Das nachfranquistische Spanien ist ein Land, in dem es so gut wie keine geschichtliche Aufarbeitung gab und kaum gibt - und in dem es vielleicht unter gegebenen Zuständen keine geben kann. Denn das nachfranquistische Spanien ist zwar ein Spanien nach Franco, nicht aber nach dem Franquismo. Die Scheide zwischen Vorher und Nachher, zwischen Diktatur und Demokratie fand, trotz der Transición, der Demokratisierung Spaniens, niemals statt. Spanien ist ein Staat, der seine politische Konstitution, nicht aber sein Personal und seine Denkweise ausgetauscht hat. Die Königliche Geschichtsakademie Spaniens lebt diesen Geist, sie hat dieser Tage eine Enzyklopädie herausgebracht, in der der Franquismo als "autoritätes, aber kein totalitäres Regime" bezeichnet wird. Franco indes habe damals einen "Befreiungskrieg" gegen die diktatorische Republik geführt. Schirmherr der Königlichen Geschichtsakadmie ist, nach Artikel 62 j) der Spanischen Verfassung von 1978, König Juan Carlos de Borbón.
Dieser geachtete, als bürgernah geltende Monarch, er passt besser in dieses Verklärungskonzept der spanischen Vergangenheit, als man das auf den ersten Blick zunächst wahrhaben will. Die Bourbonen hatten den spanischen Thron 1931 an die Zweite spanische Republik verloren - Francos Angebot, den Sohn des Thronprätendenten (Juan Carlos' Vater), unter seine Fittiche zu nehmen, nahm man dann doch gerne wahr. Immerhin sollte der zu Francos Nachfolger erzogen werden und damit dem neuen, vom Caudillo geordneten Spanien vorstehen. Die nachfranquistische Legende will es nun, dass Juan Carlos als stiller Teilhaber des Widerstands vor der Geschichte steht. Zwar sei dieser keine Schlange am faschistischen Busen gewesen, der ihn stillte, denn als Blaublüter ziert sich Hinterfotzigkeit nicht - aber mit Franco und seinem totalitären Staatskonzept stand er trotzdem auf Kriegsfuß. Wenn auch in aller gebotenen Stille. Juan Carlos ist was er ist von Francos Gnaden. Wie sollte eine Königliche Akademie, deren Schirmherr er ist, den Ziehvater ebendieses Schirmherrn anfeinden?
Natürlich liest man allerorten, dass das aktuelle Spanien von Königs gemacht ist. Er habe die Demokratisierung vorangetrieben und wesentliche diktatorische Kompetenzen abgelegt und der Allgemeinheit übertragen. Verschwiegen wird, dass der König immer noch oberste Befehlsgewalt über die Streitkräfte ausübt (Artikel 62 h) der Spanischen Verfassung) und überhaupt laut Verfassung als unantastbar gilt - der König ist unverletzlich und an keine Verantwortung gebunden (Artikel 56, Absatz 3, Constitución española de 1978). Und er kann nicht nur Gesetze billigen, er kann sie gar erlassen (Artikel 62) - ein bisschen diktatorischer Tand im nachfranquistischen Spanien, man will ja schließlich ein wenig traditionell bleiben und der "Bürger Borbón" will die eigene Sozialisation untermauern.
Überhaupt ist die Trennung nur schwerlich vollzogen worden. Die ETA war unter Franco eine terroristische Vereinigung - als man während der Transición dem Baskenland nur begrenzte Autonomie zusprach, trieb man sie erneut zu terroristischen Fehltritten. Später wurde auch der Flügel der Autonomiebewegung verboten, der als politische Partei auf dem politischen Parkett tätig war - Herri Batasuna ist in Spanien seit 2006 verboten, gleichwohl es HB in Frankreich weiterhin legal gibt. Das neue Spanien kannte und kennt Falangisten und Franquisten in hohen Ämtern, schon Adolfo Suárez, der erste Ministerpräsident der neuen spanischen Demokratie, stammt aus dem bestellten Hause Francos. Und zuletzt war es José María Aznar von der (rechts-)konservativen Partido Popular (PP), der in seiner Jugend in der franquistischen Vereinigung Falangistas Independientes politisch aktiv war. Die Problematik um das Baskenland ging dieser mit derselben erbarmungslosen Härte an, wie Franco einst - sein Nachfolger Zapatero, eigentlich ein Sozialist, hat sogar nochmal die Gangart erhöht und ist nicht gewillt mit denen, die mehr baskische Autonomie einfordern, gleich ob politisch oder mit terroristischen Mitteln, einen Dialog zu führen. Stattdessen Strafverschärfung, willkürliche Haftverlängerungen, präventive Verurteilungen, Stärkung der richterlichen Befugnisse, Partei- und Berufsverbote (bei Familien von ETA-Aktivisten auch Sippenbestrafungen durch öffentliche Brandmarkung) und Gesinnungsschnüffelei!
