Bildquelle: onlymehdi
Am gestrigen 25. Bahman, dem Jahrestag der sog. “islamischen Revolution” gab es auch in Iran wieder Demonstrationen der Opposition. Die beiden Leader Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi hatten zu einer Solidaritätskundgebung für Ägypten aufgerufen. Natürlich – und das war auch dem islamischen Regime klar – war mitgehofft, dass diese Demonstrationen die Flamme des iranischen Widerstandes neu entfachen würde. Diese Demonstrationen wurden (selbstverständlich – aus Sicht der Regierung) verboten.
Nichtsdestotrotz kam es gestern in Teheran, Mashhad, Shiraz und in anderen Städten zu Demonstrationen. Berichte, Videos, Tweets und Facebookeinträge zeugen davon.
Doch wie sind diese Bilder, diese Nachrichten zu werten? Es ist schwer, sich ein objektives Bild von der Situation in Iran am gestrigen Tage zu machen. Sicher ist, dass es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und den regimetreuen Sicherheitskräften kam. Bestätigt ist auch der Tod eines Demonstranten.
Doch was geben die Bilder wieder? Welches Bild zeichnen sie von der tatsächlichen Lage in Iran? Können sie das überhaupt? Ich bin im Laufe des letzten Jahres etwas kritischer geworden. Was uns als gewaltige Bewegung erscheinen mag, ist möglicherweise nur eine seichte Welle. Wir nehmen selektiv wahr. Wo wir Aufbruch zu sehen bereit sind, gibt es vielleicht nur lokale Unruhen.
Meine Quelle zum Iran meint, dass es – anders als Nierumand das schreibt – sehr wohl nicht nur leise Demonstrationen gab (siehe Links am Ende des Artikels). Es erinnerte teilweise an die Zeit der Unruhen nach der gefälschten Wahl.
Solidaritätsdemonstration für Ägypten und Tunesien am 14. Februar 2011
Tausende waren auf der Straße. Jedoch nicht Millionen wie vor eineinhalb Jahren. Und das Regime hat gestern noch härter auf die Proteste regiert. Mit Gummigeschossen, Tränengas und Pfefferspray ging es gegen die Demonstranten vor.
Das, was gestern in Iran geschah war ein Wiederaufbäumen. Aber (leider) keines, das stark genug war, das System zu stürzen wie es in Tunesien und Ägypten gelang. Das islamische Regime hat gelernt. Und die Kommunikation erschwert, Studentenwohnungen und mindestens eine Universität angegriffen, ehe sich die Studenten sammeln konnten.
Es scheint tatsächlich so, als würden sich Bahman Nierumand in der TAZ und Florian Rötzer bei Telepolis irren, wenn sie von „stillen Protesten“ sprechen. Allerdings ist es auch äußerst schwer, an verlässliche Informationen aus dem Iran heranzukommen. Die Meldungen bei Twitter und Facebook sind oft genug irreführend. Gestern ging unter anderem ein YouTube-Video durchs Netz, bei dem – weshalb auch immer – über Bilder vom Sommer 2009 die Rufe von gestern gelegt wurden. Das wurde innerhalb von einer guten Stunde aufgeklärt. Aber es zeigt, wie vorsichtig wir mit den Informationen umgehen müssen, die uns aus diesem nach Außen so gut wie abgeschottetem Land erreichen.
Amateurvideo vom 14.02.2011
Ich denke, das wir wirklich erst wissen können, was in Iran am 25. Bahman geschah, wenn wir mehr Informationen haben. Und wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Regime es in Sachen Butterbrot-und-Peitsche-Spiel zu einer perversen Perfektion gebracht hat. Völlig untergegangen ist die Meldung, dass gestern im Fall Sakineh Astiani die zweite gegen sie ausgesprochene Todesstrafe erlassen wurde. Das wollte das Regime nicht allzulaut herausposaunen und der Blick auf die Kundgebungen und Demonstrationen lenkte gut davon ab. Anderseits kann das Regime nun öffentlich kundgeben: während die Welt auf die „Unruhestifter“ schaut (die natürlich, wie INRA heute prompt meldete, vom Westen gesteuert waren) – bewies es sich als überaus menschlich.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser noch an meine Analyse des Falles. Als ich darauf hinwies, dass Frau Ashtiani dem Regime inzwischen unwichtig wurde. Es hat die beiden deutschen Journalisten Jens Koch und Marcus Hellwig in Geiselhaft gepracht. Sakineh Ashtiani hat das teuflische Spiel mitgespielt und ihr Leben ist ihr Lohn dafür. Das freut mich für sie. Aber es ändert nichts an der Unmenschlichkeit des Regimes.
Der 25. Bahman hat gezeigt: die Flamme der Freiheit ist in Iran noch nicht erloschen. Trotz aller Repressalien, trotz der unglaublichen Verhaftungswellen und den inzwischen mehr als 100 Hinrichtungen in diesem Jahr. Diese Jugend lässt sich nicht mehr einschüchtern!
Azadi!
Nic
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