De auditu

 

Letzte Woche wurde bekannt, dass die Zahl der Sanktionen beim Arbeitslosengeld II gestiegen ist. Besonders stark seien Meldeversäumnisse darunter zu finden gewesen. Etwa zwei Drittel der Sanktionen wurden ausgesprochen, weil einer Einladung zum örtlichen Jobcenter nicht nachgekommen wurde. Obwohl es sich in der Mehrzahl lediglich um solche kleinen Strafen handelte, konnte man in den Medien Fragen zur Zunahme der Sanktionszahlen hören, die in etwa so lauteten: Erkennen die Jobcenter den Betrug nun schneller und besser?

Das Meldeversäumnis macht demnach schon gleich den Betrug? Jede kleinste Unterlassung manifestiert bereits betrügerische Absichten? Hier wird mehr gesagt, als man vermutlich wollte. Die Frage scheint nun so gestellt werden zu dürfen, weil das gängige Vorurteil nun verifiziert scheint. Steigende Zahlen nähren das gärende Ressentiment, dass Betrug ein fester Bestandteil im Leben eines arbeitslosen Menschen sein muss. Jetzt kann man selbst von Betrug sprechen, auch wenn es nach wie vor nur drei Prozent aller Leistungsberechtigten sind, die sanktioniert wurden - auch wenn von diesen drei Prozent zwei Drittel lediglich zu einem Termin nicht erschienen sind. Anders gesagt: Nicht mal ein Prozent der Sanktionierten hat sich andere Pflichtverletzungen geleistet. Das Sozialgesetzbuch II spricht da übrigens von kleinen oder großen Sanktionen.
Fragt zum Beispiel ein Radiomoderator trotz bekannter Sachlage nach, ob denn nun der Betrug besser aufgedeckt werden konnte, so ist das nicht nur eine Frage, sondern ein Programm, das abgespult wird. Es ist eine Ausdrucksweise, die offenmacht, wie man über so genannte Hartz IV-Empfänger denkt. Ihre Existenz in Arbeitslosigkeit ist hiernach nichts als ein einziger Betrug. Selbst ein kleines Vergehen ist schon Betrug. Jede Kleinigkeit eine Kleinigkeit auf Betrugsbasis. Jeder Atemzug im Grunde ein Atemzug in betrügerischer Absicht. Trotz gegenläufiger Fakten weiterhin den Betrug in die Behandlung des Themas zu flechten, erklärt den Arbeitslosen, der sich betrügerisch nichts zuschulden kommen ließ, zum Betrugsfall. Es ist insofern egal, was er macht, ob er betrügerische Absichten hegt oder betrugsfrei durchs Leben geht: Er ist und bleibt Betrüger.

 


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