazon.

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