Es ist wahrlich keine Überraschung großen Formats, dass sich die Königliche Geschichtsakademie so sanftmütig zur Zeit der spanischen Diktatur äußert. Denn die politischen Eliten des Landes, ja der Schirmherr selbst, sind Kinder dieser Ära und haben dort den Grundstein ihres späteren Lebens gelegt. Selbst die heutige PSOE (Partido Socialista Obrero Español), die Sozialisten folglich, entwickeln sich verstärkt zu einer Partei, die die schäbige Logik der franquistischen Lebensart leibt und lebt. Zapatero hat diesen Prozess im vorauseilendem Gehorsam gegenüber der konservativen Presse beschleunigt - mit einem gefügigen Gehorsam, den die deutsche Sozialdemokratie auf wirtschafts- und sozialpolitischer Ebene identisch vollzog. Ingo Niebel schreibt in seinem Buch "Das Baskenland" auch dezidiert von den "Postfranquisten", die das Land heute führten, was suggeriert, dass der Franquismus immer noch anwesend, wenngleich in ein anderes Stadium gelangt ist - von demokratischen Kräften kann nur wenig Rede sein. Das faschistisch-franquistische Erbe ist noch immer involviert, historische Aufarbeitung gilt als nestbeschmutzender Akt. Die Kirche bildet mit Politik und Wirtschaft eine Phalanx, eine Falange, gegen die Aufarbeitung, denn sie war verstrickt in den Franquismo, der durchaus klerikal-faschistische Anklänge fand und eine christlich-sittliche Diktatur darstellte. Es überrascht überhaupt nicht, dass der Franquismo immer noch gut abschneidet. Er ist noch nicht tot, er lebt im Postfranquismus weiter. Ob da wohl Ekel vor diesen "Franquisten im demokratischen Kleidchen" mitschwingt, wenn spanische Massen nun spanische Plätze und Märkte belagern? Jedenfalls ist sind Darstellungen ausländischer Medien sehr einseitig (eine Einseitigkeit, die der spanische Zentralstaat im Ausland unterstützt, um europäischen Rückhalt bei der inneren Terrorbekämpfung zu ernten), wenn sie nun zu berichten wissen, dass in einer europäischen Demokratie Demonstrationen, ja vielleicht sogar softe Noten von Revolution anstehen, denn die spanische Demokratie ist unzureichend und nur eine evolutionäre Weiterentwicklung des totalitären Franquismo, der lediglich einer liberalen Spielart gewichen ist.
Und Juan Carlos, in dessen Namen die oben genannte Enzyklopädie indirekt veröffentlicht wurde, ist das Ziehkind des Caudillo und damit sicherlich nicht prädestiniert, den gestrengen alten Herrn aus dem Königspalast Pardo, ungebührlich vor der Historie zu herabzukanzeln - ihm verdankt er, verdankt seine Familie den Thron. Ohne Franquismo keine Bourbonen - bourbonisches Leitmotiv ist daher, dem Despoten in stiller (oder publizistischer) Dankbarkeit die Treue zu halten.
Dieser geachtete, als bürgernah geltende Monarch, er passt besser in dieses Verklärungskonzept der spanischen Vergangenheit, als man das auf den ersten Blick zunächst wahrhaben will. Die Bourbonen hatten den spanischen Thron 1931 an die Zweite spanische Republik verloren - Francos Angebot, den Sohn des Thronprätendenten (Juan Carlos' Vater), unter seine Fittiche zu nehmen, nahm man dann doch gerne wahr. Immerhin sollte der zu Francos Nachfolger erzogen werden und damit dem neuen, vom Caudillo geordneten Spanien vorstehen. Die nachfranquistische Legende will es nun, dass Juan Carlos als stiller Teilhaber des Widerstands vor der Geschichte steht. Zwar sei dieser keine Schlange am faschistischen Busen gewesen, der ihn stillte, denn als Blaublüter ziert sich Hinterfotzigkeit nicht - aber mit Franco und seinem totalitären Staatskonzept stand er trotzdem auf Kriegsfuß. Wenn auch in aller gebotenen Stille. Juan Carlos ist was er ist von Francos Gnaden. Wie sollte eine Königliche Akademie, deren Schirmherr er ist, den Ziehvater ebendieses Schirmherrn anfeinden?
Natürlich liest man allerorten, dass das aktuelle Spanien von Königs gemacht ist. Er habe die Demokratisierung vorangetrieben und wesentliche diktatorische Kompetenzen abgelegt und der Allgemeinheit übertragen. Verschwiegen wird, dass der König immer noch oberste Befehlsgewalt über die Streitkräfte ausübt (Artikel 62 h) der Spanischen Verfassung) und überhaupt laut Verfassung als unantastbar gilt - der König ist unverletzlich und an keine Verantwortung gebunden (Artikel 56, Absatz 3, Constitución española de 1978). Und er kann nicht nur Gesetze billigen, er kann sie gar erlassen (Artikel 62) - ein bisschen diktatorischer Tand im nachfranquistischen Spanien, man will ja schließlich ein wenig traditionell bleiben und der "Bürger Borbón" will die eigene Sozialisation untermauern.
