Klopfte der Papst an meine Türe...

Es wäre ein Gebot der Höflichkeit, konnte man vor dem Besuch des römischen Bischofs lesen, einen Gast auch dann mit allem gebotenen Respekt zu begrüßen, wenn man mit ihm weltanschaulich nicht auf einer Augenhöhe flaniert. Dieser Imperativ richtete sich an die Adresse derer, die ankündigten, sie würden protestieren, wenn der Papst zugegen sei, richtete sich aber auch an jene, die vorab erklärten, sie würden dem Gast den Buckel zudrehen, wenn er spräche. Eine Schande sei es, einen Gast so ungastlich zu behandeln, war die Quintessenz solcher Losungen.

Mir leuchtet diese Argumentation kaum ein, denn der Papst besucht nicht mich. Er kommt nach Deutschland - ich bin aber nicht Deutschland und Deutschland sind nicht meine vier Wände. Anders gesagt, ich fühle mich nicht als Gastgeber, nicht als Hausherr, der jemanden gastlich zu behandeln hätte. Nur einige Quadratmeter dieses Landes stehen auf meinen Namen - dort bin ich Herr, da kann ich Gäste bewirten. Sonst nirgends! Der geforderte Imperativ hinkt gewaltig, weil er uns weismachen will, wir seien alle Gastgeber, seien damit Herren in diesem Land, hätten damit eine Art Verpflichtung gegenüber Gästen. Ich wohne aber nicht in Deutschland, ich wohne dort, wo das hiesige Impressum es darlegt - doch käme der Mann hierher, ich würde ihn behandeln, wie man jemanden als Gast behandelt. Dann ja!

Würde er um Eintritt bitten, ich würde ihn freundlich hineinlassen. Nicht, dass ich sagte, Herr, ich bin nicht würdig, dass du einkehrst unter mein Dach... Kommen Sie rein, Herr Ratzinger, auch Sie sind würdig, hier einzukehren, würde ich ihm schon eher, ironisch und konziliant synchron, entgegenrufen. Er käme in ein gottloses Haus, das müsste er wissen - bei Gott, ich bin gottlos! Er dürfte mein Klo benutzen, an meinem Tisch sitzen, von meinem koffeinhaltigen Gesöff schlürfen, auch Kaffee kochte ich ihm.
Ich nennte ihn Herr Ratzinger, weil das sein Name ist. Mit Künstlernamen rufe ich jemanden nur, wenn ich seinen bürgerlichen Namen nicht kenne. Würde ihm erklären, dass jeder, ja auch er, das Recht hat, freundlich behandelt zu werden, wenn er an eine Türe klopft. Dazu muß man kein Christ sein, nur Mensch - das reicht gemeinhin. Ob wir auch über Gästepflichten quatschen würden? Pflichten wie, seinen Gastgeber nicht zu brüskieren, ihn wortwörtlich ins Gebet zu nehmen, ihn mit seinen Glaubensgeboten zu konfrontieren? Nun glaube ich jedoch sogar, dass der ehemalige Großinquisitor das gar nicht planen würde, wenn er an meinem Tisch hockte. So ist er nicht gestrickt. Und Benimm dürfte er auch mal gelernt haben. Bauerntrampel können zwar das Amt bayerischer Ministerpräsidenten bekleiden, vermutlich aber nicht Papst werden. Er würde mich nicht mit Gott behelligen, denke ich mir. Denn das Missionieren läßt er anderen - er selbst lächelt nur.
Ich kniete mich nicht hin, küsste nicht seinen Ring. Wer weiß, wann er den zuletzt geputzt hat. Er bekäme Speis und Trank, ich würde mich mit ihm unterhalten, kein Blatt vor den Mund nehmen, ihm dabei aber nicht die Ehre aberkennen. Ehrlich und offen bleiben, nicht zu diplomatisch schönreden - Scheiße bleibt letztlich Scheiße, wenn man auch andere Worte dafür kennt.
Kurz, ich wäre vorzüglich freundlich im Rahmen dessen, was eine bodenständige Gastfreundschaft beinhaltet. Eine Frage des Respekts wäre dies. Aber nur, wenn er unter mein Dach kommt - nicht unter den Himmel dieses Landes, in dem ich lebe. Im öffentlichen Raum trifft für Herrn Ratzinger und für mich das alles nicht mehr zu. Ich muß nicht gastfreundlich auf das seelische Wohl und die geistigen Befindlichkeiten dieses betagten Senioren achten - und er darf freiweg von Gott salbadern wie er will. Im öffentlichen Raum sind Gastgeberrechte und -pflichten, Gästerechte und -pflichten uneingeschränkt aufgehoben. Im öffentlichen Raum bin ich kein Hausherr mehr, ist keiner von uns Hausherr - was natürlich heute viele anders glauben, wenn sie sich als Hausherren aufführen, weil sie wieder mal einem Ausländer deutlich machen wollen, dass seine Tage als Gast nun endlich passé seien.

