Jeder zehnte Pilger, der Santiago de Compostela erreicht und sich dort die Pilgerurkunde abholt, hat den Jakobsweg mit dem Fahrrad absolviert.
In Zukunft werden es von diesen zehn Prozent vermutlich immer mehr sein, die den Jakobsweg per e-Bike bestreiten, anstatt mit dem normalen Fahrrad oder Mountainbike.
Während Fußpilger mindestens 100 Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt haben sollten, um die Pilgerurkunde zu erhalten, gelten für Radpilger andere Regeln:
Sie sollten mindestens 200 Kilometer Strecke durch die Stempel im Pilgerausweis nachweisen können. Erst dann dürfen Sie die begehrte Urkunde, die Compostela, erhalten.
Leichte Spannungen zwischen Fuß- und Radpilgern
Das Verhältnis zwischen Fuß- und Radpilgern ist nicht immer ganz ungetrübt. Kein Wunder, handelt es sich hierbei doch um zwei recht verschiedene Arten des Pilgerns.
Hinzu kommt, dass es immer wieder mal Situationen gibt, wo sich Fußpilger erschrecken, wenn plötzlich ein Radpilger an ihnen vorbeigerauscht kommt, den sie nicht gehört haben. Hier gilt nur eins, sowohl für Rad- wie auch für Fußpilger: Achtsam sein.
In den Herbergen ist es meist so geregelt, dass Fußpilger Vorrang haben, wenn es um die Bettenverteilung geht. Ich vermute, das liegt einerseits daran, dass sie die klassischen Pilger sind.
Und andererseits, dass es für sie viel weniger schmerzvoll und erschöpfend ist, wenn sie bei Bettknappheit 10 Kilometer weiter zur nächsten Unterkunft radeln, als wenn ein Fußpilger noch einmal 10 Kilometer zu Fuß gehen müsste.
Jeder Zehnte pilgert per Rad oder e-Bike
Was das Wegprofil angeht, so ist es an vielen Passagen kein Problem, den Jakobsweg mit dem Fahrrad oder per e-Bike zu bestreiten. Der unten abgebildete Outdoor-Pilgerführer gibt zudem auch spezielle Tipps für Radpilger und weist auf Abschnitte hin, die kaum oder nicht mit dem Rad passierbar sind.
Hier bieten sich Umwege entlang der Straße an, in manchen Fällen muss halt mal ein Stück geschoben werden. Vielfach sind in die Straße eingelassene oder mit Kreide gemalte Markierungen mit der Aufschrift „Bicicleta“ als Hinweis an solchen Stellen zu finden.
Zudem führt auch die Route des Eurovelo für Radfahrer oftmals mehr oder weniger parallel zum bekannten Camino Francés.
Ich selbst bin den Jakobsweg noch nicht mit dem Rad oder e-Bike gepilgert. Was ich mir aber vorstelle und von anderen Pilgern gehört habe, ist, dass es eine ganz andere Art des Pilgerns ist.
Man legt viel mehr Strecke in viel kürzerer Zeit zurück, und kann den Jakobsweg dadurch vermutlich in einem Drittel der „normalen“ Zeit schaffen.
Nicht ganz einfach und unproblematisch ist allerdings der Transport der Räder. Wer hier Erfahrungen hat, mag die gerne in den Kommentaren teilen.
Kontakte pflegen ist als Radpilger schwieriger
Zudem wird man als Radpilger andere Fußpilger kaum wiedersehen. Denn während ein Fußpilger vielleicht 15, 20 oder 25 Kilometer am Tag zurücklegt, kommt ein Radpilger locker auf 45, 60 oder 80 Kilometer Tagesdistanz.
Damit ist man als Radpilger natürlich in einer ganz anderen Unterkunft am nächsten Abend und kann auf Dauer lediglich weitergehende Kontakte mit anderen Radpilgern oder Mitreisenden pflegen.
Das e-Bike ist im Kommen
Immer häufiger, vermute ich, wird man in Zukunft auch Menschen mit dem e-Bike auf dem Camino sehen. Besonders auf anspruchsvollen Jakobswegen, wie dem bergigen Küstenweg, kann diese Art des erleichterten Radfahrens natürlich ein Vorteil sein.
Aber auch für Menschen, die ansonsten vielleicht gesundheitlich gar nicht in der Lage wären, den Weg zu schaffen, oder von zuhause aus lospilgern wollen, kann das Pilgern mit e-Bike eine Option und Chance sein. Einen Erfahrungsbericht gibt es z.B. hier zu lesen.
Ich vermute, dass es so kommen wird, dass wir mehr e-Bikes auf dem Camino sehen. Denn auch bei uns in Deutschland sieht man nun immer häufiger Menschen auf dem e-Bike radeln – ob auf einfachen Wanderwegen oder auf einem der vielen Jakobswege in Deutschland, wie z.B. entlang der Mosel von Trier nach Koblenz. Dort lässt es sich wunderbar radeln, wie auf dieser Seite nachzulesen ist.
Zwei Arten von e-Bikes
Wer mit e-Bikes noch nicht familiär ist, dem sei gesagt, dass es zwei verschiedene Arten von e-Bikes gibt: Einmal die e-Bikes, die sich ganz von alleine fortbewegen, ohne dass der Mensch noch etwas tun muss.
Und einmal die Pedelecs, die nur dann aktiviert werden und unterstützend wirken, wenn man selbst auch in die Pedale tritt.
Wer mehr über e-Bikes erfahren möchte oder erwägt, selbst den Jakobsweg mit dem e-Bike zu absolvieren, dem sei diese Seite hier empfohlen, oder diese zu e-Bikes, wo es ausführlichere Berichte und Tests zu finden gibt.
Gilt das überhaupt?
In Foren sind nun natürlich schon Diskussionen losgegangen, ob ein mit dem e-Bike absolvierter Jakobsweg überhaupt „zählt“. Unzwar daher, weil der Pilger ja womöglich nur das e-Bike hat für ihn fahren lassen.
Ich kann dazu nur das sagen, was ich auch an anderen Stellen zu ähnlichen Diskussionen um „wahre“ und „falsche“ Pilger immer sage: Jeder pilgert für sich und jeder sollte für sich selbst seine ganz eigenen Pilger-Prinzipien festlegen.
Es gibt kein „wahres“ oder „falsches“ Pilgern
Wer sich bewertend über andere äußern muss, weil diese nur halb so viel Kilometer am Tag zurückgelegt haben oder mit dem Fahrrad kommen oder sonst etwas, der ist in meinen Augen noch nicht bei sich angekommen.
Sondern er oder sie hängt noch auf einer Ebene von vergleichen und bewerten, die wenig mit wirklichem Ankommen und Toleranz und (Nächsten-)Liebe für sich und seine Mitmenschen zu tun hat.
Warum lässt man Menschen nicht einfach in Ruhe ihren Weg gehen und zu sich finden, und konzentriert sich und seine Energie stattdessen auf den eigenen Weg?
Daher finde ich, sollte auch jedem freistehen, ob er den Jakobsweg zu Fuß, per Fahrrad, e-Bike, mit dem Pferd, Esel oder sonst wie absolviert. Respekt, dass er überhaupt den Mut aufbringt, sich auf den Weg zu machen!
Buen Camino
Was ist deine Meinung? Hast du Erfahrungen mit dem Fahrrad auf dem Camino?