De dicto

"Der Bürokratieabbau in Deutschland kommt voran!
[...]

Das entlastet unsere Wirtschaft, erhöht die Wettbewerbsfähigkeit...
[...]
Aber was
ist mit arbeitenden Müttern, Angehörigen von Pflegebedürftigen, Steuerzahlern – also mit den Bürgern?"
- Christin Martens, BILD-Zeitung vom 20. September 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Unterwirft man die Zeilen Martens' der Analyse, so wird vielerlei offenkundig, was uns in dieser neoliberalen Gesellschaft belastet. Er ist dabei exemplarisch, zwar besonders platt, aber dennoch ein Beispiel dafür, wie der Journalismus mit Schlagworten hantiert und unterschwellig Ressentiments anfacht.

Martens lobt einen Bürokratieabbau, der Unternehmen schon Milliarden eingespart hat. Woher sie die Zahlen nimmt, ist nicht weiter interessant - auch nirgends erklärt. Weitaus interessanter ist da schon, wen sie außer Unternehmen noch in den Genuss zurückgeschraubter Bürokratie bringen möchte. Arbeitende Mütter, Angehörige von Pflegebedürftigen, Steuerzahler - Bürger also, wie sie schlussfolgert. Diejenigen, die mit dem Bürokratie-Monstrum schlechthin, mit dem SGB II zu ringen haben, vulgär als Hartz IV-Empfänger bezeichnet, finden sich in der Auflistung nicht. Keine Bürger? Könnte man meinen, denn nur Bürgern soll der Bürokratieabbau zu Gute kommen. Arbeitende Mütter sind Bürgerinnen - nicht Mütter generell. Das passiert quasi nebenher, in einem Nebensatz, ganz unscheinbar, aber das ist die Essenz, die zwischen den Zeilen vermittelt wird. Dass dabei der Bürokratieabbau nur ein Gag der Wortschöpfungsagenturen ist, weil damit schlicht der Abbau von Profitreduzierern und -barrieren gemeint ist, die entfesseltem Profit den Weg behinderten, muß nicht mehr erwähnt werden.

Das macht uns wettbewerbsfähig, meint Martens. Was ist der Wettbewerb denn? Sie meint damit lediglich jene Schraube, die den Profit mehr und mehr hochschaukeln läßt - wettbewerbsfähig sind Unternehmen immer dann, wenn sie die Personalkosten reduzieren. Die entlassenen Arbeitskräfte waren allerdings nicht mehr wettbewerbsfähig, sie wurden aus dem Wettbewerb gekegelt. Die Wettbewerbsfähigkeit macht, dass die Menschen, die unter dem Wettbewerb um Renditen und Profite leiden, es wortlos hinnehmen, dass sie dafür, im Wettbewerb verweilen zu dürfen, zurückstecken müssen. Um wettbewerbsfähig zu sein, nimmt man auch in Kauf, aus dem Wettbewerb geschmissen zu werden. Sie ist die Entschuldigung der Konzerne, die nebulöse Kraft, die Entlassungen macht. Martens bedient sich dieses Schlagwortes - wie könnte es anders sein? - und genehmigt denen, die keine Chancen mehr im Wettbewerb bekommen, weil man sie aussortierte, nicht mal Bürgerrechte.


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