Ich wäre höflich, wie mein Vater, wie meine Mutter es mich gelehrt haben. Gäbe die Hand, grüßte, führte Konversation, sorgte für das leibliche Wohl, stieß ihm nicht sonderlich vor den Kopf. Doch all das, so male ich mir weiter aus, würde nicht ausreichen und nicht gebührend respektiert. Der gute Gastgeber, der ich mir vornehme zu sein, er würde in den Zeitungen als respektloser Heide, als Schande für dieses Land, herhalten müssen. Mit dem bürgerlichen Namen sprach er den Heiligen Vater an, würden sie empört schreiben - wer sollte mich denn verteidigen? Protestanten etwa? Eben sah ich im Fernsehen einen evangelischen Theologen, der ernstlich begründete, den Papst als Heiligen Vater anzusprechen, um nicht gegen das Protokoll zu verstoßen. Und dass, obgleich die Heiligen Väter heute gar keine Väter mehr sind! Ein absonderlicher Gast, der seinen vermeintlichen Gastgebern vorab postalisch Protokolle zukommen läßt. Keinen Respekt gäbe es mehr in diesem Lande, würde man lesen. Und dieser dickliche Linke, der den Pontifex so unstandesgemäß bei sich einkehren ließ, der gehört eigentlich bestraft - bestraft, weil er das nationale Ansehen beschmutzt hatte. Innenminister Friedrich würde mich dann wahrscheinlich auch bald besuchen kommen - auch diesen Sonderling, der mir im öffentlichen Raum unsympathisch ist, würde ich respektvoll begrüßen, klopfte er bei mir an. Auch für so einen gibt es unter meinem Dach ein Recht auf ein Glas Cola. Nunja, der würde ja nicht selbst kommen, nicht selbst klopfen, sondern kommen, klopfen lassen.

Ich nehme den Aufruf zu mehr Höflichkeit sehr ernst. Es beschäftigt mich, dass man Menschen, die links denken, links fühlen, links zu sein meinen, für so schnodderig unfreundlich hält. Ein Vorschlag zur Güte. Nehmt ihn ernst! Schickt mir den Papst vorbei, ich will das Gegenteil beweisen. Ich will dem Land zeigen, dass auch ein Linker mit diesem Senioren an einem Tisch sitzen, mit ihm gastfreundlich sein kann. Auf die gebotene Art und Weise, nicht devot, nicht katzbuckelnd, sondern als aufrechter Mensch zu aufrechtem Mensch. Schickt ihn einfach her! Ich grüßte ihm noch auf dem Treppenabsatz, höbe die Hand, Hallo, Herr Ratzinger! Mensch, schön, dass Sie es einrichten konnten... Sind Ihre Schuhsohlen dreckig? Ich habe Hausschuhe für Sie vorbereitet... natürlich dürfen Sie das Klo benutzen, wundern Sie sich aber nicht, es riecht etwas, gerade hat die Katze ins auf der Toilette befindliche Katzenklo geschissen... aber einerlei, mein Klo ist Ihr Klo... Den Gast als so normal zu erachten, dass man mit ihm offen spricht, wie man in der Familie, unter Freunden spricht: das ist Gastfreundschaft. Schickt ihn her, damit der Mann sieht: auch in Deutschland gibt es aufrichtige, nicht nur inszenierte Gastfreundschaft!


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