Überhaupt ist die Trennung nur schwerlich vollzogen worden. Die ETA war unter Franco eine terroristische Vereinigung - als man während der Transición dem Baskenland nur begrenzte Autonomie zusprach, trieb man sie erneut zu terroristischen Fehltritten. Später wurde auch der Flügel der Autonomiebewegung verboten, der als politische Partei auf dem politischen Parkett tätig war - Herri Batasuna ist in Spanien seit 2006 verboten, gleichwohl es HB in Frankreich weiterhin legal gibt. Das neue Spanien kannte und kennt Falangisten und Franquisten in hohen Ämtern, schon Adolfo Suárez, der erste Ministerpräsident der neuen spanischen Demokratie, stammt aus dem bestellten Hause Francos. Und zuletzt war es José María Aznar von der (rechts-)konservativen Partido Popular (PP), der in seiner Jugend in der franquistischen Vereinigung Falangistas Independientes politisch aktiv war. Die Problematik um das Baskenland ging dieser mit derselben erbarmungslosen Härte an, wie Franco einst - sein Nachfolger Zapatero, eigentlich ein Sozialist, hat sogar nochmal die Gangart erhöht und ist nicht gewillt mit denen, die mehr baskische Autonomie einfordern, gleich ob politisch oder mit terroristischen Mitteln, einen Dialog zu führen. Stattdessen Strafverschärfung, willkürliche Haftverlängerungen, präventive Verurteilungen, Stärkung der richterlichen Befugnisse, Partei- und Berufsverbote (bei Familien von ETA-Aktivisten auch Sippenbestrafungen durch öffentliche Brandmarkung) und Gesinnungsschnüffelei!
Es ist wahrlich keine Überraschung großen Formats, dass sich die Königliche Geschichtsakademie so sanftmütig zur Zeit der spanischen Diktatur äußert. Denn die politischen Eliten des Landes, ja der Schirmherr selbst, sind Kinder dieser Ära und haben dort den Grundstein ihres späteren Lebens gelegt. Selbst die heutige PSOE (Partido Socialista Obrero Español), die Sozialisten folglich, entwickeln sich verstärkt zu einer Partei, die die schäbige Logik der franquistischen Lebensart leibt und lebt. Zapatero hat diesen Prozess im vorauseilendem Gehorsam gegenüber der konservativen Presse beschleunigt - mit einem gefügigen Gehorsam, den die deutsche Sozialdemokratie auf wirtschafts- und sozialpolitischer Ebene identisch vollzog. Ingo Niebel schreibt in seinem Buch "Das Baskenland" auch dezidiert von den "Postfranquisten", die das Land heute führten, was suggeriert, dass der Franquismus immer noch anwesend, wenngleich in ein anderes Stadium gelangt ist - von demokratischen Kräften kann nur wenig Rede sein. Das faschistisch-franquistische Erbe ist noch immer involviert, historische Aufarbeitung gilt als nestbeschmutzender Akt. Die Kirche bildet mit Politik und Wirtschaft eine Phalanx, eine Falange, gegen die Aufarbeitung, denn sie war verstrickt in den Franquismo, der durchaus klerikal-faschistische Anklänge fand und eine christlich-sittliche Diktatur darstellte. Es überrascht überhaupt nicht, dass der Franquismo immer noch gut abschneidet. Er ist noch nicht tot, er lebt im Postfranquismus weiter. Ob da wohl Ekel vor diesen "Franquisten im demokratischen Kleidchen" mitschwingt, wenn spanische Massen nun spanische Plätze und Märkte belagern? Jedenfalls ist sind Darstellungen ausländischer Medien sehr einseitig (eine Einseitigkeit, die der spanische Zentralstaat im Ausland unterstützt, um europäischen Rückhalt bei der inneren Terrorbekämpfung zu ernten), wenn sie nun zu berichten wissen, dass in einer europäischen Demokratie Demonstrationen, ja vielleicht sogar softe Noten von Revolution anstehen, denn die spanische Demokratie ist unzureichend und nur eine evolutionäre Weiterentwicklung des totalitären Franquismo, der lediglich einer liberalen Spielart gewichen ist.
Und Juan Carlos, in dessen Namen die oben genannte Enzyklopädie indirekt veröffentlicht wurde, ist das Ziehkind des Caudillo und damit sicherlich nicht prädestiniert, den gestrengen alten Herrn aus dem Königspalast Pardo, ungebührlich vor der Historie zu herabzukanzeln - ihm verdankt er, verdankt seine Familie den Thron. Ohne Franquismo keine Bourbonen - bourbonisches Leitmotiv ist daher, dem Despoten in stiller (oder publizistischer) Dankbarkeit die Treue zu halten.